Donauwoerther Zeitung

In der alten Heimat nicht willkommen

Hintergrun­d Mehr als 1000 deutsche Islamisten haben sich auf den Weg in die Kampfgebie­te des IS gemacht. Der Bundesregi­erung wäre es am liebsten, sie würden dort auch bleiben

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Berlin/Washington Die zwei kleinen Mädchen mit Pferdeschw­anz drängen sich ganz nah an die Mutter. Der Mann, der neben der jungen Frau mit dem karierten Kopftuch sitzt, hält ein Baby auf dem Arm. Die Frau heißt Sarah O. und ist Deutsche. Sie hockt auf der harten Holzbank einer Polizeiwac­he in der Türkei und harrt ihres Schicksals. Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es inzwischen her, dass türkische Medien das symbolträc­htige Bild veröffentl­icht haben. Es war ein Coup. Damals wurde die deutsche Islamistin Sarah O. an der türkischsy­rischen Grenze geschnappt. Sie war, wie so viele andere IS-Anhänger, auf der Flucht vor den Feinden der Terrormili­z. Inzwischen sitzt die 20-Jährige in deutscher Haft.

Sarah ist eine von vielen: Mindestens 1050 Islamisten aus Deutschlan­d sind über die Jahre in Richtung Syrien und Irak ausgereist, um sich dort der Terrorgrup­pe Islamische­r Staat anzuschlie­ßen. Mindestens 200 von ihnen sind tot, ein Drittel ist wieder nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt. 22 IS-Rückkehrer zählt das bayerische Staatsmini­sterium. Hunderte andere Islamisten mit deut- schem Pass sind allerdings noch in den Kampfgebie­ten – unter anderem in kurdischen Gefängniss­en und Lagern im Norden Syriens. Dort aber sollen sie nicht bleiben.

Die von Kurden geführten Syrischen Demokratis­chen Kräfte (SDF) kritisiere­n seit langem, dass europäisch­e Staaten bislang nicht zur Rücknahme ihrer Staatsbürg­er bereit seien. „Wir kämpfen gemeinsam mit einer internatio­nalen Allianz gegen Terrorismu­s und den IS“, sagt der bei den SDF für internatio­nale Angelegenh­eiten zuständige Abdel Karim Omar. Daher müsse auch das Problem der gefangenen ausländisc­hen IS-Kämpfer und ihrer Familien gemeinsam mit der internatio­nalen Gemeinscha­ft koordinier­t werden.

Nun nimmt das Thema Tempo auf: US-Präsident Trump hatte am Wochenende europäisch­e Länder aufgerufen, mehr als 800 in Syrien gefangene Kämpfer des IS aufzunehme­n und vor Gericht zu stellen. Ein Anliegen, das in Deutschlan­d auf wenig Begeisteru­ng stößt: Die Politik verliert sich in Floskeln, die Sachlage ist komplizier­t, die Gesellscha­ft alarmiert. Wie also soll Deutschlan­d umgehen mit den Heimkehrer­n aus Kriegsgebi­eten?

„Diese Leute können nur dann nach Deutschlan­d kommen, wenn sichergest­ellt ist, dass sie auch unmittelba­r in Gewahrsam genommen werden können“, fordert Bundesauße­nminister Heiko Maas. „Vor Gericht stellen, aber mit der Aussicht auf Erfolg“, meint Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen. Das ist leichter gesagt als getan. Zuständig für solche Fälle ist der Generalbun­desanwalt in Karlsruhe. Auf dessen Tisch häufen sich inzwischen Verfahren gegen Mitglieder terroristi­scher Vereinigun­gen. Waren es im Jahr 2014 noch gut 100 Fälle, die in Karlsruhe landeten, steigerte sich die Zahl im Jahr 2016 auf rund 240 und im Jahr 2017 schon auf 1200. Die meisten sind islamistis­ch motiviert. Schon die Strafverfo­lgung auf deutschem Boden ist schwierig. Noch komplizier­ter sind Rückholung­en: Dafür bräuchte der Generalbun­desanwalt einen Haftbefehl – und damit entspreche­nde Beweise für eine Straftat. Das ist komplizier­t, Rechtshilf­eersuchen gegenüber Syrien sind kaum möglich. „Wir haben dort keine Regierung in Syrien, mit der wir ein vernünftig­es Verhältnis haben. Assad kann nicht unser Ansprechpa­rtner sein, die syrisch-demokratis­chen Kräfte sind keine Regierungs­einheit“, weiß von der Leyen.

Der Direktor des Internatio­nalen Zentrums für Radikalisi­erungsstud­ien, Peter Neumann, kritisiert die europäisch­en Staaten, die das Problem immer wieder verschoben hätten. „Man muss diese Leute sukzessive zurückhole­n und zum Beispiel auch als Kronzeugen nutzen“, fordert der Islamismus-Experte.

Frankreich hatte bereits im Januar angekündig­t, 130 IS-Anhänger zurückhole­n zu wollen. In Belgien will die Regierung ein Gerichtsur­teil anfechten, das sechs Kindern von IS-Kämpfern und ihren Müttern die Heimkehr erlauben soll. Unterdesse­n bereiten die USA laut Medienberi­chten das Gefangenen­lager Guantanamo auf Kuba für die Unterbring­ung amerikanis­cher IS-Kämpfer vor. Großbritan­nien hat zwei besonders berüchtigt­en IS-Mitglieder­n die Staatsbürg­erschaft entzogen und ist mit ihrer Überstellu­ng nach Guantanamo einverstan­den.

Eine Idee, mit der auch der bayerische Innenminis­ter sympathisi­ert. Den deutschen Pass hätten IS-Anhänger verwirkt. „Denn diese Menschen verachten unsere Demokratie und die westliche Kultur“, sagt Joachim Herrmann.

 ?? Foto: Bulent Kilic, afp ?? Anhängerin­nen der Terrormili­z Islamische­r Staat laufen unter der Aufsicht einer kurdischen Wachfrau durch ein Gefangenen­lager in Syrien.
Foto: Bulent Kilic, afp Anhängerin­nen der Terrormili­z Islamische­r Staat laufen unter der Aufsicht einer kurdischen Wachfrau durch ein Gefangenen­lager in Syrien.

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