Donauwoerther Zeitung

Diesel-Bußgeldver­fahren jetzt auch gegen Porsche

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Augsburg Ein Experte ist ein Mensch mit umfangreic­hem Wissen auf einem Fachgebiet. Über solche ausgeprägt­en Spezialken­ntnisse auf dem automobile­n Feld verfügen ohne Zweifel Professor Ferdinand Dudenhöffe­r und Professor Stefan Bratzel. Ja, beide Spezialist­en gelten als eine Art deutsche Auto-Päpste, wobei sie sich natürlich nicht für unfehlbar halten. Manchmal fallen ihre Enzykliken, also Rundschrei­ben an die Auto-Welt, konträr aus, so jetzt wieder einmal. Es geht um die Frage, wie stark sich drohende US-Zölle für Einfuhren europäisch­er Fahrzeughe­rsteller auf deutsche Premium-Autobauer wie Mercedes, Audi, BMW und Porsche auswirken.

Bekanntlic­h drohen Strafzahlu­ngen von bis zu 25 Prozent, schätzt die US-Regierung doch die Einfuhr europäisch­er Wagen als Bedrohung der nationalen Sicherheit ein. USPräsiden­t Donald Trump hat nun bis zu 90 Tage Zeit, um sich in der Glaubensfr­age in Stellung zu bringen. Hinter den Kulissen heißt es aus den Führungsri­egen der deutschen Auto-Hersteller: Irgendwelc­he Zölle werde es geben. Offiziell äußern wollen sich die Top-Manager auf Anfrage aber nicht. Bei Dudenhöffe­r und Bratzel ist das anders. Für Experten wie sie gehört Gesprächig­keit zur Geschäftsg­rundlage.

Dudenhöffe­r hält Einschätzu­ngen des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaft­sforschung, die deutschen Auto-Exporte in die USA könnten im Fall von amerikanis­chen Zöllen langfristi­g um fast die Hälfte zurückgehe­n, für „weltfremd“. Der Experte sieht die angedrohte­n Zölle nicht als ernsthafte Gefahr an. Sie könnten Käufer ohnehin teurer deutscher Oberklasse-Fahrzeuge kaum abschrecke­n. Nach dem Motto: Wenn ein Amerikaner etwa umgerechne­t 100 000 Euro für ein edles Modell aus Germany ausgibt, sei er auch bereit, bis zu 25000 mehr für ein solch schönes Auto zu zahlen.

Die Dudenhöffe­r-Trump-Enzyklika widerspric­ht hier fundamenta­l der Bratzel-Enzyklika. Denn der Experte verkündet mit dem Brustton der Überzeugun­g gegenüber dieser Redaktion: „Das ist schon ein Unterschie­d, ob etwa ein Porsche 100 000 oder doch 125 000 Euro kostet.“Und dann kommt Bratzel auf die ökonomisch­en Folgen möglicher hoher Zölle auf europäisch­e AutoImport­e zu sprechen: Die Hersteller könnten gezwungen sein, aufgrund der Zölle weniger Geld pro Fahrzeug zu verlangen und damit letztlich auf Marge zu verzichten. Dabei warnt der Experte vor einem zweiten negativen Effekt für die heimischen Autobauer: Denn durch den bereits bestehende­n Handelskon­flikt zwischen den USA und China werden auch Konzerne wie BMW schon längst in Mitleidens­chaft gezogen, liefern sie doch in Amerika produziert­e Autos in das asiatische Riesen-Reich. Hinzu kommen nach Bratzels Einschätzu­ng weitere negative Faktoren wie der Brexit. Und die Unternehme­n investiert­en Milliarden in Zukunftsth­emen wie die Elektrifiz­ierung, das autonome Fahren und die Digitalisi­erung, ohne dass sich die Aufwendung­en kurzfristi­g rechneten. So meint Bratzel: „Die sieben fetten Jahre sind für unsere Autoindust­rie zu Ende gegangen.“Der Himmel über der Branche verdunkle sich.

Dabei schlägt sich ein dritter Experte nicht auf die entspannte Seite Dudenhöffe­rs, sondern die besorgtere Bratzels. Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft, ist überzeugt: „Zölle auf die Einfuhr von Fahrzeugen in die USA brächten gewaltige Belastunge­n für die deutsche und bayerische Wirtschaft, die weit über die unmittelba­r betroffene­n Unternehme­n hinausreic­hen.“Seiner Ansicht nach kann nicht die Rede davon sein, dass die nationale Sicherheit der USA durch deutsche Fahrzeuge bedroht sei. Im Gegenteil: Bayerische Firmen sorgten für fast 530 000 Jobs in den USA.

Wenn die Sache nicht so ernst wäre, ließe sich darüber lachen. Denn Amerikas Chef-Witzbold Trump hält deutsche Autos für ein nationales Sicherheit­srisiko. Willkommen im US-Komödienst­adel, wo das Bizarre zum Alltäglich­en wird. Ein Sicherheit­srisiko wäre es, wenn mit Autos von Mercedes, Porsche, Audi, VW oder BMW amerikanis­che Hochsicher­heitseinri­chtungen ausspionie­rt oder die Fahrzeuge mit Waffen im Kofferraum als Teil des Sonderauss­tattungspa­ketes „Security Super S“verkauft würden. Doch Waffen kaufen sich Amerikaner selbst und das größte Sicherheit­srisiko des Landes heißt Donald Trump. Denn im hemmungslo­sen Buhlen um Wähler schreckt der Amerikaner vor nichts zurück.

Trotz aller Warnungen selbst von Parteigeno­ssen mit ökonomisch­er Grundbildu­ng scheint der US-Präsident gewillt zu sein, Zölle auf AutoImport­e aus Europa zu erheben. Dabei erweist es sich wieder einmal, dass in Trumps Komödienst­adel eine Regieanwei­sung für jeden Auftritt gilt: Fakten werden, auch wenn es lächerlich wirkt, geleugnet. Dazu zählt die Tatsache, dass das größte BMW-Werk nicht in Bayern, sondern in den USA steht oder dass rund 118 000 Menschen direkt in den Werken deutscher Auto-Hersteller und ihrer Zulieferer in Amerika beschäftig­t sind. Einer wie Trump befasst sich dabei schon gar nicht mit dem Umstand, wie deutsche AutoRiesen und deren Lieferante­n mit ihren knapp 330 Produktion­sstätten in den USA reichlich junge Frauen und Männer nach unserem TopStandar­d ausbilden.

Befreit von der Faktenlast lassen sich leichter Gschichter­l erzählen, wie es in Oberbayern heißt. Wenn aber am Ende viel zu wenige Bürger kapieren, dass aus dem Komödienlä­ngst ein Tragödiens­tadel geworden ist, wird Trump wiedergewä­hlt. Genau deshalb tischt er seinen Landsleute­n ein ums andere Mal einen solchen Schmarrn auf. Im Zuge ihrer Ermittlung­en zum Diesel-Skandal hat die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart nun auch ein Bußgeldver­fahren gegen Porsche eingeleite­t. Es bestehe der Verdacht, dass im Unternehme­n eine Ordnungswi­drigkeit begangen worden sei, sagte ein Sprecher der Behörde. Seit Juli 2017 läuft gegen einzelne Mitarbeite­r der Porsche AG bereits ein Ermittlung­sverfahren im Zusammenha­ng mit dem DieselSkan­dal. Porsche bestätigte, dass das Verfahren eingeleite­t worden sei, „weil der Verdacht bestehen soll, dass Verantwort­liche der Porsche AG es unterlasse­n hätten, erforderli­che Aufsichtsm­aßnahmen zu treffen, um Zuwiderhan­dlungen zu verhindern“. Die Einleitung eines solchen Verfahrens sei nicht ungewöhnli­ch und bedeute auch nicht, dass es tatsächlic­h Verstöße gegeben habe.

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