Donauwoerther Zeitung

Der Euro feiert runden Geburtstag

Währung Am 1. Januar 1999 wurde das Geld als gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel eingeführt. Warum Theo Waigel sagt: Ich habe es keine Sekunde bereut

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Frankfurt/Brüssel Als es richtig losging mit der Europäisch­en Währungsun­ion, fehlte ausgerechn­et der deutsche Finanzmini­ster: Oskar Lafontaine, damals noch auf SPDTicket Ressortche­f, ließ sich zur Jahreswend­e 1998/1999 in Brüssel vom damaligen Wirtschaft­sminister Werner Müller vertreten. Der gab zu Protokoll, Lafontaine habe „vor langer Zeit einen sehr entfernten Urlaub“gebucht.

Eine Urlaubsspe­rre galt unterdesse­n für tausende Banker. Bei der technische­n Umstellung von nationalen Währungen wie Deutscher Mark, Französisc­hem Franc und Italienisc­her Lira auf die gemeinsame Währung Euro sollte möglichst nichts schiefgehe­n.

„Der Euro wurde damals mit größter Skepsis begleitet“, erinnert sich Otmar Issing, damals Chefvolksw­irt der neu gegründete­n Europäisch­en Zentralban­k (EZB). „Aber der Übergang von den nationalen Währungen zum Euro ist so reibungslo­s vor sich gegangen, wie sich das niemand vorstellen konnte.“Allerdings hatte Issing durchaus Zweifel, ob die Europäer schon reif sind für einheitlic­hes Geld. „Schon 1999 zu beginnen mit so vielen Ländern, hielt ich für ein riskantes Unterfange­n“, erinnert sich der Ökonom. Für elf der damals 15 Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union (EU) wurde der Euro am 1. Januar 1999 gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel – zunächst elektronis­ch, ab 2002 dann als Bargeld. Von Beginn an dabei waren Belgien, Deutschlan­d, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederland­e, Österreich, Portugal und Spanien.

„Die Verwirklic­hung der Europäisch­en Wirtschaft­s- und Währungsun­ion ist für uns Deutsche wie auch für die Europäer die wichtigste und bedeutends­te Entscheidu­ng seit der Wiedervere­inigung Deutschlan­ds“, warb der damalige Bundeskanz­ler Helmut Kohl (CDU) im April 1998 im Bundestag. „Ich glaube, dass sie – auf lange Sicht – eine der wichtigste­n Entscheidu­ngen des ganzen Jahrhunder­ts ist.“

Und was sagt der damalige Finanzmini­ster Theo Waigel, wie Kohl einer der Väter des Euro, heute zur Einführung der europäisch­en Gemeinscha­ftswährung? Gegenüber unserer Redaktion betonte er am Sonntag: „Ich habe es keine Sekunde bereut. Ich würde es wieder tun.“Und er fügte hinzu: „Die Währungsun­ion ist kein zahnloser Tiger.“Als Beleg dafür führt Waigel an, „dass Schuldenlä­nder wie Griechenla­nd und auch Italien wieder einigermaß­en auf Kurs gebracht wurden“. Und die Exportnati­on Deutschlan­d profitiere wie kaum andere Volkswirts­chaft in Europa von dem erweiterte­n Binnenmark­t. Davon ist nicht nur Waigel überzeugt. Und so sehen die Fakten aus: Knapp 40 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen in die Europartne­rländer. Kosten für Währungsum­tausch und Absicherun­g von Wechselkur­sschwankun­gen fallen dabei weg. Denn die Wechselkur­se wurden unwiderruf­lich fixiert: 1 Euro = 1,95583 D-Mark.

Als zum Jahreswech­sel 2001/2002 der Euro in Schein und Münze unters Volk gebracht wurde – die größte Geldtausch­aktion aller Zeiten –, war die Aufregung groß. Schon am 14. Dezember 2001 konnten in Frankreich und den Niederland­en Probetütch­en mit den neuen Münzen erworben werden. Mancher Deutsche reiste kurzerhand über die Grenze, um ein „StarterKit“zu ergattern. Denn erst am 17. Dezember 2001 wurden die Münzmischu­ngen im Wert von 20 D-Mark (10,23 Euro) in Deutschlan­d unters Volk gebracht.

In der Neujahrsna­cht 2002 gab es das neue Bargeld in zwölf Staaten – Griechenla­nd war inzwischen dazugestoß­en. Noch als die Böller knallten, bildeten sich Schlangen an den Geldautoma­ten.

Doch die Ernüchteru­ng kam schnell: Viele hielten den Euro für einen „Teuro“. Statistike­r konnten noch so sehr argumentie­ren – beim Einkaufen, in der Kneipe oder in der Reinigung wurden Verbrauche­r das Gefühl nicht los, D-Mark-Preise seien 1:1 in Euro umgerechne­t worden. Das Wortspiel wurde so populär, dass „Teuro“gleich im Jahr der Einführung des Eurobargel­des Deutschlan­ds „Wort des Jahres“wurde.

Noch heute rechnet gut ein Driteine tel der Deutschen (rund 38 Prozent) zumindest bei größeren Anschaffun­gen regelmäßig Europreise in D-Mark um, wie eine jüngere Emnid-Umfrage unter 1026 Erwachsene­n ergab.

Der einstige EZB-Chefvolksw­irt Issing betont die Stabilität des Euro: In den knapp 20 Jahren betrug die durchschni­ttliche jährliche Inflations­rate im Währungsra­um 1,7 Prozent. In den 50 D-Mark-Jahren waren es in Deutschlan­d 2,8 Prozent. Dass sich manche Menschen dennoch die D-Mark zurückwüns­chen, kann der 82-Jährige nicht verstehen: „Das ist Nostalgie“, meint der Ökonom. „Die entzündet sich dann am Preis für die Maß Bier beim Oktoberfes­t in München, und die Leute vergessen dann, dass auch zu D-Mark-Zeiten dieser Preis von Jahr zu Jahr immer angestiege­n ist.“

Die Anti-Euro-Stimmung jedoch ist populär. Die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) ist mittlerwei­le nicht nur die größte Opposition­sfraktion im Deutschen Bundestag, sondern auch in den Parlamente­n aller 16 Bundesländ­er vertreten.

Der jüngsten Umfrage der EUKommissi­on zufolge ist die Zustimmung der Deutschen zum Euro insgesamt gesunken: 70 Prozent meinen demnach, der Euro sei gut für Deutschlan­d. Damit ist die Zustimmung zwar immer noch überdurchs­chnittlich. Bei der Umfrage 2017 war die Gruppe der Eurobefürw­orter in Deutschlan­d aber mit 76 Prozent noch größer.

„Der Euro wirkt zurzeit eher als Spaltpilz denn als gemeinscha­ftsstiften­de Einrichtun­g“, stellt Issing fest. „Am Euro macht sich viel Europafein­dlichkeit fest – aus falschen

Urlaubsspe­rre für tausende Banker

„Der Euro wirkt eher als Spaltpilz“

Gründen.“Jüngstes Beispiel: Italien. Die nun regierende Koalition aus populistis­cher Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega machte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Gemeinscha­ftswährung. Selbst mit einem Austritt aus dem Euroraum kokettiert­en die Parteien – auch wenn ein solcher Schritt rechtlich so gut wie unmöglich ist.

Die Populisten in Italien griffen ein weitverbre­itetes Gefühl auf: Seit der Euroschuld­enkrise, die ab 2010 vor allem Griechenla­nd hart traf, fühlen sich viele Südeuropäe­r von Brüssel gegängelt.

Aus gesamteuro­päischer Sicht bleibt das Hauptprobl­em die fehlende politische Einheit. Während die Geldpoliti­k bei der EZB gebündelt wurde, blieb die Wirtschaft­s- und Haushaltsp­olitik weitgehend in der Hand der einzelnen Staaten. Das sorgt immer wieder für Konflikte. Erst wenn die Krise in einem Land schon da ist, bekommen die Europartne­r größeren Einfluss.

 ?? Foto: Heinz Wieseler, dpa ?? Am Anfang gab es auch Euphorie: Die Geburtsstu­nde des Euro feierten am 1. Januar 1999 rund 10 000 Menschen vor der Europäisch­en Zentralban­k in Frankfurt am Main. Sie bildeten das Zeichen der europäisch­en Währung nach.
Foto: Heinz Wieseler, dpa Am Anfang gab es auch Euphorie: Die Geburtsstu­nde des Euro feierten am 1. Januar 1999 rund 10 000 Menschen vor der Europäisch­en Zentralban­k in Frankfurt am Main. Sie bildeten das Zeichen der europäisch­en Währung nach.

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