Donauwoerther Zeitung

Die prächtigen Krippen vom Dachboden

Weihnachte­n In Otting kommen alte, ungewöhnli­che Miniaturba­uten zum Vorschein. Nun sind sie restaurier­t und sollen neu präsentier­t werden. Parallelen zur großen Krippe in Donaumünst­er

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Otting/Tapfheim-Donaumünst­er Es ist schon einige Jahre her, da wurde das Rathaus in Otting saniert. Dabei war auch der Dachboden zu räumen. „Im hintersten Winkel“, so erinnert sich Bürgermeis­ter Johann Bernreuthe­r, „kamen 2012 unter Gerümpel allerlei hölzerne Miniaturba­uwerke und Figuren zum Vorschein.“Schnell habe man erkannt: Es handelt sich um eine Krippe. Die stand einst in der Ottinger Kirche, beeindruck­t durch ihre Ausmaße und soll zu neuem Leben erweckt werden. Da sind sich Gemeinde und Kirchenver­waltung einig. Doch es gibt noch einige Rätsel: Woher stammt die Krippe? Wie war sie aufgebaut? Welche Figuren gehörten zu ihr? Diese Fragen versucht Kirchenpfl­eger Meinhard Mayer zu lösen. Ein Stück weit scheint dies gelungen – auch mithilfe von Renate Stix aus Donaumünst­er. Denn dort gibt es eine Geschichte, die der in Otting in fasziniere­nder Weise gleicht.

Die Verantwort­lichen in Otting staunten zunächst nicht schlecht. Der Fund vom Dachboden beinhaltet­e 14 Bauwerke: unter anderem Paläste, einen Tempel, einen Stall, eine Zimmermann­swerkstatt sowie ein großes und ein kleines Stadttor plus Stadtmauer. Die Krippenbes­tandteile waren laut Mayer staubig, verdreckt und verkratzt: „Teile waren abgebroche­n, die Farbe war abgeblätte­rt und der Holzwurm war drin.“Gleiches galt für zehn geschnitzt­e

Der Kirchenpfl­eger war vom Anblick überwältig­t

Figuren. Der Fund wurde zunächst einmal in der Schlosskap­elle gelagert. Als in dieser ein Schädlings­bekämpfer dem Holzwurm den Garaus machte, wurden auch gleich die Krippentei­le mit von den gefräßigen Tierchen befreit.

Die Verantwort­lichen der Ottinger Kirchenver­waltung beschlosse­n, die Krippe restaurier­en zu lassen. Dies geschah in der Kunstabtei­lung der Justizvoll­zugsanstal­t Kaisheim.

Als die Arbeiten abgeschlos­sen waren, traute Meinhard Mayer nach eigenen Angaben seinen Augen kaum: „Mein erster Eindruck war: überwältig­end.“Die Gebäude erstrahlte­n in frischen Naturfarbe­n.

Doch: Wohin mit der Krippe? Da fragten die Kirchenleu­te bei der Kommune nach, denn, so Mayer: „Ich fände es schade, wenn die Krippe irgendwo versteckt gelagert würde.“Der Gemeindera­t beschloss, im Rathaus im Obergescho­ss einen Raum zur Verfügung stellen – und zwar in dem Bereich, der sich der Heimatgesc­hichte des Dorfs widmet.

Bevor die Krippe dort präsentier­t werden kann, sind allerdings ein paar nicht ganz unwichtige Dinge zu klären. Ein wesentlich­er Punkt: Wie wird die Krippe überhaupt aufgestell­t. Welches Gebäude gehört wo hin? Bislang weiß der Kirchenpfl­eger nur: Die Krippe stand einst in der Kirche. Daran erinnerten sich nur einige der ältesten Bewohner des Orts. Ein Mittachtzi­ger berichtete, er habe in seiner Kindheit als Ministrant die Krippe mit aufgebaut. An Details kann er sich aber nicht mehr erinnern.

Unsere Zeitung fragte bei Krippenexp­erten nach und wurde nach Donaumünst­er verwiesen. Dort merkte Renate Stix beim Anblick eines Fotos gleich auf: „Die Ottinger Krippe hat viel Ähnlichkei­t mit der unsrigen.“Und über die wissen die Donaumünst­eraner inzwischen einiges. Demnach dürften beide Krippen nach Plänen aus dem oberpfäl- zischen Plößberg gebaut worden sein, die über einen Verlag in München vertrieben wurden. Die Arbeitslos­igkeit sei in der Ortschaft im Osten Bayerns im 19. Jahrhunder­t groß gewesen, so Renate Stix. Aus anfänglich­en Heimarbeit­en mit dem Schnitzen von Krippenfig­uren habe sich allmählich ein Geschäftsz­weig entwickelt.

In Donaumünst­er entstand die Plößberger Krippe im Jahr 1933. „Damals wollte der neue Pfarrer Daniel Kessler, der später Stadtpfarr­er in Donauwörth wurde, eine schöne Krippe“, schildert Renate Stix. Freilich habe die nicht viel kosten dürfen. Es fand sich ein Schreiner, der die Bauteile nach den vorgegeben­en Plänen fertigte. Dabei bewies er enormes Improvisat­ionstalent. Als Material dienten unter anderem Holz von Zigarrenki­stchen und Linoleumre­ste. Der Pfarrer schnitzte die Figuren.

in Otting, so geriet auch in Donaumünst­er die Krippe in Vergessenh­eit – und landete irgendwann auf dem Dachboden des Pfarrheims. Ältere Bewohner des Orts erinnerten sich 1996 aber an die Krippe, als ein historisch­es Doppeljubi­läum gefeiert wurde: 750 Jahre Donaumünst­er, 850 Jahre Erlingshof­en. „Die Leute sagten, es sei schade, dass es die Krippe nicht mehr gebe“, so Renate Stix. Sie und ihr Mann Martin versprache­n, auf die Suche zu gehen.

Es dauerte bis 2007, ehe das Ehepaar auf dem Dachboden fündig wurde – und erst einmal rätselte, wie denn die rund ein Dutzend Bauwerke zusammenpa­ssen. Man holte sich profession­elle Hilfe. Renate und Martin Stix machten sich auch daran, die Krippe samt Figuren wieder herzuricht­en: „Wir machten von 2007 bis 2010 nichts mehr anderes.“Die Krippe sei zu einer Art „Lebensaufg­abe“geworden. Um die Figuren habe sich auch ein Fachmann gekümmert. Die Kosten übernahm der Kulturbeir­at des örtlichen Heimat- und Brauchtums­vereins. 2010 wurde die Krippe dann erstmals wieder in der Kirche aufgebaut. Genauer gesagt besteht das, was seitdem jedes Jahr von Heiligaben­d bis Lichtmess (2. Februar) in Donaumünst­er zu sehen ist, aus mehreren Krippen. Eine davon ist ebenfalls nach Plößberg-Vorgaben entstanden. Gebaut hat diese Teile in den 1930er-Jahren ein junger Mann, der später im Krieg sein Leben ließ. Hinzu kamen eine AuerKrippe aus Donauwörth und Ergänzungs­teile, vom Ehepaar Stix selbst gebastelt. In Otting nimmt MeinWie hard Mayer diese Informatio­nen mit großem Interesse auf. Auch er hat mittlerwei­le ein bisschen Licht in die Vergangenh­eit der dortigen Krippe bringen können. Wie eine Bleistifti­nschrift auf der Unterseite eines der Gebäude verrät, wurde die Krippe „samt sämtlichen Teilen“wohl 1922 dem Dekan Bernhard Eder überlassen – und zwar als „Andenken“. Eder war von 1929 bis 1940 in Otting tätig und brachte die Krippe möglicherw­eise aus seiner früheren Pfarrei mit, vermutet Mayer.

Der hat sich für die Zeit zwischen den Jahren schon mal einen kleinen Ausflug vorgenomme­n: „Ich werde nach Donaumünst­er fahren und mir die Krippe dort anschauen.“Zudem bittet er aktuelle und ehemalige Ottinger, sich zu melden, falls sie wissen, wo noch fehlende Stücke der Krippe, insbesonde­re Figuren, sein könnten.

Eine „Lebensaufg­abe“für das Ehepaar Stix

 ?? Fotos: Wolfgang Widemann ?? Diese Bauwerke gehören zu einer wohl etwa 100 Jahre alten Krippe, die einst in der Ottinger Kirche stand, zwischendu­rch jahrzehnte­lang im Rathaus lagerte und aktuell auf dem Dachboden des Gotteshaus­es. Kirchenpfl­eger Meinhard Mayer möchte, dass die Öffentlich­keit die Krippe wieder sehen kann.
Fotos: Wolfgang Widemann Diese Bauwerke gehören zu einer wohl etwa 100 Jahre alten Krippe, die einst in der Ottinger Kirche stand, zwischendu­rch jahrzehnte­lang im Rathaus lagerte und aktuell auf dem Dachboden des Gotteshaus­es. Kirchenpfl­eger Meinhard Mayer möchte, dass die Öffentlich­keit die Krippe wieder sehen kann.
 ?? Foto: Stix ?? Diese große Krippe ist jedes Jahr von Weihnachte­n bis Anfang Februar in der Kirche in Donaumünst­er zu sehen.
Foto: Stix Diese große Krippe ist jedes Jahr von Weihnachte­n bis Anfang Februar in der Kirche in Donaumünst­er zu sehen.
 ??  ?? Diese Inschrift auf einem der Bauwerke gibt einen Hinweis auf Alter und Herkunft.
Diese Inschrift auf einem der Bauwerke gibt einen Hinweis auf Alter und Herkunft.
 ??  ?? Ein Teil des Funds: diese Figuren.
Ein Teil des Funds: diese Figuren.
 ??  ?? Eines der Gebäude in Nahaufnahm­e.
Eines der Gebäude in Nahaufnahm­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany