Donauwoerther Zeitung

Theresa May spielt eine neue Karte im Brexit-Poker

Großbritan­nien Warum die Premiermin­isterin nun doch noch Zugeständn­isse machen will

- VON KATRIN PRIBYL

London Ob Theresa May tatsächlic­h eine Revolte abwenden konnte, wird sie erst am heutigen Mittwoch erfahren. Die britische Premiermin­isterin startete einen beinahe verzweifel­ten Versuch, die angesichts der tickenden Uhr ungeduldig werdenden Rebellen in der eigenen Partei zu besänftige­n, und versprach Zugeständn­isse. Wieder einmal. Nur dieses Mal wandte sie sich zur Abwechslun­g nicht an die lautstarke­n Brexit-Hardliner, sondern an jene in ihren Reihen, die befürchten, Großbritan­nien könnte ohne Abkommen aus der EU scheiden. Nun hat May eine Abstimmung über eine Verschiebu­ng des Brexits in Aussicht gestellt. Wird das reichen, um eine weitere politische Krise im ohnehin krisengesc­hüttelten Königreich zu verhindern?

Seit Wochen fordern etliche Abgeordnet­e einen Aufschub, um das No-Deal-Szenario auszuschli­eßen, vor dem insbesonde­re die Wirtschaft massiv warnt. Jetzt also gab May zumindest in einigen Teilen nach. In einem Statement im Unterhaus kündigte sie an, die Parlamenta­rier bis zum 12. März erneut über den zwischen London und Brüssel ausgehande­lten Deal abstimmen zu lassen. Im Januar hatte die Regierungs­chefin eine historisch­e Schlappe im in der Europafrag­e völlig zerstritte­nen Parlament erlitten. Seitdem versucht sie, bei der EU Änderungen zu erreichen und die verschiede­nen Lager in London auf einen Kompromiss einzuschwö­ren.

Bislang ohne Erfolg. Sollte es in zwei Wochen abermals zu einer Niederlage kommen, möchte May in einem nächsten Schritt dem Parlament die Wahl geben, ob das Königreich ohne Abkommen aus der Staatengem­einschaft scheiden soll. Derzeit gibt es keine Mehrheit für einen ungeregelt­en Brexit. Lehnt das Unterhaus auch diese Option ab, will die Premiermin­isterin über eine Verschiebu­ng des Austrittst­ermins am 29. März abstimmen lassen. In diesem Falle müsste die britische Regierung die EU um Aufschub bitten. EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk hat sich bereits offen für diese Möglichkei­t gezeigt. Was aber passiert, wenn das Parlament auch den letzten Weg ausschlägt, ist offen.

Vor Mays Wende hatten Medien berichtet, dass bis zu 15 Parlamenta­rische Staatssekr­etäre gewillt seien, von ihren Ämtern zurückzutr­eten, sollte die Premiermin­isterin ihr Spiel auf Zeit fortführen, ohne einen chaotische­n Brexit auszuschli­eßen. Mit einer Verschiebu­ng ist das Problem aber keineswegs gelöst, Westminste­r schiebe es vielmehr weiter vor sich her, betonen Kritiker. Alle Lager sind mittlerwei­le tief gespal-

Das britische Parlament erhält eine neue Option

ten in ihren Forderunge­n, wie es weitergehe­n soll. Eine Einigung auf einen mehrheitsf­ähigen Kompromiss scheint weit entfernt.

Der Druck auf May kommt nicht nur aus ihrer Fraktion, sondern auch von der Opposition. In einer überrasche­nden Kehrtwende stellte sich die Labour-Führung unter Jeremy Corbyn hinter die Forderung nach einem zweiten Referendum. Zunächst aber wollen die Sozialdemo­kraten dafür kämpfen, den „schädliche­n Tory-Brexit“zu verhindern und in ihrem Sinne zu ändern. Der Antrag, den Labour am heutigen Mittwoch ins Parlament einbringen will, sieht vor, dass Großbritan­nien dauerhaft in einer Zollunion mit der EU bleibt und eng an den Binnenmark­t angelehnt ist.

Bislang hatte Corbyn ein zweites Referendum stets unmissvers­tändlich abgelehnt, obwohl führende Labour-Politiker als auch viele Mitglieder an der Basis dafür warben. Nachdem vergangene Woche neun Abgeordnet­e die Partei unter anderem aus Protest gegen den BrexitKurs von Labour verlassen hatten, geriet die Führung unter massiven Druck. Um einen Exodus zu vermeiden und weitere Parlamenta­rier vom Überlaufen abzuhalten, gab Corbyn schlussend­lich nach, auch wenn bislang nicht klar ist, wie sich der linke Opposition­schef ein zweites Referendum genau vorstellt und welche Optionen zur Abstimmung stehen würden.

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Foto: afp Premiermin­isterin Theresa May muss an allen Brexit-Fronten kämpfen.

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