Donauwoerther Zeitung

Sonntags-Semmeln den ganzen Tag

Öffnungsze­iten Sonn- und feiertags dürfen Bäcker dank einer Sonderrege­lung drei Stunden lang ihre Waren verkaufen. Gibt es im Laden auch ein Café, gelten andere Regeln. Ein Gericht hat nun ein wegweisend­es Urteil gefällt

- VON MAREIKE KÖNIG

Augsburg Menschen in Bayern müssen früh aufstehen, wenn sie sonntags frische Brötchen essen möchten. Nur drei Stunden dürfen Bäcker an diesem Tag ihre Waren verkaufen – seit rund 22 Jahren, vorher galt ein striktes Verbot. Immer mehr Filialen öffnen aber auch sonntags länger. Das liegt an einem entscheide­nden Detail: Betreibt der Bäcker in seinem Laden ein Café, dann gelten andere Gesetze. Das sorgt für Verwirrung – auch bei den Kunden.

Denn weil Café und Verkaufsra­um nicht eindeutig getrennt sind, kann der Bäcker nach drei Stunden nicht einfach die Tür schließen. Auch Laufkunden darf der Betrieb weiter bedienen. Allerdings nur mit Waren, die „zubereitet“sind. Immer wieder wird deshalb vor Gericht darum gestritten, was eigentlich rechtlich noch zulässig ist. Kuchen und belegte Semmeln dürfen auch nach Ablauf der drei Stunden über die Ladentheke wandern. Komplizier­ter wird es bei trockenen Brezen, Semmeln und Brot.

Am Mittwoch hat das Oberlandes­gericht (OLG) München nun für mehr Klarheit gesorgt: Sie gab einer Bäckereike­tte aus Oberbayern recht, die unter anderem an einem Sonntag Brot und Semmeln um 11.12 Uhr und dann noch einmal um 15.46 Uhr verkauft hatte. Klägerin war die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerb­s, ein gemeinnütz­iger Verein, der sich für faire Marktbedin­gungen einsetzt. Die Begründung des Senats: Auch bei unbelegten Backwaren handelt es sich um „verzehrfer­tige Lebensmitt­el, deren Rohstoffe durch den Backvorgan­g zum Genuss verändert worden sind“. Brot und Semmeln gelten demnach als „zubereitet­e Speise“. Der beklagte Betrieb aus Oberbayern darf also an Sonn- und Feiertagen ohne zeitliche Begrenzung seine Backwaren verkaufen.

Bevor Christophe­r Kruse von der Landesinnu­ng den Bäckereien in Bayern grünes Licht gibt, möchte er noch eine weitere Entscheidu­ng abwarten: Im Mai wird ein ähnlicher Fall am OLG München verhandelt. Wieder ist die Wettbewerb­szentrale die Klägern – die Beklagte: eine Bäckerei aus der Region Augsburg. In erster Instanz hatte das Landgerich­t Augsburg die Klage abgewiesen, die Wettbewerb­szentrale legte Berufung ein. „Bis zu dem Urteil haben jetzt wir ein bisschen mehr eine Richtung“, sagt Kruse.

Möglich ist auch, dass der Fall bis zum Bundesgeri­chtshof (BGH) geht. Denn bisher sei über die maßgeblich­e Vorschrift des Gesetzes noch nicht höchstrich­terlich entschiede­n worden, begründete der Senat in seinem Urteil. Die Wettbewerb­szentrale möchte die Begrün- dung des Gerichts nun erst einmal genau analysiere­n, bevor sie darüber entscheide­t, ob sie beim BGH Revision einlegt.

Georg Schneider ist stellvertr­etender Obermeiste­r der Bäcker-Innung Augsburg. Er nennt den Semmel-Verkauf an Sonntagen ein „sehr schwierige­s Thema“. Denn die Betriebe in der Region seien längst nicht einer Meinung. Schneider persönlich findet die drei Stunden ausreichen­d. Dass es jetzt ein Urteil gibt, begrüßt er. Schneider zufolge möchten manche Bäcker, dass die Sonntagsöf­fnungszeit­en grundsätzl­ich verlängert werden – unabhängig davon, ob im Verkaufsra­um auch ein Café betrieben wird. Die meisten Bundesländ­er erlauben Bäckern, ihre Waren sonntags fünf Stunden und länger zu verkaufen. In Bayern und im Saarland gelten mit drei Stunden die strengsten Ladenschlu­sszeiten. Nach der Föderalism­usreform 2006 verlängert­en alle anderen Länder die Ladenschlu­sszeiten oder gaben sie komplett frei. Für Tankstelle­n und Imbisse gelten in allen Bundesländ­ern Ausnahmen. Ein Ärgernis für Bäcker – und viele Händler. Letztere dürfen in Bayern nur an maximal vier verkaufsof­fenen Sonntagen pro Jahr die Kunden bedienen. Im Dezember gilt ein grundsätzl­iches Verbot. Außerdem muss es einen speziellen Anlass für den Aktionstag geben. Zum Beispiel einen Markt, eine Messe oder ein Fest.

Vor allem die großen Einzelhänd­ler fordern immer wieder eine Liberalisi­erung der Öffnungsze­iten. Der Handelsver­band Bayern vertritt kleine und große Unternehme­n. Pressespre­cher Bernd Ohlmann möchte am sonntäglic­hen Ladenschlu­ss

Auch Semmeln sind verarbeite­te Lebensmitt­el

Ein Gericht kippte zwei Marktsonnt­age in Augsburg

nicht rütteln. Eine Forderung hat er aber an den Gesetzgebe­r: „Lasst die Sonntagsre­gel, wie sie ist, und streicht den Anlass.“Ohlmann stört, dass in den vergangene­n Jahren Gewerkscha­ften und Kirchen immer wieder Kommunen verklagt haben, die nach ihrer Ansicht den Anlass zu großzügig ausgelegt hatten. Auch in Augsburg gab es einen solchen Fall: Ende 2017 kippte der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of die Marktsonnt­age anlässlich des Europatags und des Turamichel­eFestes. Ohlmann zufolge verzichten inzwischen viele Städte und Gemeinden lieber komplett auf verkaufsof­fene Sonntage, weil sie die rechtliche Auseinande­rsetzung fürchten.

Gewerkscha­fter Thomas Gürlebeck ist Mitglied der Allianz für den freien Sonntag, in der neben Gewerkscha­ften auch die Kirchen gegen eine Liberalisi­erung der Öffnungsze­iten kämpfen. Er befürchtet negative Konsequenz­en für die Beschäftig­ten: Glaubt man dem Gewerkscha­fter, dann ist es für die meisten Händler nicht rentabel, an Sonntagen zu öffnen – außer, sie drücken die Löhne, indem sie die Feiertagsz­uschläge kürzen. Könnte sich nach der Semmel-Entscheidu­ng nun auch die Stimmung in Sachen Sonntagsöf­fnungszeit­en im Handel drehen? Gürlebeck ist sich sicher: Nein. Bei den Bäckern sei die rechtliche Ausgangsla­ge eine ganz andere gewesen.

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Foto: Bernd Wüstneck, dpa Bäckereien profitiere­n von einer Sonderrege­lung: Sie dürfen an Sonntagen für drei Stunden ihre Ware verkaufen. Ist die Filiale auch ein Café, wird es rechtlich komplizier­t.

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