Auf die Garage, fertig, hoch!
Wohnungsnot Zwei preisgekrönte schwäbische Architekten ärgern sich über den Zwang zu riesigen Vorgärten und liefern Ideen, wie man auf wenig Grund viel Raum schaffen kann
Königsbrunn Wie lässt sich schnell bezahlbarer Wohnraum schaffen? Diese Frage beschäftigt die Politik vom Landtag bis in die KleinstadtRathäuser. Nachverdichtung ist dabei ein großes Stichwort. Mit ihrer Umsetzung dieses Themas haben die Architekten Stefan Degle und Andreas Matievits aus Königsbrunn in diesem Jahr den renommiertesten schwäbischen Architekturpreis, den Thomas-Wechs-Preis gewonnen. Prämiert wurde ein Bürogebäude, doch sie haben auch Ideen für eine effizientere Wohnbebauung.
Den Preis bekamen Degle und Matievits für den Bau ihres eigenen Studios 17A-Architektur in Königsbrunn (Landkreis Augsburg). Das besteht aus einer drei Stockwerke hohen filigranen Holzkonstruktion mit deckenhohen Fenstern, die auf eine ehemalige Beton-Doppelgarage aufgesetzt wurde. Diese Effizienz und architektonische Leistung würdigte die Jury mit einem der drei Preise. 90 Prozent der Aufträge des Büros sind aber im Bereich Wohnbebauung – vom Ein- und Mehrfamilienhaus bis zur städtebaulichen Anlage.
Verwundert sind die Architekten immer wieder, wenn Kommunen an großen Abstandsflächen festhalten. In der Region wird meist mit der „1-H-Regel“gearbeitet. Für ein zwölf Meter hohes Haus wird zum Beispiel verlangt, dass zwischen der Hauswand und der Mitte der Straße zwölf Meter Abstand sein müssen. „Das schafft bei mehrstöckigen Häusern riesige Vorgärten. Mit einer Reduzierung ließen sich die knappen Flächen in den Städten kostengünstig effizienter nutzen“, sagt Andreas Matievits. Die Stadt Nürnberg habe ihre Abstandsregelungen geändert, hier gilt der Faktor 0,4 – also 4,8 Meter Abstand bei zwölf Metern Höhe.
Die Architekten hoffen, dass die Kommunen in Zukunft die bereits möglichen Freiheiten für Reduzierung von Abstandsflächen nach dem Beispiel von Nürnberg vor allem bei Bebauungsplänen nutzen. Der Bund Deutscher Architekten habe diese Maßnahme bereits bei der Regierung vorgeschlagen, sagt Matievits. Denn ein großer Faktor bei den Baukosten sei der Grunderwerb, ergänzt Stefan Degle. Bei frei vermarkteten Wohnungen bewege man sich daher oft nur noch im Luxusbereich. Es fehlten Angebote für die Mittelschicht.
Eine Lösung könnte aus Sicht der Architekten sozialer Wohnungsbau sein. Denn der sei längst nicht nur für die ärmsten Bevölkerungsschichten gedacht: Je nach Familiensituation hätten auch Menschen mit Einkommen bis zu 80000 Euro im Jahr Anrecht auf eine Sozialwohnung, erklärt Matievits. Doch für den Bau von Sozialwohnungen gibt es strenge Vorgaben. Dabei gehe es vor allem um Zimmergrößen, Möblierung und Barrierefreiheit. „Der soziale Wohnungsbau wäre optimal, wenn er noch etwas flexibler wäre“, sagt Stefan Degle und wünscht sich eine Anpassung der Förderrichtlinien durch den Staat.
Bei den Baustoffen lässt sich nach Ansicht der Architekten derzeit wenig sparen. Holz biete Chancen, aber nur, wenn die Industrie es schaffe, ähnliche standardisierte Lösungen zu liefern wie bei der Massivbauweise. Matievits und Degle bevorzugen zudem Bauformen, die lange Haltbarkeit und geringe Unterhaltskosten versprechen. Bei der „monolithischen“Bauweise beispielsweise werden Mauern auf beiden Seiten verputzt: „Das hält 100 Jahre“, sagt Matievits. Unter Einhaltung der Energieeinsparverordnung sei dieses Verfahren nicht teurer als die Variante mit Stahlbeton und einem Wärmedämm-Verbundsystem mit einem PolystyrolDämmstoff. „Das wird eigentlich nur noch verbaut, weil die Politik festgelegt hat, dass ein solches System kein Sondermüll ist. Noch dazu weiß niemand, wie lange es wirklich hält, von der tatsächlichen Brennbarkeit des Polystyrol mal abgesehen“, sagt Matievits.
Stefan Degle rät Bauherren zum langfristigen Kostenvergleich: „Hochwertige, aber einfache Materialien sind in der Anschaffung nicht teurer, sparen aber auf lange Sicht Unterhaltskosten.“