Schokolade veränderte ihr Leben
Porträt Die Süßigkeit half Julia Holecek aus einer Krise. Nun träumt die Nördlingerin von einer eigenen Manufaktur
Nördlingen Als Julia Holecek vor drei Jahren eine persönliche Krise hatte, half ihr Schokolade. Ein bisschen anders, wahrscheinlich, als den meisten anderen. Denn die 49-Jährige aß die Süßigkeit nicht nur – sie fing an, sie selbst herzustellen.
Holecek, braune Haare, blaue Bluse, graue Jeans und urlaubsgebräunt, legte in ihrer beruflichen Karriere schon einmal eine 180-Grad-Wendung hin. Nach ihrer Ausbildung zur Mediengestalterin arbeitete sie in einer Druckerei, einer Werbeagentur, machte sich selbstständig – mit wenig Erfolg, sagt sie. Dann kam ihre heute 17-jährige Tochter auf die Welt, Holecek arbeitete weniger, war unzufrieden. Ihre Lösung: Sie ließ sich zur Heilpraktikerin ausbilden. Vorbild war ihre große Schwester, die eine eigene Praxis führt. „Ich wollte ihr nacheifern“, sagt Holecek. Und die Arbeit mit den Patienten machte ihr Spaß. Doch irgendetwas fehlte.
Als dann vor drei Jahren ihre Beziehung in die Brüche ging, stellte die 49-Jährige auch ihre Karriere auf den Prüfstand. Sie fragte sich: Was möchte ich wirklich machen, was macht mich glücklich? Was folgte, war eine spirituelle Erfahrung, so beschreibt es die Nördlingerin. Spontan fiel ihr das Wort „Schokolade“ein. „Und ich hab das nicht infrage gestellt“, sagt sie.
Also klickte Holocek sich auf der Internetplattform Youtube durch Anleitungen, studierte Blogbeiträge und wälzte Bücher. Ihre größte Inspiration: „Kakao pur“der Allgäuerin Andrea Mast. Sie importiert seit Jahren Edelkakao von kleinen Plantagen in Südamerika und Asien. Über das Superfood Schokolade hat sie mehrere Bücher geschrieben. In Fortbildungen vermittelt sie das Handwerkszeug für Menschen, die Schokolade zum Beruf machen wollen. Holecek nahm an einem Seminar teil und wusste danach: Jetzt hat sie „ihrs“gefunden. Sie entwarf ein Logo, baute einen Webshop auf und verkaufte fortan unter dem Label „Schokoqueen“ihre Tafeln.
Glanz, Knacks und Schmelz. Fragt man Julia Holecek, sind das die drei Eigenschaften, an denen man ein gutes Produkt erkennt. Schokolade, das sei grundehrlich, kein Chichi, sagt die 49-Jährige. Die Kakaomasse mischen, das ist für sie Meditation, Zeit für sich selbst – Therapie. Schokolade machen, das ist, als zerlege man die Kakaobohne in ihre Einzelteile und setze sie dann wieder zusammen. Das klingt technisch, ist für Holecek aber ein sinnliches Ritual.
Wenn die 49-Jährige den Deckel der Vorratsdosen hebt, in denen Rohkakao und Kakaopulver lagern, legt sich der Duft über den ganzen Raum. Auch Vanille kitzelt in der Nase. Die Schokolade verlangt Präzision und Holeceks volle Aufmerksamkeit: Die Kakaobutter auf 50 Grad Celsius erhitzen, Zutaten abmessen, zusammenfügen und dann mit einem Holzlöffel rühren und rühren und rühren. Zwischendurch tropft die Nördlingerin eine kleine Portion auf ihren Handrücken und kostet. Für zehn Tafeln braucht sie ungefähr eine Stunde. Manchmal macht Holecek 50 Tafeln, manchmal zehn, je nach Bestellung. Für 50 Gramm nimmt sie 3,50 Euro. Viel verdient die 49-Jährige nicht daran. Schokolade ist ein Saisonprodukt. Im Winter essen die Leute gerne Schokolade, im Sommer herrscht Flaute. Deshalb hat Holecek ein weiteres Standbein: Sie gibt Schokoladenseminare auf Firmenfeiern oder Junggesellinnenabschieden. Nach einer kurzen Warenkunde dürfen die Teilnehmer ihre eigene Kakaomasse anrühren.
Holecek arbeitet daran, eines Tages von dem Geschäft mit der Schokolade leben zu können. Ihr Geld verdient sie weiterhin als Heilpraktikerin, an zwei Tagen pro Woche verkauft sie auf dem Markt Obst und Gemüse. Irgendwann möchte sie einen eigenen Laden haben, mit großer Küche, einem Verkaufsraum und einer Maschine, die Kakaobohnen röstet. Auch wenn sie von der Zukunft träumt, ist die 49-Jährige im Hier und Jetzt zufrieden. Wenn die Leute ihr mit glänzenden Augen erzählen, dass ihnen ihre Schokolade schmeckt: „Das ist irgendwie mein Leben“, sagt Holecek.