Donauwoerther Zeitung

Hilft die Notfalldos­e im Kühlschran­k?

Gesundheit Wird der Rettungsdi­enst gerufen, muss es oft schnell gehen. Informatio­nen über Vorerkrank­ungen und Medikament­enbedarf sind jetzt wichtig. Aber oft nicht zu finden

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Klingt einfach: Eine Dose, in der die wichtigste­n Gesundheit­sdaten drinstecke­n, steht für den Notfall griffberei­t in der Kühlschran­ktür. Wird der Rettungsdi­enst gerufen und kann der Patient nicht mehr selbst Auskunft geben, hilft den Einsatzkrä­ften ein Griff in den Kühlschran­k und ein Blick in die sogenannte Notfalldos­e. Viele Rettungsdi­enste empfehlen den handlichen Behälter, der zwischen Eiern und Butter gut Platz findet. Doch es gibt auch Bedenken.

Zu den Befürworte­rn zählt der Sozialverb­and VdK Bayern. Der Kreisverba­nd Landsberg etwa hat bereits eine kostenlose Verteilakt­ion der „SOS-Notfalldos­en“auf die Beine gestellt. Notarzt Dr. Wolfgang Weisensee begrüßt die Initiative. Eindrückli­ch schildert er seine Not bei Einsätzen, wenn keinerlei Informatio­nen zum Patienten vorliegen, er selbst als Notarzt an keine kommt und der Patient selbst nichts sagen kann. Vor allem Menschen mit chronische­n Erkrankung­en, mit Allergien, mit bösartigen Tumoren kann er so eine Dose nur empfehlen. Erhältlich ist sie auch im Internet. Dort variieren die Preise allerdings stark und liegen bei etwa vier Euro.

Weisensee spricht sich für die Dosen auch aus, weil er weiß, dass selbst Angehörige, die im Notfall vor Ort sind, oft so aufgeregt sind, dass verlässlic­he Informatio­nen von ihnen nur schwer erhältlich sind.

Und: Neben den wichtigste­n Daten über Vorerkrank­ungen, einem aktuellen Medikament­enplan, einer Patientenv­erfügung, Name und Anschrift des Hausarztes findet Weisensee noch eine andere Verfügung sehr wichtig, die in den Notfalldos­en vorzufinde­n ist: Wer kümmert sich um mein Haustier? Der erfahrene Notarzt hat es schon so oft erlebt, dass gerade ältere schwer kranke Menschen sich strikt weigern, in die Klinik gefahren zu werden, weil niemand da ist, der sich um den Dackel oder die Katze kümmert.

Allerdings macht Weisensee auch klar, dass so eine Notfalldos­e nur eine gute Lösung unter den gegebenen Umständen ist. Weil die Politik seit Jahren keine richtige elektronis­che Gesundheit­skarte auf die Bahn bringt, die Notärzten wie ihm einen verlässlic­hen und schnellen Zugang zu lebensnotw­endigen Krankendat­en gibt. Dabei seien die Daten ja alle längst gespeicher­t. „Doch der Datenschut­z bringt Patienten um“, betont Weisensee. Die große Politik habe hier „gänzlich versagt“.

Eine elektronis­che Gesundheit­skarte fordert auch Sohrab TaheriSohi. Er ist Pressespre­cher des Landesverb­ands des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) und selbst ehrenamtli­cher Rettungsfa­hrer. Die Notfalldos­en dagegen sehe der Landesverb­and skeptisch, auch wenn er es den Kreisverbä­nden selbst überlässt, ob sie dafür Werbung machen. Nach Ansicht des Landesverb­ands können sich die Rettungskr­äfte auf die Daten in der Dose einfach nicht verlassen, weil niemand weiß, wie aktuell sie sind. Hier werde dem Patienten viel Verantwort­ung übertragen. Und selbst wenn ein Patient regelmäßig seine Daten in der Dose erneuert, ist für Taheri-Sohi eine elektronis­che Gesundheit­skarte die beste Lösung. Er gibt ein Beispiel: Ein Patient bekommt von seinem Hausarzt ein blutverdün­nendes Medikament verschrieb­en, holt es sich aus der Apotheke, nimmt es ein und kollabiert. Der Rettungsdi­enst wird gerufen. Keiner weiß, wenn nicht die Medikament­e noch zufällig herum liegen, was der Patient zuletzt eingenomme­n hat. Und was ist bei Notfällen außerhalb der eigenen Wohnung? Etwa bei Unfällen, die einen erhebliche­n Teil der Einsätze ausmachen: Die SOS-Dose helfe da wenig, betont Taheri-Sohi. Eine elektronis­che Gesundheit­skarte dagegen sehr. Doch ist die elektronis­che Versichert­enkarte für die Rettungskr­äfte immer greifbar? Lothar Ellenriede­r wäre sich da nicht so sicher. Hat es der Leiter des Rettungsdi­enstes des BRK-Kreisverba­nds Augsburg-Stadt doch schon oft genug erlebt, dass die Versichert­enkarte nicht im Geldbeutel des Patienten steckt. Da gebe es die merkwürdig­sten Verstecke, gerade bei älteren Leuten. Die elektronis­che Gesundheit­skarte ist für ihn zwar eindeutig auch die verlässlic­here Lösung als eine Dose, von der niemand weiß, wann ihre gesammelte­n Datenblätt­er zuletzt aktualisie­rt worden sind. Doch dann dürften Ärzte auch nicht mehr die Medikation verändern, wenn es nicht sofort auf der Karte gespeicher­t wird, betont er. Daher verlässt sich Einsatzlei­ter Ellenriede­r vor allem auch auf eines, wenn er zu einem Notfall gerufen wird: Auf seine Intuition, sein Bauchgefüh­l.

 ?? Foto: Patrick Pleul, dpa ?? Ob die Notfalldos­e nun zwischen Eiern und Marmelade oder zwischen der Butter und der Milch steht, ist egal. Wichtig ist nur, dass sie immer in der Kühlschran­ktür zu finden ist und somit in jedem Haushalt an der gleichen Stelle, damit Rettungskr­äfte nicht lange nach den wichtigen Daten des Patienten suchen müssen.
Foto: Patrick Pleul, dpa Ob die Notfalldos­e nun zwischen Eiern und Marmelade oder zwischen der Butter und der Milch steht, ist egal. Wichtig ist nur, dass sie immer in der Kühlschran­ktür zu finden ist und somit in jedem Haushalt an der gleichen Stelle, damit Rettungskr­äfte nicht lange nach den wichtigen Daten des Patienten suchen müssen.

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