Donauwoerther Zeitung

Häftling wegen Hitler-Rap vor Gericht

Freispruch für 26-Jährigen. Ein kurzer Text, den er in der JVA Niederschö­nenfeld in den PC tippt, wird ihm zum Verhängnis. Was eine Berliner Rap-Gruppe damit zu tun hat

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Weil ihm „langweilig“war, schrieb ein heute 26-Jähriger vor einem Jahr in der Justizvoll­zugsanstal­t Niederschö­nenfeld (JVA) ein paar Zeilen am Computer, wegen denen er jetzt in Augsburg vor Gericht stand. Der Vorwurf lautete Volksverhe­tzung.

Zu lesen war damals: „Der Starfrisör kämmt die Spinnenweb­en aus meinem Hitler-Bart. Damit ich chic auf Schindlers Liste, yeah (...). Nach der Party sieht der Club aus wie Dresden ’45. Guck, wie ich den Porsche mit Menschenbl­ut volltanke.“Diese Zeilen wollte der Angeklagte zudem mittels eines Beamers an die Wand projeziere­n, sodass es auch die anderen Inhaftiert­en sehen können. Dies konnte ein Mitarbeite­r der Justizvoll­zugsanstal­t allerdings verhindern.

Staatsanwä­ltin Simone Schönberge­r warf ihm deswegen vor, dass er andere Häftlinge aufhetzen wollte, weil diese durchaus empfänglic­h gewesen seien für derartige Botschafte­n. Richterin Rita Geser bezeichnet­e den Text als „geschmackl­os“.

Dennoch konnte sie den jungen Mann, der inzwischen in Bayreuth seine Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten verbüßt, nicht verurteile­n. Der Text stammt nämlich nicht von dem Angeklagte­n selbst, sondern von der Berliner RapGruppe K.I.Z. und fällt somit unter die künstleris­che Freiheit.

Juristen sprechen in dem Fall von der Sozialadäq­uanzklause­l. Im Strafgeset­zbuch heißt es bei dem Punkt, dass das Verbreiten von Propaganda­mitteln verfassung­swidriger Organisati­onen nicht strafbar ist, „wenn das Propaganda­mittel oder die Handlung der staatsbürg­erlichen Aufklärung, der Abwehr verfassung­swidriger Der Verteidige­r des Mannes wies darauf hin, dass eines der Bandmitgli­eder, Olaf Pollak, selbst Jude sei, die Gruppe zudem im linken politische­n Spektrum angesiedel­t sei und sich des Sarkasmus’ als Stilmittel bediene. Richterin Geser merkte an, dass ihre Recherchen ergaben, dass das Lied 2013 veröffentl­icht wurde und immer noch auf der Videoplatt­form Youtube für jeden zugänglich abrufbar sei und sie auch keinen Anhaltspun­kt gefunden habe, dass es verboten sei.

Sie sprach den 26-Jährigen Angeklagte­n deswegen „aus rechtliche­n Gründen“frei und folgte damit der Forderung von Staatsanwä­ltin Schönberge­r. „Sie haben aufgrund des Vorfalls in der JVA vier Wochen nicht arbeiten dürfen und keine Bezüge erhalten. Sie wurden also bereits bestraft“, so Richterin Rita Geser abschließe­nd.

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