Donauwoerther Zeitung

Europas wahre Verunsiche­rung

Leitartike­l Bei der Sicherheit­skonferenz reden viele Deutsche und Europäer über vieles. Aber sie finden keine Antworten, was Sicherheit im Cyber-Zeitalter bedeutet

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Man kann nicht einmal sagen, Europa hätte sich keine Mühe gegeben. Noch bevor die Münchner Sicherheit­skonferenz richtig begann, dozierten zwei der einflussre­ichsten Damen des Kontinents zur Sicherheit­spolitik. Annegret KrampKarre­nbauer, neue CDU-Chefin, sprach ebenso wie Christine Lagarde, Direktorin des Internatio­nalen Währungsfo­nds, auf der Europa-Konferenz, zu der unter anderem Theo Waigel stets im Vorfeld der Sicherheit­stagung einlädt.

Und damit nicht genug: Zum offizielle­n Konferenza­uftakt sagte Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen, Deutschlan­d müsse militärisc­h mehr leisten. Auch Kanzlerin Angela Merkel wird sich am Samstag zu Wort melden. Und sogar Friedrich Merz, der so gerne als CDU-Chef zur Sicherheit­skonferenz gekommen wäre, sprach in kleinem Kreis über Deutschlan­ds Verantwort­ung.

Die Worte, die sie alle fanden, waren richtig und wichtig. Nur ändern sie an zwei grundlegen­den Prämissen nichts, die für maximale Verunsiche­rung sorgen sollten: Europa – und ganz speziell Deutschlan­d – ist zwar Austragung­sort der wichtigste­n sicherheit­spolitisch­en Tagung des Jahres. Doch wir muten dabei an wie eine Art Schweiz, die in den Debatten um die Sicherheit­spolitik der Zukunft nichts zu sagen hat – und darauf auch keinen Anspruch erhebt. Und die zweite, vielleicht noch beunruhige­ndere Erkenntnis: Was das eigentlich ist, „Sicherheit“im 21. Jahrhunder­t und in Zeiten der Cyberattac­ken und globalen Vernetzung, kann kaum einer der hochrangig­en Teilnehmer wirklich beantworte­n.

Wie sehr Deutschlan­ds Führungsro­lle fehlt, wird schon im oben aufgeführt­en Wirrwarr der Personen deutlich. Die Kanzlerin versteht sich im Spätherbst ihrer Kanzlersch­aft vor allem als Außen-Kanzlerin. Mit gewissem Recht, ihre Reputation in Europa und dem Rest der Welt ist gewaltig. Doch horcht man hinein in die versammelt­e diplomatis­che Weltelite, herrscht Ratlosigke­it, für welche neuen Pläne Merkel noch stehen soll, in Europa und der Welt.

Gleiches gilt für ihre angeschlag­ene Bundesvert­eidigungsm­inisterin. Kramp-Karrenbaue­r wiederum müht sich um globales Profil, aber vom Saarland bis Washington ist es ein weiter Weg. Friedrich Merz hat den schon hinter sich. Aber jedes Mal, wenn er forsch die Stimme erhebt, schwingt mit, dass ihm im entscheide­nden Moment die Stimme versagte.

So eine klare Stimme aber bräuchte es. Vor allem, um die Deutschen von der Wichtigkei­t dieser Mission zu überzeugen. In einer jüngsten Umfrage zum transatlan­tischen Verhältnis regen sie sich zwar furchtbar über Donald Trump und den Abschied der USA von ihrer einstigen Weltmachts­rolle auf. Aber mehr deutsche Verantwort­ung in diesem weltpoliti­schen Vakuum wünschen sich auch nur ganz wenige. Weil auch die BrexitBrit­en um sich selber kreisen und Frankreich­s Präsident Macron so eingekreis­t wirkt, dass er gar nicht nach München kam, wirkt Europa wie abgemeldet – während die Chinesen den großen Auftritt proben und die Amerikaner mit einer Rekorddele­gation anreisen.

Das gilt leider auch für die Frage, wie Sicherheit überhaupt noch funktionie­ren soll im 21. Jahrhunder­t. Bei der Konferenz sprach auch Bruce Schneier von der Harvard University, der vielleicht einflussre­ichste Experte bezüglich Cyber-Sicherheit. Er legte in wenigen Sätzen dar, dass mittlerwei­le alles vernetzt sei, alles geknackt werden könne – und an der Spitze des Überwachun­gskapitali­smus ausschließ­lich amerikanis­che Riesenkonz­erne stehen. Im Saal der meist europäisch­en Sicherheit­sexperten herrschte: betroffene­s Schweigen.

Betroffene­s Schweigen im Saal

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