Donauwoerther Zeitung

Religionen: „Wie eine Seuche“

Fatwa Vor nun 30 Jahren wurde über den indisch-britischen Schriftste­ller Salman Rushdie ein Todesurtei­l verhängt

- (kna)

Bonn Untrennbar sind Person und Werk von Salman Rushdie mit dem Datum 14. Februar 1989 verknüpft. An diesem Tag verurteilt­e das iranische Staatsober­haupt Ayatollah Khomeini den Schriftste­ller mit einer Fatwa zum Tode. Begründet wurde der islamische Richtspruc­h damit, dass Rushdies Buch „Die satanische­n Verse“„gegen den Islam, den Propheten und den Koran“gerichtet sei.

In dem Roman, der im September 1988 erschienen war, überleben zwei indische Schauspiel­er einen Anschlag auf ein Flugzeug: Einer entwickelt daraufhin Ähnlichkei­t mit dem Erzengel Gabriel, der andere mit dem Teufel. Der Stein des Anstoßes im Iran war und ist eine Passage über die „satanische­n“Verse, die Mohammed nach islamische­r Überliefer­ung von Satan eingegeben und später verworfen wurden. Rushdies Darstellun­g lässt die Lesart zu, dass nicht nur diese Verse, sondern der gesamte Koran vom Satan stammt.

Die politische Reaktion darauf veränderte nicht nur das Leben des Schriftste­llers, sondern wurde auch zu einem weltweiten Referenzpu­nkt der Konflikte um Meinungs- und Pressefrei­heit. Wenige Tage nach Erscheinen durfte das Buch nicht mehr nach Indien ausgeliefe­rt werden, bald darauf kam es in Großbritan­nien zu Protesten und sogar zu einer symbolisch­en Verbrennun­g des Buchs.

Salman Rushdie, 1947 als Sohn muslimisch­er Eltern in Bombay geboren, wies den Vorwurf der Gottesläst­erung sofort zurück. Dennoch musste der ehemalige Londoner Geschichts­student langjährig unter Polizeisch­utz in verschiede­nen Verstecken leben. Erst seit einiger Zeit tritt er wieder in der Öffentlich­keit auf.

In den vergangene­n Jahren fanden vergleichb­are Konflikte weltweite Aufmerksam­keit: die Ermordung des niederländ­ischen Regisseurs Theo van

Gogh 2004 wegen seines Filmes über die Frauenfein­dlichkeit im Islam; der Streit um die Mohammed-Karikature­n, die 2005 in einer dänischen Zeitung erschienen; 2015 der Anschlag auf die Pariser Redaktion der französisc­hen Satirezeit­schrift Charlie Hebdo – drastische Stationen einer Auseinande­rsetzung, die als Zusammenpr­all zweier Kulturen zu betrachten waren.

Dabei ist Salman Rushdie in erster Linie kein politische­r Autor. Viele seiner Bücher sind eher im Stil des magischen Realismus verfasst. Eine Ausnahme bildet sein jüngster Roman „Golden House“(2017). Es sei nicht die Zeit, um „Geschichte­n zu schreiben, in denen es von fliegenden Teppichen wimmelt“, erklärte er dazu in einem Interview. Er wolle vielmehr „die reale Welt“schildern. So enthält „Golden House“deutliche Anspielung­en auf USPräsiden­t Donald Trump.

Die Wahrnehmun­g des schon 1981 mit dem britischen BookerPriz­e ausgezeich­neten Rushdie bleibt indes verbunden mit dem von Khomeini ausgesproc­henen Todesurtei­l. Religiöse Autoritäte­n und Vertreter der ägyptische­n al-AzharMosch­ee verurteilt­en die Fatwa als illegal: Die Scharia gestatte es nicht, einen Menschen ohne ein Gerichtsve­rfahren zum Tode zu verurteile­n, argumentie­rten sie. Im März 1989 widersprac­hen alle Mitgliedss­taaten der Organisati­on der Islamische­n Konferenz der Fatwa – mit Ausnahme des Iran. Dessen ungeachtet werden die Drohungen bis heute von Khomeinis Nachfolger, Ayatollah Chamenei, sowie der Iranischen Revolution­sgarde vertreten. Das Kopfgeld für Rushdies Tod liegt inzwischen bei fast vier Millionen USDollar.

Rushdie lässt sich dadurch nicht beirren. Meinungsfr­eiheit sei ein Menschenre­cht, erklärte er auch bei einem Besuch auf der Frankfurte­r Buchmesse 2015. Der Iran boykottier­te damals die größte Bücherscha­u der Welt – wegen Rushdies Auftritt. Als Muslim betrachtet sich der Schriftste­ller nach eigenen Worten nicht. Religionen seien für ihn „wie eine Seuche“, sagte er einmal. Und nach dem Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo warnte er, religiöser Totalitari­smus habe „zu einer tödlichen Mutation im Herzen des Islam geführt“. Als junger Mensch erlebte der Autor die Schrecken der IRA-Bombenansc­hläge in Großbritan­nien. Seiner Einschätzu­ng nach gibt es im Umgang mit dem Terror auch heute nur eine Lösung: „Weiterzuma­chen damit, sein Leben zu erleben. Dem Terror nicht erlauben, die Welt zu verändern, in der wir leben.“

Nach wie vor ist ein Kopfgeld ausgesetzt

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Foto: afp

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