Donauwoerther Zeitung

Muss man Angst um die Bayern haben?

Champions League Der FC Liverpool ist klarer Favorit gegen die Bayern. Ein paar Details lassen aber vermuten, dass die Deutschen nicht chancenlos sein werden. Unter anderem, weil den Briten ein „Monster“fehlt

- VON TILMANN MEHL

Es müssen wahrschein­lich nicht die „paar hundert Prozent“sein, um die sich die Bayern steigern müssen, wie es Hasan Salihamidz­ic sagt. Die Erkenntnis­se aus dem Spiel gegen den FC Augsburg lassen jedoch vermuten, dass die Münchner mehr als nur eine dezente Optimierun­g ihrer Leistung benötigen, um sich am Dienstag in Liverpool eine Ausgangssi­tuation zu erspielen, die Hoffnung auf das Erreichen des Viertelfin­als in der Champions League lässt (21 Uhr, Sky). Die wichtigste­n Fragen zum Achtelfina­l-Hinspiel.

Auf der einen Seite dieses derzeit überragend­e Liverpool und auf der anderen die an sich selbst zweifelnde­n Münchner. Also ernsthaft: Woraus soll denn der geneigte BayernFan Optimismus beziehen?

Klingt seltsam angesichts der allgemeine­n Stimmungsl­age, aber: aus der momentanen Form der beiden Teams. Es ist ja nicht so, als wäre Liverpool der Konkurrenz in den vergangene­n Wochen entschwebt. Das Team verlor zum Jahresauft­akt gegen Manchester City und ließ anschließe­nd im FA Cup eine Pleite gegen das nicht der Übermacht verdächtig­te Wolverhamp­ton folgen. Zwei knappe Siege gegen Brighton Hove und Crystal Palace beruhigten die Gemüter, ehe die Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp gegen Leicester und West Ham nur unentschie­den spielte. Zuletzt dann: ein 3:0 gegen Bournemout­h. Der Sieg liegt dann auch schon wieder zehn Tage zurück. Seitdem bereitet sich das Team auf die Münchner vor. „Das ist ein Vorteil für die Bayern. Es gibt für mich nichts Wichtigere­s als Rhythmus“, sagt Dietmar Hamann. Er spielte in seiner Karriere für beide Mannschaft­en und gewann unter anderem die Champions League.

Aber Liverpool hat mit Sadio Mané, Mohamed Salah und Roberto Firmino die wahrschein­lich imposantes­te Offensive Europas. Bei einem Blick auf die Münchner Defensive …

… kann einem angst und bange werden. Nun haben offensicht­lich Mats Hummels und David Alaba zu einer Form gefunden, die den Ansprüchen eines Champions-LeagueAcht­elfinals gerecht wird, da nähren Joshua Kimmich und Niklas Süle den Verdacht, der kommenden anspruchsv­ollen Aufgabe nicht vollumfäng­lich zu entspreche­n. Allerdings blieben auch Liverpools Stürmer bislang in der Champions League den Beweis schuldig, gegnerisch­e Abwehrreih­en hemmungslo­s auseinande­rzubasteln. Salah (3 Tore), Firmino (2) und Mané (1) erzielten zusammen sechs Treffer in der Gruppenpha­se. Robert Lewandowsk­i alleine traf acht Mal.

Na ja, aber eben gegen Lissabon, Amsterdam und Athen. Nicht zwingend Güteklasse A. Da steht die Defensive Liverpools aber ganz anders.

Na ja. Klar, in der Liga stellt Liver- die beste Abwehr. In der Liga spielen aber nicht nur die Manchester Citys dieser Welt, sondern auch Fulham, Huddersfie­ld oder Burnley. In der Champions League wiederum kassierten die Briten sieben Gegentore in sechs Spielen – die Münchner nur fünf. Dazu kommt: Klopp muss auf seinen wichtigste­n Abwehrspie­ler verzichten. Virgil van Dijk fehlt wegen einer Gelbsperre. „Ich kenne keinen Abwehrspie­ler, der seine Mitspieler derart besser macht wie er. Er ist ein echtes Monster“, so Hamann. Das Monster ließ sich Liverpool vor einem Jahr 80 Millionen Euro kosten, was den Niederländ­er zum teuersten Abwehrspie­ler der Welt machte. Der Rest der Liverpoole­r Viererkett­e: hochwertig­e Stangenwar­e – aber nichts aus der Luxusabtei­lung. So spielt dort unter anderem der ehemalige Schalker Joel Matip in der Innenverte­idigung.

Dann also immer schön die Abwehr unter Druck setzen, auf die eigene Ballkontro­lle bauen und Liverpool gar nicht erst angreifen lassen?

Klingt nach einem tollen Plan. So einfach ist es dann aber doch nicht. Die Liverpoole­r lassen sich nicht gerne permanent einschnüre­n. Dafür ist ihr Spiel von Klopp zu energetisc­h konzipiert. Sollten sich die Engländer aber doch mal zurückfalp­ool len lassen: Obacht! Sie machen das gerne, um ihren schnellen Angreifern zu genug Raum in der gegnerisch­en Hälfte zu verhelfen. Und wenn es eine augenschei­nliche Schwäche der Münchner in den vergangene­n Wochen gab, dann eklatantes Unvermögen in der Konterabsi­cherung.

Wie sollen dann am besten Aufstellun­g und Taktik der Münchner ausschauen?

In den vergangene­n Jahren zeichnete die Bayern eine übergeordn­ete Strategie aus. Sie wollten den Ball haben. Immer. Und wenn er doch mal verloren wurde, dann an entlegenen Orten, die keinerlei Anschlussv­erbindunge­n zum Tor von Manuel Neuer hatten. Mittlerwei­le ist der Stil beliebiger geworden. Auf erdrückend­e Überlegenh­eit ist er jedenfalls nicht ausgericht­et. Ein Mittelfeld mit Thiago, James und Leon Goretzka würde so zwar manch feine Kombinatio­n verspreche­n, nicht aber unbedingt die notwendige Balance in der Mitte des Spielfelds. Stattdesse­n könnte Javi Martínez zurück in die Mannschaft rücken. Am Wellenbrec­her vergangene­r Tage haben zwar Jahre und Verletzung­en Spuren hinterlass­en, er genießt aber immer noch hohes Ansehen in der Mannschaft und wäre wegen seines rückwärtsg­ewandten Denkens möglicherw­eise die bessere Wahl. Dann würde James nur der Platz auf der Bank bleiben. „Die Bayern müssen tief stehen“, glaubt Hamann. Nur dann könnten sie Liverpools Offensive kotrollier­en. Zugleich böten sich dann wohl Räumer für Kingsley Coman und Serge Gnabry. Allein: Die Münchner sind nicht für ihre Konterküns­te bekannt.

Angenommen die Bayern halten nun also wirklich mit, könnte dann die Stimmung im Stadion an der Anfield Road den Ausschlag für Liverpool geben?

Woher soll man so etwas denn vorher wissen? Es ist davon auszugehen, dass die Atmosphäre beeindruck­end wird. Das war sie beispielsw­eise auch im Champions-LeagueFina­le 2013 (das die Bayern gewannen). Oder im WM-Halbfinale 2014 in Brasilien gegen Brasilien (das einen aus deutscher Sicht erfreulich­en Ausgang fand). Es würde zumindest überrasche­n, wenn sich die Münchner von den Fans einschücht­ern ließen.

 ?? Foto: Witters ?? Jürgen Klopp stand im vergangene­n Jahr mit Liverpool im Finale der Champions League. Und verlor es. In diesem Jahr ist der Trainer entschloss­en, auch noch das abschließe­nde Spiel dieses Wettbewerb­s zu gewinnen. Auf dem Weg dorthin muss nun erst mal der FC Bayern beseitigt werden.
Foto: Witters Jürgen Klopp stand im vergangene­n Jahr mit Liverpool im Finale der Champions League. Und verlor es. In diesem Jahr ist der Trainer entschloss­en, auch noch das abschließe­nde Spiel dieses Wettbewerb­s zu gewinnen. Auf dem Weg dorthin muss nun erst mal der FC Bayern beseitigt werden.
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