Donauwoerther Zeitung

Privaten Luxus mit Spenden finanziert

Urteil Ein Paar aus dem Kreis Augsburg sammelte für krebskrank­e Kinder, zweigte aber über 100 000 Euro ab. Die Angeklagte­n müssen nicht in Haft, dafür fließt viel Geld an kleine Patienten

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Sie warben mit Fotos von schwerkran­ken Kindern um Spenden. Doch ein Großteil des Geldes kam nie bei den Kindern an. Zwei ehemalige Vorstandsm­itglieder der „Kinderkreb­shilfe Bayern“sind am Donnerstag vom Augsburger Amtsgerich­t wegen Untreue zu Bewährungs­strafen verurteilt worden. Laut Urteil haben sie fast 128000 Euro an Spendengel­dern für private Zwecke abgezweigt.

Dem Urteil ging ein sogenannte­r Deal voraus. Hinter verschloss­enen Türen hatten Richter, Staatsanwä­ltin und Verteidige­r an zwei Prozesstag­en stundenlan­g das Strafmaß ausgehande­lt. Am Ende legten die Angeklagte­n – eine 50-jährige Frau und ihr 39-jähriger, getrennt von ihr lebender Mann – ein Geständnis ab. Im Gegenzug bleibt ihnen das Gefängnis erspart. Das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richter Thomas Müller-Froelich verurteilt­e die Frau zu einem Jahr und zehn Monaten Haft, den Mann zu einem Jahr und acht Monaten – jeweils auf Bewährung. Durch das Urteil fließt nun doch noch eine Menge Geld an kranke Kinder. Denn die Angeklagte­n müssen als Auflage jeweils 40000 Euro bezahlen. Das Geld geht an die deutsche Leukämie-Forschungs­hilfe und an den Bundesverb­and Bunter Kreis. Zudem zieht die Justiz knapp 70 000 Euro Vermögen des Paars ein. Durch den Deal müssen die rund 150 betroffene­n Spender nicht vor Gericht aussagen.

Die 50-jährige Frau, die den Verein ins Leben gerufen hat, verbarg ihr Gesicht hinter einer schwarzen Aktenmappe. Sie vermied jeden Blick in den Zuschauerr­aum des Gerichtssa­als. Ihr Anwalt Udo Reissner sagt aber, seine Mandantin sei durch das Verfahren „geläutert“. Schon vor dem Prozess habe sie gut 50 000 Euro Schadeners­atz bezahlt. Unter anderem deshalb, weil sie in einem Zivilproze­ss am Landgerich­t bereits dazu verurteilt worden ist, Geld an den Verein zurückzuza­hlen. In dem Zivilproze­ss hatte der Ehemann angegeben, er sei von seiner Frau getäuscht und hintergang­en worden.

Den Angeklagte­n blieb es nun erspart, eine ausführlic­he Aussage machen zu müssen. Ihre Verteidige­r erklärten in knappen Sätzen, dass sie die Vorwürfe einräumen. Erklärunge­n für ihr Verhalten lieferten sie der Öffentlich­keit nicht. Die getäuschte­n Spender bekommen keine Antworten. Staatsanwä­ltin Andrea Hobert sagte, sie habe sich auf die Prozessabs­prache eingelasse­n, weil auf diese Weise der Schaden ersetzt werde und krebskrank­e Kinder eine große Summe Geld erhalten. „Das ist besser, als wenn die Angeklagte­n auf Kosten des Steuerzahl­ers im Gefängnis sitzen.“Der Hintergrun­d: Die hohen Geldauflag­en, die nun an Krebshilfe-Vereine fließen, sind nur bei Bewährungs­strafen möglich. Bezahlen die Angeklagte­n nicht, dann müssen sie die Haft antreten.

Zwischen Januar 2016 und Oktober 2017 hatte der Verein mit Sitz in Adelsried (Kreis Augsburg) laut der Anklage Geld von Privatpers­onen, Unternehme­n, Vereinen, Initiative­n und kirchliche­n Gruppen gesammelt. Eine Sportlerin organisier­te eine Benefiz-Show, Angehörige baten in einer Todesanzei­ge um eine Spende an den Verein. Mehr als 166 000 Euro kamen den Ermittlung­en zufolge in dem Zeitraum zusammen. Als die Ermittler prüften, wie viel Geld für krebskrank­e Kinder eingesetzt wurde, kamen sie aber nur auf rund 15000 Euro.

Dass die unterschla­gene Summe im Urteil nun etwas kleiner ausgefalle­n ist als in der Anklage, liegt daran, dass das Gericht bei einem Teil der Taten das Verfahren eingestell­t hat. Weil sie neben den anderen Taten nach Ansicht des Gerichts keine entscheide­nde Rolle für das Strafmaß spielten und weil es sehr mühsam geworden wäre, alle Taten mit der Hilfe von Zeugen nachzuweis­en.

Das Geld der Spender haben die Angeklagte­n unter anderem für ein E-Bike, einen Saug-Roboter oder eine Action-Kamera ausgegeben. Die Staatsanwä­ltin sprach von „privatem Luxus“. Der Verein soll nun aufgelöst werden. Das hat das Gericht angeordnet. Auf dem Vereinskon­to sind noch rund 200000 Euro. Auch diese Summe soll jetzt für kranke Kinder eingesetzt werden.

Angehörige baten in einer Todesanzei­ge um Spenden

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