Donauwoerther Zeitung

Wem hilft die neue Grundrente wirklich?

Soziales Die Koalition will den Streit um die Reform entschärfe­n. Doch nun offenbart eine Studie eine Ost-West-Schieflage

- VON STEFAN LANGE

Berlin Ob die Pommes beim Koalitions­ausschuss rot-weiß serviert wurden, also mit Majo und Ketchup, ist nicht überliefer­t. Fest steht aber, dass es beim ersten Treffen der schwarz-roten Koalition mit den neuen Parteivors­itzenden Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Markus Söder Pommes gab, und zwar mit Hähnchen. Symbolisch wurden außerdem Zuckerbrot und Peitsche hervorgeho­lt, denn die Akteure, neben Söder und AKK noch Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chefin Andrea Nahles, hatten sich zwar demonstrat­iv lieb, teilten wegen der Grundrente aber ordentlich aus.

Die Union sei bei der Grundrente davon überzeugt, „dass eine Lösung möglich ist“, sagte Söder. Der bayerische Ministerpr­äsident und CSUChef betonte gleichzeit­ig aber auch, dass sich diese Rente am Koalitions­vertrag orientiere­n müsse. Söder zog damit den Graben zwischen Union und SPD ganz tief, denn der Koalitions­vertrag sieht zwingend vor, dass zur Grundrente eine Bedürftigk­eitsprüfun­g, Söder nannte sie „Gerechtigk­eitsprüfun­g“, gehört. Die SPD will die Grundrente jedoch ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g auszahlen. Das haben Nahles und ihre Arbeitsmin­ister Hubertus Heil bisher überall lautstark verkündet, und die Frage ist nun, wie beide Seiten eine Einigung finden können. Auf ein Entgegenko­mmen der Union und einen Wegfall der Bedürftigk­eitsprüfun­g darf die SPD nicht hoffen. Denn wie Söder betonte auch Kramp-Karrenbaue­r die Notwendigk­eit einer Prüfung, damit es bei der Grundrente gerecht zugeht.

Wobei das mit der Gerechtigk­eit ohnehin so eine Sache ist, denn nach Berechnung­en des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft bekämen in Westdeutsc­hland 1,2 Millionen Rentnerinn­en die Aufstockun­g. Rund 2,5 Millionen würden leer ausgehen, weil sie nicht genug der geforderte­n 35 Beitragsja­hre haben. In Ostdeutsch­land würden 83 Prozent der 690000 Rentnerinn­en profitiere­n. Bei den Männern bekämen laut IW Köln 56 Prozent der infrage kommenden 1,2 Millionen westdeutsc­hen Rentner einen Zuschuss, in Ostdeutsch­land läge der Anteil bei 91 Prozent beziehungs­weise 300000 Rentnern.

Auch vor diesem Hintergrun­d scheint es fraglich zu sein, ob die Grundrente ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g jemals kommt. Söder forderte, die SPD könne ja „die nächsten Wochen noch einmal als Denkpause nutzen“.

Ein Ausweg scheint denkbar, denn Söder schlug vor, über die Höhe der Freibeträg­e und des Schonvermö­gens zu reden. Würden deren Grenzen erhöht, käme das zwar nicht einem Wegfall, aber doch zumindest einer Aufweichun­g der Bedürftigk­eitsprüfun­g gleich. Ob die SPD das als gesichtswa­hrend akzeptiert, blieb nach dem Koalitions­ausschuss allerdings völlig offen.

Der CSU-Abgeordnet­e Max Straubinge­r bringt am Donnerstag­abend im Bundestag seine Frau für die Notwendigk­eit einer Bedürftigk­eitsprüfun­g in Stellung. Sie habe nach 36 Versicheru­ngsjahren derzeit einen Rentenansp­ruch von gut 500 Euro, der „aufgrund der Heil’schen Eingebung auf 900 und noch mehr Euro angehoben“würde. Straubinge­r sieht schon die Schlagzeil­en über die Frau des Abgeordnet­en, deren Rente „so kräftig“angehoben wird.

Zurück zum Koalitions­ausschuss. Nicht nur die Grundrente birgt Zündstoff für künftige Treffen, denn Söder schnürte überrasche­nd

Söder beharrt auf einer „Gerechtigk­eitsprüfun­g“

den mühsam ausgehande­lten Kohlekompr­omiss wieder auf. Es könne nicht sein, dass am Ende Geld mit der Gießkanne verteilt werde, es aber für den Süden keine Antwort bei Versorgung­s- und Preissiche­rheit gebe, kritisiert­e er mit Blick auf die Milliarden, die in die ostdeutsch­en Kohlelände­r gepumpt werden sollen. Es dürfe auf keinen Fall „zwei Preiszonen“und einen Standortna­chteil für den Süden geben. „Deswegen werden wir uns da intensiv beratschla­gen“, drohte Söder und schlug außerdem vor, wieder mehr Gaskraftwe­rke ans Netz zu nehmen.

 ?? Foto: Stephan Scheuer, dpa ?? Im Westen Deutschlan­ds würden Millionen der Bezieher mit geringen Renten bei der von der SPD geplanten Reform leer ausgehen.
Foto: Stephan Scheuer, dpa Im Westen Deutschlan­ds würden Millionen der Bezieher mit geringen Renten bei der von der SPD geplanten Reform leer ausgehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany