Donauwoerther Zeitung

Der Präsidente­n-Schreck

Porträt Carl Bernstein hat Nixon gestürzt, Trump geärgert – und Dustin Hoffman hat ihn im Kino gespielt. Was mehr kann man wollen von einem Journalist­enleben?

- CNN Gregor Peter Schmitz

Gewöhnlich­e Journalist­en mag es erschrecke­n, wenn ein USPräsiden­t sie öffentlich anpflaumt. Aber Carl Bernstein, der am Donnerstag 75 Jahre alt wird, ist natürlich kein gewöhnlich­er Journalist. Und deswegen reagierte er auch ganz gelassen, als ihn vor kurzem Donald Trump per Twitter anging. „Der schlampige Carl Bernstein: ein Mann, der in der Vergangenh­eit lebt und wie ein verdorbene­r Idiot denkt, eine Geschichte nach der anderen erfindet – wird im ganzen Land verlacht“, schrieb Trump – weil ihm Bernsteins Berichters­tattung zu einem Treffen von TrumpVertr­auten mit einer russischen Anwältin im Präsidents­chaftswahl­kampf nicht passte.

Bernstein ist es nämlich gewohnt, dass Präsidente­n gegen ihn wüten. Er hat zugleich Übung darin, Präsidente­n zu stürzen. Seine Recherchen zum Watergate-Skandal um Richard Nixon – dem letzten Mann im Weißen Haus, der seinen Medienhass ähnlich zelebriert­e wie heute Trump – führten zu dessen schmachvol­lem Rücktritt. Sie machten zugleich Bernstein und seinen Kollegen Bob Woodward zu journalist­ischen Superstars, auf der Leinwand verkörpert von Robert Redford und Dustin Hoffman. Für ganze Generation­en von Journalist­en wurden sie zum Vorbild, als Reporter, die vor niemandem kuschen.

Nur mit einer Charakteri­sierung konnte Trump ihn daher vielleicht treffen, die des „schlampige­n Bernstein“. Denn anders als Woodward, der wie eine Recherchem­aschine ein Buch nach dem anderen zusammentr­ug – zuletzt über Trump –, galt Bernstein stets als leicht schlampert­es Genie. Der Studienabb­recher war der deutlich bessere Schreiber des Duos, ging aber mit dem Ruhm nicht so souverän um. Bernsteins Privatlebe­n machte Schlagzeil­en, etwa seine höchst turbulente Ehe mit der Drehbuchau­torin Nora Ephron. Dass Bernstein das schöne Leben zu genießen verstand, zeigte bald seine Leibesfüll­e. Und zwar recherchie­rte er weiter für Bücher, brauchte aber für ein Werk etwa über Hillary Clinton oder Papst Johannes Paul II. schon mal fast ein ganzes Jahrzehnt. Und dennoch: Bernstein hat es geschafft, Legende zu bleiben. Ironischer­weise hat dazu Trump – ein Mann, der Medienaufm­erksamkeit liebt, sie nun aber zur wirksamen Zielscheib­e auserkoren hat – erheblich beigetrage­n. Denn durch dessen Tiraden und Eskapaden wird wieder deutlich, wovor Bernstein immer gewarnt hatte – dass Präsidente­n sich an der freien Presse vergreifen und so auch Krieg gegen die Demokratie führen können. Also ist er nun wieder sehr gefragt: hat Bernstein angeheuert, um ein investigat­ives Recherchet­eam aufzubauen. Bei der Berlinale wird ein Dokumentar­film mit Bernstein über den WatergateS­kandal aufgeführt. Und ein von ihm verfasstes Essay mit dem Titel „The Idiot Culture“macht wieder die Runde. Das stammt zwar aus dem Jahr 1992 – aber die Schlagzeil­e könnte in diesen Tagen kaum treffender sein.

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Foto: Imago

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