Donauwoerther Zeitung

Im Sport und in der Kneipensze­ne Spuren hinterlass­en

Veranstalt­ungsreihe Alexanderp­latz erinnert mit Soulmusik an Willie Bell, der auch in Donauwörth aktiv war

- VON ROBERT MILDE

Nördlingen/Donauwörth Man muss mindestens knapp 60 sein, um sich an die Zeiten von Willie’s Club und Nightlife in der Nördlinger Gastronomi­e zu erinnern. Es waren die wilden Achtziger, „Black Music“war angesagt, aber in der kleinstädt­ischen Szene nur selten zu hören. Bei Willie Bell schon, und genau daran will Alexander Russe vom Alexanderp­latz am Weinmarkt mit einer Veranstalt­ungsreihe erinnern.

Der Alexanderp­latz ist prädestini­ert für diese „Soul@Gewölbe“Reihe, weil es Willie Bells letzte Station war, bevor er Nördlingen verließ und nie mehr zurückkehr­te. Bell war in den 1960er-Jahren USSoldat und in Schwäbisch Gmünd stationier­t, wo die Nördlinger Basketball­er auch ihren ersten amerikanis­chen Gastspiele­r überhaupt, Adam Etienne, rekrutiert hatten. Als es um dessen Nachfolge ging, wurde man schnell auf den sprungstar­ken, bewegliche­n und sehr eleganten Amerikaner aufmerksam und verpflicht­ete ihn. Mit ihm etablierte sich der TSV in der Regionalli­ga, aber ausgerechn­et die Krönung – Meistersch­aft, Aufstieg und die Saison 1972/73 in der Bundesliga Süd – erlebte Willie Bell nur sporadisch, weil er in den Vietnam-Krieg abkommandi­ert wurde. Nach seiner Rückkehr und dem Ausscheide­n aus der US-Army spielte er wieder im Regionalli­ga-Team, zwar nicht mehr so erfolgreic­h wie vorher, aber zum Publikumsl­iebling reichte es allemal. Bell wurde sogar verziehen, was in dieser Zeit als unverzeihl­ich galt: Er wechselte nach Donauwörth und spielte einige Jahre dort. Als Trainer der ersten Nördlinger Herrenmann­schaft kam er 1986 zurück und schaffte mit dem Team den Wiederaufs­tieg in die Regionalli­ga.

Parallel dazu verwirklic­hte Bell nach seinem Ausscheide­n bei der Firma Signetics seine gastronomi­schen Ideen. Erste Station war Willie’s Club in der Manggasse (ehemals Deutscher Kaiser), der schnell zum Sportlertr­eff wurde. Der Eingang war videoüberw­acht, Einlass gab es nur nach Vorzeigen der Klubkarte.

Der Hintergrun­d: Bell wollte friedlich feiernde Gäste, keine pöbelnden Trinker. Er entschied, wem er eine Klubkarte aushändigt­e und wem nicht. Als die Romantisch­e Straße an der Ecke Polizeigas­se/ Weinmarkt zur Neuverpach­tung anstand, griff Bell zu, wechselte und vergrößert­e sich. Oben Bar mit guten Unterhaltu­ngen, unten Gewölbe mit guter Soulmusik – das war das Credo. Es ging einige Zeit gut, aber Bell verzettelt­e sich, verlor den Überblick, als er auch in Augsburg eine Bar eröffnete. Am Ende verließ er Nördlingen mit hohen Schulden beinahe fluchtarti­g, um nie wieder zurückzuke­hren. Selbst guten Freunden gelang es trotz wiederholt­er Versuche nicht mehr, Kontakt zu Willie Bell aufzunehme­n, der mit seiner Familie ins Augsburger Umland gezogen war. Die Spur verlor sich.

Wann und wo Willie Bell schwer erkrankt und im Rollstuhl sitzend starb, weiß in Nördlingen keiner ganz genau. Man geht vom Jahr 2003 aus, Bell wäre dann noch nicht mal 60 Jahre alt gewesen. Gerüchten zufolge ist er noch einmal in seine Heimat USA geflogen, um dort – einsam – zu sterben.

Best music in town heißt es am Freitag, 18. Januar, ab 21 Uhr im Alexanderp­latz . Der Eintritt beträgt fünf Euro. An den Reglern steht Johnny G., aus der Club Factory in Crailsheim (ehemals Crocodile) und der früheren Disco Las Nitti bekannt. Die Reihe „Soul@Gewölbe“soll fortgesetz­t werden.

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Foto: Archiv TSV Nördlingen Willie Bell, in den Sechziger- und Siebzigerj­ahren Kultfigur des Nördlinger Basketball­s, später auch als Gastronom zunächst durchaus erfolgreic­h.

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