Donauwoerther Zeitung

Der Ruhm und das Risiko

Er hat Tragödien erlebt auf dem Weg zum Star des Bergsteige­ns – eine davon ist jetzt im Kino zu sehen. Was bewegt Hans Kammerland­er?

- Interview: André Wesche

Der Film „Manaslu“erzählt nicht nur die Tragödie am namensgebe­nden Berg, bei dem Sie als Einziger überlebt haben und zwei Ihrer besten Freunde starben. Ihr Leben wird geschilder­t. Erkennen Sie sich in allen Spielszene­n des Filmes weitgehend wieder, vom kleinen Hans bis zum Erwachsene­n? Kammerland­er: Ja. Vom Kleinen schon. Die Jugendzeit war der schönste Teil der Dreharbeit­en. Wenn ich dabei war, ist wirklich die Erinnerung zurückgeko­mmen. Diese Jahre sind ganz gut wiedergege­ben. Was die Geschichte auf den hohen Bergen betrifft, so sollen die Bilder einfach helfen, dass auch der Laie versteht, wie es dort oben abgeht. Die Szenen von der ManasluTra­gödie sind schon hart. Ich habe gesagt, dass sie da richtig loslegen können. Noch schlimmer, als es damals war, als sich da oben in dem brutalen Sturm das Gewitter entladen hat, kann man es auf der Leinwand gar nicht zeigen.

Der Film setzt sich auch durchaus kritisch mit Ihrer Person auseinande­r. Hat Sie dies Überwindun­g gekostet oder war Ihre Einstellun­g: Ganz oder gar nicht?

Kammerland­er: Das war für mich klar, als Gerald Salmina mit der Film-Idee auf mich zu kam. Das hat mich natürlich gefreut, es ist etwas Bleibendes. Aber wenn wir so ein Projekt angehen, muss natürlich auch viel Platz für meine Fehler und meine Rückschläg­e sein. Das muss man freigeben. Wenn man nur Erfolge runterleie­rt, dann ist ein solches Produkt überhaupt nicht glaubwürdi­g. Trotzdem machen es die meisten so. Ich wollte völlig offen sein. Man sieht nicht weiß Gott was für Helden. Ich habe auch viele Fehler gemacht. Ich habe ein paar Mal Glück gehabt. Und ich habe wunderbare Augenblick­e erleben dürfen, Momente des Glücks. Der Preis, den ich dafür bezahlt habe, war teilweise sehr hoch.

Hat sich die Quelle Ihres Antriebs im Laufe der Jahre verändert? Kammerland­er: Ja, schon. Das macht auch das Alter. Ich war 50, als ich meine Tochter in den Armen gehalten habe. Da war mir klar, dass ich jetzt Verantwort­ung trage. Und auch die Kräfte sind nicht mehr da, um am Limit mitzuhalte­n. Ich habe angefangen, alles wieder mehr zu genießen. Inzwischen sind meine Reisen viel runder geworden. Wenn ich aufbreche, dann ist der Berg nur ein Teil. Ich erlebe die fremden Kulturen und das ganze Drumherum des Berges viel intensiver. Vorher hätte ich nicht geglaubt, wie schön das ist.

War für den jungen Hans auch der Ruhm eine Triebfeder? Kammerland­er: Ja, natürlich. Für mich als Kind waren diese Bergsteige­r komplette Helden. Es hat mich immer fasziniert, was die da oben geleistet haben. Ich bin dann nach und nach mit kleinen Erlebnisse­n da hineingewa­chsen. An der Seite vom Messner bin ich in das ganze Treiben hineingera­ten, in diesen Wettlauf, den ich lange durchgemac­ht habe. Wenn du dich entscheide­st und die Herausford­erung des Wettlaufs annimmst, musst du schon sehr konsequent nach vorne gehen. In der Vorbereitu­ng sowieso. Aber du musst immer auch ein hohes Restrisiko in Kauf nehmen. Sonst spielst du sofort in der dritten oder vierten Liga.

Im Film klingt auch an, wie sehr die globale Erwärmung die Gletscher des Manaslu in 26 Jahren verändert hat. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie diese weltweiten Entwicklun­gen? Kammerland­er: Ich sehe es gerade an diesen Bergen, auf denen ich schon vor zwanzig Jahren war und zu denen ich wieder zurückkehr­e. Das ist schon besorgnise­rregend. Aber trotz allem: Wenn ich zu Hause vom Tauferer Ahrntal zur Rieserfern­erhütte aufsteige, treffe ich dort oberhalb der Waldgrenze auf ganz viele, dicke Baumstümpf­e. Das bedeutet, dass vor knapp tausend Jahren die Waldgrenze viel höher war. Also war das Klima wärmer. Diese Schwankung­en hat es wahrschein­lich immer gegeben, aber vor vielen Jahren hat man nicht so darauf geachtet. Heute wird das alles gemessen, und die Leute kriegen das präsentier­t. Die Informatio­nen gehen viel tiefer raus. Wenn mal irgendwo ein Stück Fels herunterfä­llt, steht das am nächsten Tag ganz massiv in den Medien, so als ob fast die Welt untergehen würde. Wenn früher mal etwas runtergeko­mmen ist, hat man gesagt: „Du, heut Nacht, da hat’s richtig gekracht. Da ist ’n Stück Fels runter!“Und dann war das Thema vom Tisch. Aber natürlich ist mir die Natur sehr wichtig. Und wir müssen wirklich aufpassen, soweit es in unserer Macht steht. Die Natur gehört uns bekanntlic­h nicht, sie wurde uns nur geliehen.

Wie steht es um das massive Müllproble­m an den viel frequentie­rten Bergrouten?

Es ist inzwischen besser geworden. Die Auflagen wurden verschärft, es wird besser kontrollie­rt und das ist mit Strafen verbunden. Es macht mich sehr stolz, dass ich am Everest nicht ein einziges Zündholz zurückgela­ssen habe. Er ist so geblieben, wie er vor mir war. Aber auch sportlich gesehen ist es eine wahnsinnig­e Erinnerung. Mein Rekord am Everest steht bis heute. Sie haben ihn allweil nicht geknackt. Ich sage das ganz offen: Ein bisschen stolz macht mich das schon.

Sind Sie ein religiöser oder spirituell­er Mensch?

Mich fasziniert der Buddhismus, wenn ich die Menschen beobachte. Ansonsten beziehe ich in dieser Hinsicht keinen sehr großen Rückhalt. Religionen sagen mir eher wenig, weil sie ja von Leuten geschaffen wurden. Wenn jemand durch eine Religion eine Stütze für sich selbst findet, bewundere ich das und freue mich für die betreffend­e Person.

„Gasherbrum – Der leuchtende Berg, „Cerro Torre: Schrei aus Stein“: Sie sind auch durch die Arbeit mit Werner Herzog wiederholt mit der Welt des Films in Berührung gekommen. Schauen Sie selbst Spielfilme oder ist für Sie die Realität deutlich spannender?

Ich schau mir ab und zu Filme an, aber nicht so viel. Ich erlebe ja vieles selber. Bei den meisten Filmen, in denen es um ein Porträt geht, habe ich irgendetwa­s vermisst. Ich habe nur von Erfolgen, Erfolgen, Erfolgen gehört. Dann möchte ich gern fragen, ob diese Leute nie Fehler gemacht haben…

Reinhold Messner hat sich auch anderen Projekten gewidmet, etwa den Polen und der Durchqueru­ng der Gobi. Hat Sie das nie gereizt?

Ich war schon am Nordpol. Aber der Berg hat mich viel mehr gereizt. Du gehst zum Nordpol mit dem Schlitten hintendran und irgendwann bist du dort und an einem Punkt wie die ganzen Tage zuvor auch. Einfach nur Fläche, weit, eben. Ich muss sagen, dass mich das nicht so gereizt hat. Wenn du am Gipfel eines Berges ankommst, hast du ein Ziel erreicht. Das empfinde ich bei diesen Eisdurchqu­erungen nicht so. Das wird nicht meine Zukunft sein. Da fehlt mir der Kick. Das ist mir ein bisschen zu langweilig, ehrlich gesagt.

 ??  ?? Fotos: Jochen Hemmleb, Jochen Hemmleb Planet Watch/Thimfilm
Fotos: Jochen Hemmleb, Jochen Hemmleb Planet Watch/Thimfilm
 ??  ?? Seine KarriereHa­ns Kammerland­er lebt noch immer in Ahornach/Südtirol, wo er am 6. Dezember 1956 als sechstes Kind einer Bergbauern­familie geboren wurde. Aber er war in aller Welt, auf den höchsten Gipfeln, mitunter als Schnellste­r ohne Sauerstoff­flasche, in Rekordzeit. Früh arbeitete er als Bergführer für Reinhold Messner, wurde dann zu dessen Expedition­spartner. Heute schreibt er auch Bücher, arbeitet als Motivation­strainer – und dreht Filme.
Seine KarriereHa­ns Kammerland­er lebt noch immer in Ahornach/Südtirol, wo er am 6. Dezember 1956 als sechstes Kind einer Bergbauern­familie geboren wurde. Aber er war in aller Welt, auf den höchsten Gipfeln, mitunter als Schnellste­r ohne Sauerstoff­flasche, in Rekordzeit. Früh arbeitete er als Bergführer für Reinhold Messner, wurde dann zu dessen Expedition­spartner. Heute schreibt er auch Bücher, arbeitet als Motivation­strainer – und dreht Filme.

Newspapers in German

Newspapers from Germany