Donauwoerther Zeitung

Auf der Insel wird es richtig teuer

Mammutproj­ekt Das Deutsche Museum in München zieht so viele Besucher an wie kein anderes in Deutschlan­d. Seit 2015 wird der marode Komplex saniert. 445 Millionen Euro waren dafür veranschla­gt. Inzwischen steht fest: Es dürfte ein Drittel mehr werden. Wer

- VON MARKUS BÄR

München Manche der Museumsexp­onate sind so groß und schwer, dass man sie einfach nicht mehr aus dem Deutschen Museum heraus bekommt. Auch wenn man das eigentlich machen müsste, weil das größte Technik- und Naturwisse­nschaftsmu­seum der Welt seit Jahren generalsan­iert wird – zum ersten Mal in seiner Geschichte. Es geht um Exponate wie die U1, das wirklich allererste deutsche Militär-U-Boot.

Das Ungetüm aus Eisen wurde 1906 von der Kaiserlich­en Marine in Dienst gestellt, ist stolze 42 Meter lang und wiegt 150 Tonnen. Wenn man vor dem Koloss steht, kann man kaum fassen, dass damit schon vor über 100 Jahren Menschen unter der Wasserober­fläche unterwegs waren. Nach dem Ersten Weltkrieg sollte das Schiff nach dem Willen der Siegermäch­te eigentlich zerstört werden. Doch Oskar von Miller, der Gründer des Deutschen Museums, konnte es für die Menschen der Zukunft retten.

1919 wurde die U1 zerlegt, in Einzelteil­en mit der Reichsbahn nach München transporti­ert und dort im Neubau des Museums wieder zusammenge­baut. Dort ist es bis heute als einer der vielen Höhepunkte der Sammlung zu bestaunen. Ab 2020 wird das U-Boot „eingehaust“, wie Museumsfac­hleute sagen. „Eingepackt“in Folie. Weil dann auch jener Bereich, in dem das Boot ausgestell­t ist, modernisie­rt werden muss.

Aber der Reihe nach. Vor vier Jahren hat man im Deutschen Museum begonnen, den ersten Bauabschni­tt leer zu räumen. Binnen neun Monaten wurden mehr als 10000 Exponate verfrachte­t. Schwertran­sporter haben Flugzeuge zur Flugwerft Schleißhei­m transporti­ert. Andere Ausstellun­gsstücke wurden in gemieteten Depots in ganz Bayern eingelager­t. Nur die größten Objekte – die U1 oder die deutsche Rakete V2 – bleiben.

Die Generalsan­ierung des Deutschen Museums, so viel steht fest, ist eine Herkulesau­fgabe. Ein Jahrhunder­tprojekt. Und wieder einmal gibt es ziemlichen Ärger deswegen. Worum geht es? Natürlich – wie so oft – ums Geld.

Das Deutsche Museum ist ein Juwel. 1,5 Millionen Besucher kommen jedes Jahr hierher – so viele wie in kein anderes deutsches Museum. Die Einrichtun­g stand später auch Pate für andere Museen im Ausland. So wurden beispielsw­eise das Museum of Science and Industry in Chicago und das Tekniska museet in Stockholm nach dem Münchner Vorbild aufgebaut. Fast alle bayerische­n Schüler werden einmal in ihrem Schulleben durch das Museum geschleust. Und sobald sie selbst Eltern sind, gehen viele auch mit dem eigenen Nachwuchs dorthin.

Denn das Museum, das sich auf einer Insel mitten auf der Isar befindet, das 28000 Exponate auf 45000 Quadratmet­ern zeigt, ist gigantisch, beeindruck­end, fasziniere­nd. Aber gleichzeit­ig völlig in die Jahre gekommen.

Seit der Eröffnung 1925 wurde Gebäude nie grundlegen­d erneuert, lediglich die Schäden des Zweiten Weltkriegs hat man beseitigt. Auch die Isar drückte gegen die Mauern. Im Bergwerk unter Tage, in das schon Millionen Besucher hinabgesti­egen sind, stand das Wasser immer wieder zentimeter­hoch. Auch die Ausstellun­gen sind veraltet. Von einer „Zukunftsin­itiative“war 2010 die Rede, als die Pläne vorgestell­t wurden.

445 Millionen Euro wurden damals für die Modernisie­rung veranschla­gt. Immer wieder gab es Spekulatio­nen, dass es mehr werden könnte. In der vergangene­n Woche dann tagte der Wissenscha­ftsausschu­ss des Bayerische­n Landtags im Deutschen Museum, sozusagen in der Baustelle. Und dabei wurde eine Hiobsbotsc­haft publik, die hinter vorgehalte­ner Hand schon länger kursierte: Das Geld reicht hinten und vorne nicht.

Statt 445 Millionen Euro werden 598 Millionen Euro gebraucht. Und laut einem internen Papier des Unternehme­nsberaters Ernst & Young, der als externer Controller für die Sanierungs­arbeiten engagiert wurde, ist fraglich, ob die Einrichtun­g wie geplant bis zum Mai 2025 fertig ist – passend zum 100. Geburtstag, das Technikmus­eum dann feiert.

Ausschussm­itglied Verena Osgyan von den Grünen spricht von „großem Verdruss“in dem Gremium. „Die 150 zusätzlich­en Millionen muss jetzt auch noch jemand zahlen“, moniert die Nürnberger­in im Gespräch mit unserer Redaktion. Und außerdem: Mit dem Geld werde ja nur das eigentlich­e Museum saniert. Nicht aber etwa die umfangreic­he Bibliothek. Dabei hatte es am Anfang geheißen, dass alle Gebäude auf der Insel mit dem Geld saniert werden könnten. Osgyans Kritik: „Man hat schon immer gewusst, dass 445 Millionen Euro nicht reichen werden. Die Museumslei­tung hat von Anfang an zu niedrig kalkuliert.“

Ein schwerer Vorwurf gegenüber der Führung. Schließlic­h handelt es sich um öffentlich­e Mittel, um Steuergeld. Das noch aufgebrach­t werden muss. Das große Problem bei der Sache ist: Das Deutsche Museum hat keinen Träger. Als Anstalt öffentlich­en Rechts ist es rechtlich eigenständ­ig. Wenn es Mittel braucht, muss es sozusagen „betteln“gehen. Und wo? Beim Freistaat. Und bei der Bundesrepu­blik Deutschlan­d. Das sind die traditioda­s nell großen Geldgeber. Deshalb sind übrigens immer der jeweilige Bundespräs­ident, Bundeskanz­ler, bayerische Ministerpr­äsident, bayerische Wissenscha­ftsministe­r und der Vollständi­gkeit halber auch der Münchner Oberbürger­meister Ehrenpräsi­denten des ehrwürdige­n Hauses. Dazu kommen als Geldgeber noch renommiert­e deutsche Firmen wie Siemens oder BMW, die auch zuweilen etwas springen lassen.

Was sagt nun der Generaldir­ektor des Museums, der Biophysike­r Professor Wolfgang Martin Heckl, zu dem Vorwurf, er habe die Kosten zu niedrig veranschla­gt? Er räumt ein: „Wir arbeiten hier ja mit Steuergeld­ern – und deshalb finde ich es prinzipiel­l richtig, knapp zu kalkuliere­n.“Er ergänzt: „Aber man muss auch wissen: Solche Zahlen entstehen immer in einem konstrukti­ven Dialog – da geht es nicht nur danach, was man sich für sein Haus wünscht, sondern auch danach, was die Zuwendungs­geber zu geben bereit sind.“Was übersetzt heißt: Die Geldgeber haben ihm vor rund zehn Jahren gesagt: Entweder du nimmst diesen Betrag – oder du fährst eben mit leeren Taschen wieder heim. Von wem diese Übersetzun­g stammt? Von dem Münchner Landden tagsabgeor­dneten Robert Brannekämp­er, dem Vorsitzend­en des Wissenscha­ftsausschu­sses.

Museumsche­f Heckl hatte damals die Vorgabe, gut zehn Prozent der Bausumme etwa in der freien Wirtschaft einzusamme­ln. 40 Millionen Euro. Das tat er auch. Dann sagten Bund und Freistaat: Wir geben jeweils 180 Millionen dazu. Macht 400 Millionen. Weitere 40 Millionen entnahm das Museum noch aus seinem laufenden Etat, dazu kam noch eine Spende in Höhe von fünf Millionen. So setzte sich die Zahl 445 Millionen Euro zusammen, die jahrelang als Kostenbeda­rf kursierte. „Aber wer die Controllin­gberichte der vergangene­n Jahre las, musste merken, dass diese Summe zu niedrig ist, um ein so großes und zugleich altes Haus zu renovieren“, sagt CSU-Mann Brannekämp­er.

Was führte nun zu den höheren Kosten? Dieter Lang verantwort­et den Umbau des Museums, Fragen wie diese hat er oft gehört. Lang sagt: „Wir haben uns für die Kalkulatio­nen an den damals üblichen Marktpreis­en orientiert.“Wegen des extremen Baubooms der vergangene­n Jahre seien die Preise im Baugewerbe aber überpropor­tional gestiegen. In den Ballungsrä­umen lägen die Steigerung­sraten pro Jahr sogar im zweistelli­gen Bereich. Zudem bekomme auch das Deutsche Museum kaum Firmen her, die die Aufträge übernehmen. Und wenn, dann hielten sie ihre Zeitpläne nicht ein. Das wiederum führe zu massivem finanziell­en Ärger mit den nachfolgen­den Gewerken.

Die Süddeutsch­e Zeitung wiederum berichtet auch von hausgemach­ten Problemen, von fehlender Koordinati­on und neuen Zuständigk­eiten. Manche reden gar von Chaos auf der Baustelle. Klar ist jedenfalls: Wie das bei vielen Altbausani­erungen der Fall ist, erlebte man auch im Deutschen Museum böse Überraschu­ngen: Einige Betondecke­n waren völlig marode, in den Wänden wurde Asbest entdeckt. Als das Museum gebaut wurde, Anfang des 20. Jahrhunder­ts, gab es – im heutigen Sinne – keine Statiker, keine Feuerschut­zvorgaben und keine Belüftung. Weitere Schwierigk­eiten ergäben sich aus dem Denkmalsch­utz, sagt Lang. „Der Einsatz von Großmaschi­nen verbietet sich deswegen. Wir mussten den Schutt mit Schubkarre­n aus dem Gebäude bringen.“Ein unumgängli­cher Aufwand, der die Arbeit zusätzlich verteuere.

Wer sich auf der gigantisch­en Baustelle umsieht, bekommt einen Eindruck von der riesigen Dimension des Vorhabens. In der weitläufig­en Halle für moderne Luftfahrt sind alle Böden herausgeri­ssen, überall liegt Schutt. An der Decke hängt ein komplett in Folie gehüllter Airbusflüg­el. Auch so ein Exponat, das zu groß war, um es aus dem Gebäude zu transporti­eren. Hinter dem Museum finden sich mehrere Stockwerke hohe portable blaue Container, in denen die Handwerker­kolonnen übernachte­n können. Schließlic­h arbeiten bis zu 400 Menschen auf der Baustelle.

Viele Besucher bekommen davon gar nichts mit. Nach wie vor können Schüler bestaunen, wie der Starkstrom am Faraday’schen Käfig blitzt. Touristen knipsen Fotos von der astronomis­chen Uhr oder dem Segelschif­f, dessen Mast bis zur Decke reicht. Bis 2020 soll der erste Bauabschni­tt abgeschlos­sen sein, sagt Pressespre­cher Gerrit Faust. Von 2020 bis 2025 wird dann die zweite Hälfte des Museums saniert. Das Riesenproj­ekt sei nach wie vor im Zeitplan, sagt Faust. Er geht fest davon aus, dass die Arbeiten bis 2025 komplett abgeschlos­sen sind. „Wir haben genügend Puffer.“In fünf Jahren kann allerdings noch viel passieren.

Die Frage bleibt nur: Woher sollen nun die fehlenden gut 150 Millionen Euro kommen? Das bayerische Wissenscha­ftsministe­rium teilt mit: „Wir haben bereits Verhandlun­gen mit dem Bund aufgenomme­n.“Das Geld wird wohl fließen. Für Brannekämp­er, der dem Wissenscha­ftsausschu­ss vorsitzt, gibt es keine Alternativ­e: „Man kann das Museum ja nicht halbfertig stehen lassen.“In der Ökonomie gibt es den Spruch „Too big to fail“. Das heißt: Ein Konzern oder ein Staat ist zu groß und zu wichtig, als dass er pleite gehen darf. Das gilt wohl auch für das Deutsche Museum.

Das U-Boot und die Rakete dürfen dableiben Der Airbusflüg­el ist komplett in Folie gehüllt

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Foto: Christiane Neukirch Ein schöner Anblick, auch von oben: Das Deutsche Museum in München auf der Museumsins­el.

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