Die prächtigen Krippen vom Dachboden
Weihnachten In Otting kommen alte, ungewöhnliche Miniaturbauten zum Vorschein. Nun sind sie restauriert und sollen neu präsentiert werden. Parallelen zur großen Krippe in Donaumünster
Otting/Tapfheim-Donaumünster Es ist schon einige Jahre her, da wurde das Rathaus in Otting saniert. Dabei war auch der Dachboden zu räumen. „Im hintersten Winkel“, so erinnert sich Bürgermeister Johann Bernreuther, „kamen 2012 unter Gerümpel allerlei hölzerne Miniaturbauwerke und Figuren zum Vorschein.“Schnell habe man erkannt: Es handelt sich um eine Krippe. Die stand einst in der Ottinger Kirche, beeindruckt durch ihre Ausmaße und soll zu neuem Leben erweckt werden. Da sind sich Gemeinde und Kirchenverwaltung einig. Doch es gibt noch einige Rätsel: Woher stammt die Krippe? Wie war sie aufgebaut? Welche Figuren gehörten zu ihr? Diese Fragen versucht Kirchenpfleger Meinhard Mayer zu lösen. Ein Stück weit scheint dies gelungen – auch mithilfe von Renate Stix aus Donaumünster. Denn dort gibt es eine Geschichte, die der in Otting in faszinierender Weise gleicht.
Die Verantwortlichen in Otting staunten zunächst nicht schlecht. Der Fund vom Dachboden beinhaltete 14 Bauwerke: unter anderem Paläste, einen Tempel, einen Stall, eine Zimmermannswerkstatt sowie ein großes und ein kleines Stadttor plus Stadtmauer. Die Krippenbestandteile waren laut Mayer staubig, verdreckt und verkratzt: „Teile waren abgebrochen, die Farbe war abgeblättert und der Holzwurm war drin.“Gleiches galt für zehn geschnitzte
Der Kirchenpfleger war vom Anblick überwältigt
Figuren. Der Fund wurde zunächst einmal in der Schlosskapelle gelagert. Als in dieser ein Schädlingsbekämpfer dem Holzwurm den Garaus machte, wurden auch gleich die Krippenteile mit von den gefräßigen Tierchen befreit.
Die Verantwortlichen der Ottinger Kirchenverwaltung beschlossen, die Krippe restaurieren zu lassen. Dies geschah in der Kunstabteilung der Justizvollzugsanstalt Kaisheim.
Als die Arbeiten abgeschlossen waren, traute Meinhard Mayer nach eigenen Angaben seinen Augen kaum: „Mein erster Eindruck war: überwältigend.“Die Gebäude erstrahlten in frischen Naturfarben.
Doch: Wohin mit der Krippe? Da fragten die Kirchenleute bei der Kommune nach, denn, so Mayer: „Ich fände es schade, wenn die Krippe irgendwo versteckt gelagert würde.“Der Gemeinderat beschloss, im Rathaus im Obergeschoss einen Raum zur Verfügung stellen – und zwar in dem Bereich, der sich der Heimatgeschichte des Dorfs widmet.
Bevor die Krippe dort präsentiert werden kann, sind allerdings ein paar nicht ganz unwichtige Dinge zu klären. Ein wesentlicher Punkt: Wie wird die Krippe überhaupt aufgestellt. Welches Gebäude gehört wo hin? Bislang weiß der Kirchenpfleger nur: Die Krippe stand einst in der Kirche. Daran erinnerten sich nur einige der ältesten Bewohner des Orts. Ein Mittachtziger berichtete, er habe in seiner Kindheit als Ministrant die Krippe mit aufgebaut. An Details kann er sich aber nicht mehr erinnern.
Unsere Zeitung fragte bei Krippenexperten nach und wurde nach Donaumünster verwiesen. Dort merkte Renate Stix beim Anblick eines Fotos gleich auf: „Die Ottinger Krippe hat viel Ähnlichkeit mit der unsrigen.“Und über die wissen die Donaumünsteraner inzwischen einiges. Demnach dürften beide Krippen nach Plänen aus dem oberpfäl- zischen Plößberg gebaut worden sein, die über einen Verlag in München vertrieben wurden. Die Arbeitslosigkeit sei in der Ortschaft im Osten Bayerns im 19. Jahrhundert groß gewesen, so Renate Stix. Aus anfänglichen Heimarbeiten mit dem Schnitzen von Krippenfiguren habe sich allmählich ein Geschäftszweig entwickelt.
In Donaumünster entstand die Plößberger Krippe im Jahr 1933. „Damals wollte der neue Pfarrer Daniel Kessler, der später Stadtpfarrer in Donauwörth wurde, eine schöne Krippe“, schildert Renate Stix. Freilich habe die nicht viel kosten dürfen. Es fand sich ein Schreiner, der die Bauteile nach den vorgegebenen Plänen fertigte. Dabei bewies er enormes Improvisationstalent. Als Material dienten unter anderem Holz von Zigarrenkistchen und Linoleumreste. Der Pfarrer schnitzte die Figuren.
in Otting, so geriet auch in Donaumünster die Krippe in Vergessenheit – und landete irgendwann auf dem Dachboden des Pfarrheims. Ältere Bewohner des Orts erinnerten sich 1996 aber an die Krippe, als ein historisches Doppeljubiläum gefeiert wurde: 750 Jahre Donaumünster, 850 Jahre Erlingshofen. „Die Leute sagten, es sei schade, dass es die Krippe nicht mehr gebe“, so Renate Stix. Sie und ihr Mann Martin versprachen, auf die Suche zu gehen.
Es dauerte bis 2007, ehe das Ehepaar auf dem Dachboden fündig wurde – und erst einmal rätselte, wie denn die rund ein Dutzend Bauwerke zusammenpassen. Man holte sich professionelle Hilfe. Renate und Martin Stix machten sich auch daran, die Krippe samt Figuren wieder herzurichten: „Wir machten von 2007 bis 2010 nichts mehr anderes.“Die Krippe sei zu einer Art „Lebensaufgabe“geworden. Um die Figuren habe sich auch ein Fachmann gekümmert. Die Kosten übernahm der Kulturbeirat des örtlichen Heimat- und Brauchtumsvereins. 2010 wurde die Krippe dann erstmals wieder in der Kirche aufgebaut. Genauer gesagt besteht das, was seitdem jedes Jahr von Heiligabend bis Lichtmess (2. Februar) in Donaumünster zu sehen ist, aus mehreren Krippen. Eine davon ist ebenfalls nach Plößberg-Vorgaben entstanden. Gebaut hat diese Teile in den 1930er-Jahren ein junger Mann, der später im Krieg sein Leben ließ. Hinzu kamen eine AuerKrippe aus Donauwörth und Ergänzungsteile, vom Ehepaar Stix selbst gebastelt. In Otting nimmt MeinWie hard Mayer diese Informationen mit großem Interesse auf. Auch er hat mittlerweile ein bisschen Licht in die Vergangenheit der dortigen Krippe bringen können. Wie eine Bleistiftinschrift auf der Unterseite eines der Gebäude verrät, wurde die Krippe „samt sämtlichen Teilen“wohl 1922 dem Dekan Bernhard Eder überlassen – und zwar als „Andenken“. Eder war von 1929 bis 1940 in Otting tätig und brachte die Krippe möglicherweise aus seiner früheren Pfarrei mit, vermutet Mayer.
Der hat sich für die Zeit zwischen den Jahren schon mal einen kleinen Ausflug vorgenommen: „Ich werde nach Donaumünster fahren und mir die Krippe dort anschauen.“Zudem bittet er aktuelle und ehemalige Ottinger, sich zu melden, falls sie wissen, wo noch fehlende Stücke der Krippe, insbesondere Figuren, sein könnten.
Eine „Lebensaufgabe“für das Ehepaar Stix