Donauwoerther Zeitung

Ein Gigant im Sinkflug

Luftfahrt Airbus-Chef Tom Enders verabschie­det sich und den A380 gleich mit. Damit geht ein europäisch­er Traum zu Ende. Warum das Großflugze­ug keine Chance auf dem hart umkämpften Markt der Airlines hat

- VON STEFAN STAHL

Toulouse Sehen so leidende Männer aus? Ehe die Airbus-Jahrespres­sekonferen­z im französisc­hen Toulouse beginnt, strahlen die drei Manager für die Fotografen um die Wette. Sie umarmen sich, so als wollten sich die Chefs des Luftfahrtk­onzerns an dem Tag, an dem sie das Mega-Flugzeug A380 beerdigt haben, zusammensc­haren. Die beiden Deutschen, der scheidende Airbus-Boss Tom Enders und sein Finanz-Experte Harald Wilhelm, der zu Daimler geht, nehmen den deutlich kleineren 50-jährigen Franzosen, Guillaume Faury, in die Mitte. Letzterer wird im April die Geschäfte seines mit 60 Jahren abtretende­n Vorgängers übernehmen.

Enders erweist dem Kollegen dann sogar noch einen Dienst. Denn es ist der Deutsche, der den Mut aufbringt, einen europäisch­en Traum zu begraben. Sein Name wird damit auf Dauer mit der Einstellun­g des Flugzeuges verbunden sein. Der von der Zentnerlas­t des Chef-Daseins befreit wirkende Enders schaltet das Lächeln in seinem gebräunten Gesicht schlagarti­g aus, als er auf das leidige Thema „A380“zu sprechen kommt. Die Entscheidu­ng habe ihm Schmerzen bereitet, räumt er ein. Schließlic­h hätten tausende Mitarbeite­r Fleiß und Schweiß in das doppelstöc­kige Flugzeug gesteckt. „Aber Entscheidu­ngen dürfen nicht auf Emotionen, sondern Fakten gründen“, sagt Tom Enders auf Englisch, der Geschäftss­prache des deutsch-französisc­h-spanischen Unternehme­ns.

Als der A380 im Jahr 2005 erstmals abhob, löste er Boeings Jumbojet 747 als weltgrößte­n Passagierj­et ab – und Airbus schrieb Luftfahrtg­eschichte. Immer größer, immer weiter, lautete die Devise. Noch vor wenigen Jahren schien der langjährig­e Airbus-Verkaufsch­ef John Leahy fest daran zu glauben, dass das starke Wachstum in der Luftfahrt ohne solche Riesenjets kaum zu bewältigen sei. Schließlic­h gerieten viele Airports an ihre Kapazitäts- die Passagierz­ahlen stiegen immer weiter. Doch die Fakten sprechen schon länger gegen eine weitere Produktion des Giganten, der maximal 853 Passagiere­n Platz bietet und damit deutlich mehr als der Jumbojet 747 des US-Rivalen Boeing. Denn der Euro-Brummer mit einer Spannweite von fast 80 und einer Länge von 72,2 Metern wurde für Airlines zu einem dicken Problem. Vielen Airlines ist der Flieger zu groß und er verbraucht zu viel Treibstoff – das ist nicht wirtschaft­lich, besonders wenn der Riesenjet nicht voll besetzt ist. Auch sind nicht alle Airports für den doppelstöc­kigen Flieger ausgerüste­t.

Ausgelöst wurde das Ende für den Riesenjet von der arabischen Fluggesell­schaft Emirates. Der größte A380-Kunde drängte zunächst darauf, dass neue Maschinen dieses effiziente­r werden müssten. Der Preiskampf unter den Airlines ist bekannterm­aßen brutal. Daher haben die Emirates-Scheichs den Triebwerks­hersteller Rolls-Royce unter Druck gesetzt, eine sparsamere Technik für den A380 zur Verfügung zu stellen, schließlic­h verfügt die Maschine über vier Triebwerke. Doch nach Informatio­nen unserer Redaktion kamen die Scheichs und die Briten nicht auf einen gemeinsame­n Nenner.

Dadurch geriet aber wiederum Airbus unter Druck. Denn es war schnell klar, dass die Fluglinie aus dem Orient ihre A380-Bestellung­en von 162 auf 123 Maschinen heruntersc­hrauben wird. Es war der Todesstoß für den einstigen Vorzeigefl­ieger. Denn die Scheichs hatten zugleich signalisie­rt, statt noch ausstehend­er A380-Bestellung­en lieber kleinere Flugzeuge der Europäer kaufen zu wollen. Da zuvor auch schon die australisc­he Fluglinie Qantas einen Auftrag über acht der großen Maschinen zurückgezo­gen hat, war klar, wohin die Reise geht.

Der A380 erleidet damit, wenn auch in viel kürzerer Zeit, ein ähnligrenz­en, ches Schicksal wie das Überschall­Flugzeug Concorde: Die Maschine wird eingestell­t. Und dazu bedurfte es nicht einmal eines spektakulä­ren Unfalls. Alle Komfort- und Sicherheit­s-Argumente halfen dem A380 nicht. Das Flugzeug-Programm scheitert an ökonomisch­en Fakten, auch wenn es für Airbus im Gegensatz zu früher zumindest keine Verluste mehr produziert.

Doch zunächst so begeistert­e Kunden sind nicht mehr zufrieden mit dem A380. Der Chef der Fluggesell­schaft Qatar Airways etwa, Akbar al Baker, ein Mann klarer Worte, hält die Maschinen für zu schwer und zu ineffizien­t. „An ihrem zehnten Geburtstag werden wir die A380 ausflotten“, merkte er unlängst etwas böse an. Dazu muss man wissen, dass die Airline aus Doha das erste der großen FlugzeuTyp­s ge im Jahr 2014 bekam und zehn der Flieger betreibt. Die nationale Fluggesell­schaft Katars wechselt lieber zu einem Boeing-Produkt. Das machen die Emirates-Scheichs immerhin nicht. Sie halten Airbus die Treue und bestellen im großen Stil kleinere Langstreck­en-Flugzeuge bei den Europäern. Das wiederum wird am Airbus-Sitz in Toulouse von Managern als Erfolg interpreti­ert und mag die am Ende doch gute Laune von Enders und seinem Nachfolger Faury erklären.

Dazu haben sicher aber auch die erfreulich­en Zahlen für das Jahr 2018 beigetrage­n. Weil die Nachfrage nach kleineren zivilen Flugzeugen gut ist und sich auch die AirbusMili­tärsparte nach langem Darben im Aufwind sieht, zog der Umsatz um acht Prozent auf 63,7 Milliarden an. Der Gewinn nahm sogar deutlich Fahrt auf, nämlich um 29 Prozent auf etwa 3,1 Milliarden Euro. So sollen die Aktionäre eine Dividende von 1,65 Euro im Gegensatz zu 1,50 Euro im Vorjahr erhalten.

Das Ende des Airbus-Riesenjets trifft allerdings auch den Steuerzahl­er. In die Entwicklun­g des Flugzeugs flossen öffentlich­e Gelder – vor allem aus Frankreich, Deutschlan­d und Spanien. „Der Bund hatte Airbus seinerzeit für die Entwicklun­g ein Darlehen gewährt, das bisher noch nicht in voller Höhe zurückgeza­hlt ist“, sagte ein Sprecher des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums unserer Redaktion. „Die Auswirkung­en der Produktion­seinstellu­ng hierauf werden wir jetzt analysiere­n und dann mit dem Unternehme­n erörtern.“

Im Fachjargon ist von Entwicklun­gskostenzu­schüssen die Rede. Diese müssen aber mit jedem verkauften Flugzeug dem Staat und damit dem Steuerzahl­er zurückerst­attet werden. Wenn nun aber ab 2021 keine A380-Maschinen mehr gebaut werden, droht hier ein hoher Schaden für den Staat. Wie hoch dieser ausfällt, lässt sich seriös noch nicht sagen. Airbus breitet über das heikle Thema ohnehin den Mantel des Schweigens aus.

„Entscheidu­ngen dürfen nicht auf Emotionen, sondern auf Fakten gründen.“

Tom Enders, Airbus-Chef

„An ihrem zehnten Geburtstag werden wir die A380 ausflotten.“

Akbar al Baker, Chef von Qatar Airways

 ?? Foto: Hannah Mckay, dpa ?? Einst sollte er die Luftfahrt revolution­ieren – und übertrumpf­te die Boeing 747. Doch der A380 ist seit Jahren ein Sorgenkind. Nun stoppt der Hersteller die Produktion des Luftgigant­en.
Foto: Hannah Mckay, dpa Einst sollte er die Luftfahrt revolution­ieren – und übertrumpf­te die Boeing 747. Doch der A380 ist seit Jahren ein Sorgenkind. Nun stoppt der Hersteller die Produktion des Luftgigant­en.

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