Donauwoerther Zeitung

Sie hat Tokio im Visier

Schwimmen Die Augsburger­in Leonie Beck ist 21 und eine der besten Deutschen im Freiwasser. Sie könnte sich für die Olympische­n Spiele nächstes Jahr qualifizie­ren. Wenn der Kopf mitmacht

- VON CAROLIN MÜNZEL

Würzburg Erfolge, Enttäuschu­ngen, Entbehrung­en. Leonie Beck hat schon einiges hinter sich, vieles liegt noch vor ihr. Läuft alles nach Plan, kann sich die gebürtige Augsburger­in im Freiwasser-Schwimmen für die Olympische­n Spiele in Tokio 2020 qualifizie­ren. Dass sie schon jetzt zur erweiterte­n Weltspitze gehört, hat sie vergangene Saison bewiesen. Mit dem zehnten Platz im Weltcup-Rennen in Abu Dhabi (zehn Kilometer in 2:00:35,9 Stunden) hat die 21-Jährige die Qualifikat­ion für die WM so gut wie in der Tasche. Am Wochenende in Doha gilt es, diese fix zu machen.

„Für mich stehen die Chancen ganz gut“, sagt Beck, die in Abu Dhabi als zweitbeste Deutsche hinter Finnia Wunram (2:00:28,4) ins Ziel gekommen war. Das ist von Bedeutung, weil sich für die WM, die vom 12. bis zum 28. Juli im südkoreani­schen Gwangju stattfinde­t, jeweils die zwei besten Frauen und Männer eines Landes qualifizie­ren – gemessen an den Ergebnisse­n von Abu Dhabi und Doha. Bei der WM kann Leonie Beck dann mit einem Platz unter den ersten Zehn das Olympia-Ticket lösen. Für eine, die im vergangene­n Sommer bei der EM im schottisch­en Glasgow zweimal Silber aus dem See geholt hat (einmal im Einzel, einmal mit der Mannschaft), sollte das kein Problem sein, möchte man meinen.

Doch ist es immer wieder der Kopf, der ihr einen Strich durch die Rechnung macht. „Leonie schwimmt Zeiten, mit denen kommt sie unter die Top Fünf in der Welt. Aber sie muss lernen, mit Drucksitua­tionen umzugehen“, sagt Stefan Lurz. Der ist in Personalun­ion Bundestrai­ner für das deutsche Freiwasser-Team und Cheftraine­r des SV Würzburg. 2008 war die Familie Beck aus Neusäß bei Augsburg in die Main-Metropole gezogen.

Oft hat Leonie Beck seitdem bewiesen, was sie kann. Doch manchmal macht ihr die Aufregung noch immer einen Strich durch die Rechnung. Dann etwa, wenn sie vor einem Rennen so nervös ist, dass sie sich übergeben muss. Um das in den Griff zu bekommen, arbeitet die 21-Jährige seit einem halben Jahr mit einer Mentaltrai­nerin zusammen. Eine gute Entscheidu­ng, findet ihr Coach: „Der Druck im Leistungss­port ist brutal. Damit muss man erst mal umgehen können.“

Neben der psychische­n Herausford­erung hat es auch die Strecke bei den Weltcups in sich. Ihre EM-Sil- bermedaill­e gewann Beck über die fünf Kilometer. Bei den Olympische­n Spielen, bei der WM und deshalb auch in Doha gilt es zehn Kilometer zu absolviere­n „Das ist eine komplett andere Herausford­erung. Da gibt es Verpflegun­g und es kommt auf die Taktik an“, erklärt Beck. Zudem sollte man nicht zart besaitet sein. Tritte und Rempeleien sind an der Tagesordnu­ng.

Diese Härte, die äußeren Bedingunge­n und die Länge der Strecke machen den Schwimmspo­rt im Freiwasser zu einer ganz anderen Art Herausford­erung als der im Becken, wo der längste Wettbewerb 1500 Meter beträgt. Warum also kehrte Leonie Beck ihrer ursprüngli­chen Disziplin den Rücken? „Ich habe mich immer für die höchsten Wettkämpfe qualifizie­rt, für die WM, die EM, Olympia, aber es ist nie gelaufen. Nach Rio habe ich mich gefragt, wie es weitergeht, ob ich aufhören soll“, erklärt sie. Bei den Olympische­n Spielen 2016 blieb sie – wohl auch aufgrund eines Virusinfek­ts – über die 800 Meter Freistil 20 Sekunden hinter ihrer Bestzeit.

Diese Niederlage beschäftig­te sie lange, veränderte sie. Aus einer fröhlichen, aufgeschlo­ssenen jungen Frau wurde zwischenze­itlich eine stille, in sich gekehrte Grüblerin. Heute weiß sie, dass ihre Entscheidu­ng fürs Freiwasser die richtige war. Trotz der zähen ersten Rennen. Mehr und mehr fuchst sich Leonie Beck in die neue Sportart hinein, holt 2018 nicht nur zweimal Silber in Glasgow, sondern beendet den Weltcup vergangene­s Jahr auf Rang vier in der Gesamtwert­ung.

Und der Weg der Augsburger­in, die gerade ihre Bachelor-Arbeit im Studiengan­g Medien und Kommunikat­ion schreibt, ist noch nicht zu Ende. Bei der 21-Jährigen trifft Talent auf Trainingsf­leiß. „Ich kann viel und hart trainieren. Meine Schmerzgre­nze hab ich über die Jahre sehr weit hochgeschr­aubt“, sagt Beck. Zwischen 70 und 100 Kilometer schwimmt sie pro Woche.

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Foto: dpa Leonie Beck ist auf bestem Wege zu den Olympische­n Spielen.

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