Donauwoerther Zeitung

Warum Lachen ansteckend und gesund ist

Psychologi­e Lachen hilft gegen Stress, löst Glücksmome­nte aus und springt auf andere Menschen über. Es kann sogar monatelang­e Lachepidem­ien auslösen. Forscher ergründen, ob Lachen wirklich eine Medizin ist und wie es bei uns wirkt

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Ein falsches, gespieltes Lachen erkennen die allermeist­en Menschen sofort. Unbewusst verraten die Augen es sofort, wenn das dynamische Funkeln oder die richtige Blickricht­ung fehlt. Der offene Mund oder das Spiel über ein Dutzend Gesichtsmu­skeln nicht die richtige Sprache sprechen. Ein echtes Lachen steckt dagegen fast immer an. Was aber beim Mitlachen nun im Detail im Gehirn abläuft, ist immer noch nicht bis ins letzte Detail erforscht. Fest steht aber, dass es sogenannte „Spiegelneu­ronen“gibt, die aktiv sind, wenn wir sehen oder hören, wie andere Menschen lachen. Dabei sind diese Nervenzell­en auch dann aktiv, wenn wir selber lachen. Einige Experten sind der Ansicht, dass sich das Lachen der anderen in unserem Gehirn so nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes widerspieg­elt, sondern dass wir auf diese Art und Weise auch wieder angeregt werden, selbst mitzulache­n.

Der Psychologe Richard Wiseman von der britischen Universitä­t Hertfordsh­ire geht davon aus, dass dieses automatisc­he und unbewusste Spiegeln und Kopieren des Lachens und anderer Gefühlsäuß­erungen im Alltag dabei hilft, festzustel­len, was andere empfinden. Dadurch fällt es leichter, uns in deren Lage zu versetzen und mit ihnen zu kommunizie­ren. „Das ist wichtig für den sozialen Zusammenha­lt“, erklärt Wiseman. „Wenn in einer Gruppe von Menschen eine Person lächelt und die anderen den Gesichtsau­sdruck dieser Person nachahmen, werden alle heiterer.“

Die amerikanis­chen Psychologe­n Verlin Hinsz und Judith Tomhave haben dazu mit ihrem Team ein interessan­tes Experiment durchgefüh­rt. Der Versuchsau­fbau war ganz simpel: In einem Supermarkt lächelte einer der Forscher einige der zufällig vorbeikomm­enden Passanten an. Aus einem Versteck heraus beobachtet­en die Wissenscha­ftler dann genau, wer zurückläch­elte und wer nicht. Das Ergebnis: Etwa jeder Zweite erwiderte das Lächeln.

Aber nicht nur leichtes Lächeln oder herzhaftes Lachen wirken mitreißend. Sogar regelrecht­e Lachkrämpf­e können ansteckend sein. Der vielleicht drastischs­te Fall der Geschichte dürfte wohl die sogenannte Tanganjika-Lachepidem­ie sein. Am 30. Januar des Jahres 1962 begannen in einer Schule in Kashasha im afrikanisc­hen Tanganjika, dem heutigen Tansania, drei Mädchen zu lachen – und konnten nicht wieder aufhören. Schon bald lachte die Mehrzahl der insgesamt 159 Schüler mit – und konnte ebenfalls nicht wieder aufhören. Die Schulleitu­ng fand das damals gar nicht lustig und sah sich gezwungen, die Schule nach drei Monaten vorübergeh­end zu schließen, denn die Schüler lachten immer noch.

Nachdem die Schule zwei Monate später wiedereröf­fnet wurde, begann das Ganze von vorn. Dieses Mal waren mehrere dutzend Schüler betroffen. Ende Juni musste die Schule abermals geschlosse­n werden, da das kollektive Lachen einfach kein Ende nahm. Damit war das Problem allerdings keineswegs gelöst, denn zu Hause angekommen, wurde fröhlich weitergela­cht. Auch in den Heimatorte­n der Schüler verbreitet­e sich die seltsame Lachepidem­ie nun. Hunderte Menschen lachten mit, bis schließlic­h die gesamte Region von den Lachanfäll­en angesteckt wurde.

Die einzelnen Lachattack­en führten zu regelrecht­en Lachkrämpf­en, mit Atemproble­men, Ohnmachtsg­efühlen, Schmerzen und sogar Gewaltausb­rüchen einherging­en. Die Betroffene­n konnten einfach nicht wieder aufhören zu lachen, und zwar über Stunden und Tage hinweg nicht. Nach kurzen Pausen begann sofort alles wieder von vorn. Nach Monaten kam die seltsame Lachepidem­ie von selbst zum Erliegen. Doch die Experten fanden zunächst nichts, was für das ansteckend­e Lachen verantwort­lich gewesen sein könnte.

Der amerikanis­che Linguist Christian F. Hempelmann erforschte das Ereignis und kommt in seiner Untersuchu­ng 2007 zu dem Schluss, dass es sich um eine stressindu­zierte Massenhyst­erie gehandelt haben muss: „Das Lachen war ein typisches Symptom.“Hempelmann verwies dabei nicht nur auf individuel­len Stress der Internatsk­inder, sondern weiterer Teile des Landes: Es erlangte erst einen Monat vor der Lachepidem­ie die Unabhängig­keit und war von politische­r Instabilit­ät, Malaria und Armut erschütter­t.

Tatsächlic­h liefern immer Studien wissenscha­ftliche Belege, dass Lachen tatsächlic­h eine Art „Medizin“gegen Stress ist. Vom griechisch­en Wort für Lachen – gelos –abgeleitet, nennt sich das relativ junge wissenscha­ftliche Fachgebiet der Lachforsch­ung Gelotologi­e und untersucht die Auswirkung­en des Lachens auf die körperlich­e und psychische Gesundheit. Und tatsächlic­h: Je länger und je öfter man lacht, umso intensiver lassen sich heilsame Effekte feststelle­n. Wer diese nutzen will, sollte bewusst Reize suchen, die zum Lachen anregen.

Es gibt Anregungen durch eine positive Grundstimm­ung etwa bei romantisch­en Gesprächen frisch Verliebter, im Urlaub oder bei schönen Erinnerung­en. Dann gibt es Auslöser durch Witze, Bemerkunge­n oder Situations­komik. Die Experten sprechen von „kognitiven Anregungen“sowie von „motorische­n Anredie gungen“durch Kitzeln. Beide verbindet der Überraschu­ngseffekt als nötiges „Kontraster­lebnis“.

Insgesamt sind beim Lachen bis zu 135 Muskeln im ganzen Körper beteiligt, von der Gesichtsmu­skulatur bis zur Atemmuskul­atur. Es wird deutlich tiefer geatmet als sonst. Die Körperzell­en werden mit mehr Sauerstoff versorgt und die Bronchien durchlüfte­t, Verbrennun­gsvorgänge befördert, Muskeln entspannt sowie Herz und Kreislauf angeregt, wie es der Pionier der deutschen Lachforsch­ung, der Psychoanal­ytiker Michael Titze beschreibt. Eine Minute Lachen gilt dabei den Experten zufolge als so erfrischen­d wie 45 Minuten Entspannun­gstraining. Es hilft damit hervorrage­nd zum Abbau von negativem Stress in Alltag und Beruf.

Da beim Lachen verstärkt das stimmungsa­ufhellende Hormon Serotonin ausgeschüt­tet wird, empfinden es die meisten Menschen als besonderes Glücksgefü­hl. Zudem bremst das Gehirn beim Lachen die Produktion von Stresshorm­onen wie Adrenalin und Kortison. Damit werden Anspannung und Stress wie

Eine Minute Lachen ist so gut wie 45 Minuten Entspannen

durch ein Ventil abgelassen und das Lachen als ein Gefühl der Befreiung empfunden.

Untersuchu­ngen aus den USA deuten darauf hin, dass Lachen auch die Immunabweh­r stärkt: Es aktiviert offenbar körpereige­ne Mechanisme­n wie T-Lymphozyte­n, die bei der Abwehr von Krebs von Bedeutung sind, sowie Gamma-Interferon, das der Zellabwehr gegen Viren und Bakterien helfen soll. Aber auch wenn die letzten wissenscha­ftlichen Beweise dafür fehlen, ob Lachen tatsächlic­h eine „Medizin“ist, die positive psychologi­sche Wirkung steht außer Frage. Zwar gibt es Hinweise, dass auch Gene für die Lach-Neigungen eine Rolle spielen. Doch das Lachen kann ein Mensch nicht verlieren – eher schon verlernen oder abtrainier­en.

Bereits zwischen dem zweiten und sechsten Monat beginnen Kleinkinde­r damit, ihre Freude etwa über das Wiedererke­nnen eines bekannten Gesichts bewusst durch hochgezoge­ne Mundwinkel oder glucksende Lachlaute auszudrück­en. Auch ältere Kinder lachen laut der Forschung der Gelotologe­n am Tag rund 400 mal. Ein Erwachsene­r schafft es dagegen im Durchschni­tt gerade mal noch auf 15 bis 20 Lacher am Tag.

 ?? Foto: Patrick Pleul, dpa ?? Je länger und je öfter man lacht, umso intensiver lassen sich heilsame Effekte feststelle­n. Kinder machen es den Erwachsen vor: Sie lachen im Schnitt 400 Mal Tag.
Foto: Patrick Pleul, dpa Je länger und je öfter man lacht, umso intensiver lassen sich heilsame Effekte feststelle­n. Kinder machen es den Erwachsen vor: Sie lachen im Schnitt 400 Mal Tag.

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