„Das System muss an den Pranger“
Umwelt Schmetterlingsforscher beschäftigt sich mit Insektensterben und Volksbegehren
Wemding Zu einem Vortrag des hauptamtlichen Schmetterlingsforschers Dr. Andreas Segerer von der Staatssammlung München lud der Bund Naturschutz nach Wemding ein. Vor rund 150 Zuhörern referierte dieser zum Thema Insektensterben und machte gleich darauf aufmerksam, dass das ganze Ökosystem Erde durch Übernutzung von Menschenhand massiv bedroht sei. Das Insektensterben sei dabei nur ein Aspekt, an dem die Bedrohung unseres Planeten sichtbar werde.
Als Nachweis für das Aussterben von immer mehr Tierarten führte Segerer die Roten Listen an, die als Verzeichnisse des Artenrückgangs immer länger würden. In Bayern gebe es heute beispielsweise zehnmal weniger Schmetterlinge als vor 50 Jahren. Zudem habe sich das Artensterben in den vergangenen 50 Jahren nachweislich enorm beschleunigt.
Besorgniserregend sei dies vor allem wegen der wichtigen Aufgaben der Insekten: Sie übernehmen die Bestäubung der Pflanzen, sorgen als „Gesundheitspolizei“für das Recycling toter Biomasse, sind Nahrungsquelle für größere Tiere und ein wichtiger Bestandteil des Lebensraumes Wiese.
Das Problem und die Ursachen sind laut Segerer dabei bekannt. Der Beginn der industriellen Revolution vor rund 200 Jahren fällt mit dem zunehmenden Artenrückgang zusammen. Durch die zunehmende Mechanisierung wurde die Bewirtschaftung größerer Ackerflächen möglich. Dies führte zu einer Intensivierung der Landwirtschaft und hohem Flächenverbrauch. Die Kulturlandschaft früherer Zeiten mit kleinteiligen Feldern und Hecken wandelte sich in eine strukturarme, chemisch belastete Agrarlandschaft. Die Verinselung der Restflächen sowie die globale Überdüngung und die Vergiftung mit Pestiziden führte der Forscher als weitere Gründe für die Zerstörung der Lebensräume an. Sein Schlüsselbefund laute daher: „Die Arten sterben mit ihren Lebensräumen.“
Bei den Pestiziden sind Segerer zufolge besonders die Neonicotinoide ein Problem: Die Bienen werden „süchtig“, verlieren ihre Orientierung und werden infektanfälliger. Einigen Neonicotinoiden wurde deshalb die Zulassung entzogen – jedoch nicht allen. Hier zeige sich auch das Dilemma der eigentlich gut gemeinten Blühstreifen, die durch fremde Arten und zu viel Düngung zur Todesfalle würden.
Segerer sieht es deshalb als Aufgabe der Politik, eine Agrarwende herbeizuführen. Er forderte: „Nicht die Bauern an den Pranger stellen. Das System muss an den Pranger.“Und er warnte, dass nicht mehr viel Zeit bleibe, denn die Menschheit lebe heute über ihrem Niveau. Der sogenannte ökologische Fußabdruck zeige, dass die Menschheit lebt, als ob sie 1,7 Erden zur Verfügung hätte; Deutschland sogar, als ob es 3,2 Erden gäbe.
Was ist also zu tun? Segerer führte drei wesentliche Punkte auf: zum einen die Reduzierung von Dünger und Pestiziden und die Förderung des Ökolandbaus. Zum anderen setzt er auf die Vernetzung der noch übrigen Biotope und die Schaffung von mehr Strukturen in der Landschaft. Letztlich sieht er aber auch die Kommunen und Privatpersonen in der Pflicht. Zum einen brauche es mehr Wildwuchs in den Gärten und Parkanlagen, beim Pflanzenkauf seien einheimische Gehölze zu bevorzugen, Mähroboter seien tabu.
Weiterhin forderte Segerer verantwortungsvolles Konsumverhalten (Bio kaufen, weniger Fleisch). Das derzeitige Volksbegehren sieht er als Chance, um eine Veränderung anzustoßen. Und er appellierte: „Retten wir die Kulturlandschaft. Damit retten wir die Bienen und letztlich uns, unsere Kinder und Enkel.“
Nach diesem packenden Vortrag stellte er sich noch den Fragen aus dem Publikum. BN-Kreisvorsitzender Alexander Helber bedankte sich mit einem kleinen Präsent.