Ein Widerspruch zu unseren Werten
Politikerinnen der Koalition fordern breitere Aufarbeitung der Geschichte
Berlin Kulturstaatsministerin Monika Grütters fordert Deutschland auf, sich verstärkt der Kolonialgeschichte zu stellen. Diese sei über viele Jahrzehnte ein blinder Fleck in der Erinnerungskultur gewesen, schreibt die Cdu-politikerin zusammen mit der Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD), in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Für Deutschland ist das Thema von besonderer Aktualität, weil auch in dem geplanten neuen Kulturzentrum in Berlin, dem Humboldt Forum im wiederaufgebauten Schloss, ein Großteil der Objekte aus der Kolonialzeit stammt.
Die Debatte über die historische Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit müsse jedoch über die Museen hinausgehen. „Sie gehört in die Hörsäle, in die Schulbücher und ins Fernsehprogramm“, schreiben Grütters und Müntefering. Es gehe darum, „eine erinnerungs- und kulturpolitische Gedächtnislücke zu schließen“. Ausdrücklich wolle man auch eine Debatte im Bundestag anregen „über einen Ort für die Erinnerung an koloniales Unrecht“. „Von Museen und Sammlungen erwarten wir die Bereitschaft, sich offen der Frage einer Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten zu stellen“, heißt es in dem Beitrag der beiden Politikerinnen der schwarz-roten Koalition. Viel zu lange sei das während der Kolonialzeit geschehene Unrecht vergessen und verdrängt worden. Es sei unstrittig, dass geraubte menschliche Gebeine nicht in europäische Depots gehörten, sondern in die Hände der Nachfahren. „Notwendig ist maximale Transparenz. Für Museen und Sammlungen führt kein Weg mehr daran vorbei, bei der Ausstellung von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten deren Herkunftsgeschichte darzustellen.“
Die Debatte zwinge auch zu unbequemen Fragen: „Wie können es Museen und Sammlungen rechtfertigen, Objekte aus kolonialen Kontexten in ihren Sammlungen zu haben, deren Verbringung nach Deutschland unserem heutigen Wertesystem widerspricht? Was sagt es über uns aus, wenn zuweilen pauschal unterstellt wird, Kulturgüter würden in ihren Herkunftsländern nicht den Schutz erfahren, der ihnen gebührt? Wir meinen: Es gilt aus der Falle einer eurozentrischen Perspektive herauszukommen.“
Wichtig sei auch die Provenienzforschung bei Kulturgütern. Dazu wolle Grütters 2019 ein Programm zur Erforschung von Sammlungsbeständen aus kolonialen Kontexten auflegen, um Museen zu unterstützen. Insgesamt, so die beiden Politikerinnen, gebe es „enorme historische, moralische und politische Herausforderungen“, denn der Kolonialismus habe den betroffenen Gesellschaften einen Teil ihrer Identität geraubt: „Die Aufarbeitung dieser Vergangenheit ist Teil der Verantwortung Deutschlands und Europas für seine Kolonialgeschichte und Voraussetzung für Versöhnung, Verständigung und eine gemeinsame, bessere Zukunft.“