Donauwoerther Zeitung

Noch immer können sich Doping-Sünder zu sicher fühlen Leitartike­l

Die Razzia in Seefeld hat einmal mehr gezeigt, wie notwendig ein Anti-Doping-Gesetz war. Auf Selbstrein­igungskräf­te darf niemand setzen

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Es schmerzt jedes mal wieder. Denn obgleich die Enttäuschu­ng mittlerwei­le eine alte Bekannte ist, lässt sie sich deshalb nicht leichter ertragen. Jetzt eben in Seefeld. Mitten hinein in das Idyll der Nordischen Ski-WM platzte die Razzia österreich­ischer und deutscher Ermittler. Doping. Spritzen, Kanülen, Blutbeutel – das volle Besteck. Der naive Glaube an einen sauberen Sport? Verhöhnt. Einmal mehr stellt sich die Frage: Was soll das alles noch?

Dem Pessimiste­n sei gesagt, dass auch in Seefeld Sportler an den Start gehen, deren Blut nicht monatelang im Kühlschran­k lag. Der Optimist aber muss mal wieder erfahren, dass weitaus mehr betrogen wird, als er glauben will.

Dass die Sportler sogar auf frischer Tat dabei erwischt wurden, wie sie sich ihr eigenes Blut in den Körper zurückpump­en ließen, lässt tief blicken. Sie müssen sich sehr sicher gefühlt haben, um während einer Weltmeiste­rschaft nahe der Wettkampfs­tätten mit der Nadel im Arm auf dem Zimmer zu sitzen. Bislang hatten Doper aber auch wenig zu befürchten. Die Mauer des Schweigens stand. Strafermit­tler prallten immer wieder daran ab.

Es bedurfte auch in Seefeld – ähnlich wie schon in Sotschi, als das russische Staatsdopi­ng aufflog – der Recherche von investigat­iven Journalist­en, ehe etwas passierte. Sie sorgten dank der Aussagen des österreich­ischen Langläufer­s Johannes Dürr für einen Anfangsver­dacht, den die Staatsanwä­lte benötigten, um aktiv werden zu können. Glückliche­rweise gibt es in Österreich, ebenso wie in Deutschlan­d, ein Anti-Doping-Gesetz, das derartige Ermittlung­en möglich macht. Internatio­nal ist das die Ausnahme.

In den Sportverbä­nden ist das Entsetzen groß. Mal wieder. Am Donnerstag­nachmittag sah sich der Österreich­ische Skiverband genötigt, per Pressemitt­eilung zu erklären, was man in den vergangene­n Jahren alles gegen Doping unternomme­n habe. Zitat: Der ÖSV ist ein Vorzeigeve­rband in der DopingPräv­ention. Mit Blick auf die Geschehnis­se in Seefeld muss einem das wie blanker Hohn vorkommen. Im Deutschen Skiverband wurde eifrigst darauf hingewiese­n, dass es keine Verbindung zu dem in Erfurt verhaftete­n Arzt gebe. Subtext: Das waren die anderen. Noch sind keine deutschen Sportler in den Skandal verwickelt. Dafür aber ein Arzt aus Erfurt.

Ihn zu enttarnen, wäre ohne das Anti-Doping-Gesetz nicht möglich gewesen. Dabei hatten die Sportverbä­nde mit aller Macht versucht, es zu verhindern. Als das Gesetz Ende 2015 in Kraft trat, war dem ein jahrelange­s Ringen vorausgega­ngen. Lobbyisten hatten bis zuletzt dagegen gearbeitet. Sie argumentie­rten, der Sport könne sich selbst um seine Probleme kümmern. Kann er nicht, wie Seefeld wieder zeigt. Selbst die Politik hatte irgendwann den Glauben an dessen Selbstrein­igungskräf­te verloren.

Hartnäckig vertreten viele Funktionär­e weiterhin die (ach so praktische) Theorie des verblendet­en Einzeltäte­rs. Charakters­chwach hat der den Verlockung­en des Geldes nicht widerstehe­n können. Das ist Humbug. Unabhängig­e Experten wie Fritz Sörgel sprechen schon davon, dass das in Seefeld und Erfurt aufgedeckt­e Dopingsyst­em größere Ausmaße haben könnte, als das staatlich orchestrie­rte in Russland. Bislang hatten sich die Westeuropä­er zurückgele­hnt und auf die bösen Russen gezeigt.

In Erfurt sollen jetzt aber jede Menge Beweise beschlagna­hmt worden sein, die das russische Dopingsyst­em zwar nicht besser, die moralische Selbstüber­schätzung aber hinfällig machen könnten. Am heutigen Freitag will das österreich­ische Bundeskrim­inalamt weitere Auskünfte geben. Es wird schmerzen. Mal wieder.

Bislang haben wir stets auf die bösen Russen gezeigt

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