Donauwoerther Zeitung

Feuriger Engel des Rock

Porträt Als Sänger der Band The Who gab Roger Daltrey in den 60ern der Rebellion der Jugend eine Stimme. Nun, mit 75, sieht er mit anderen Augen auf das Leben

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Tja, Mr. Daltrey, da ist ja nun wohl nichts draus geworden aus der Selbstverp­flichtung – „Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde“–, jetzt, da Sie am heutigen 1. März 75 Jahre alt werden? Die Frage nach der berühmten Zeile aus dem Song „My Generation“der englischen Rockband The Who hat Roger Daltrey natürlich schon bei früheren Anlässen gestellt bekommen, und er hat sie schlau beantworte­t: Dieses „I hope I die before I get old“habe sich schon immer mehr auf den Verstand als auf den Körper bezogen. Letztes Jahr hat er im Spiegel konkretisi­ert: „Es geht darum, offen zu bleiben, noch zu brennen für eine Sache.“

In den 60er, 70er Jahren haben Daltrey und seine Bandkolleg­en ohne Zweifel gebrannt für ihre Musik. Dass sie bei ihren Auftritten jeweils das Equipment zerlegten, war damals das Markenzeic­hen von The Who, vor allem Gitarrist Pete Townsend und Schlagzeug­er Keith Moon traktierte­n ihre Instrument­e wie verrückt. Bei Leadsänger Daltrey schwang die rebellisch­e Attitüde in der Stimme mit, messerscha­rf schnitt sie im August 1969 in die Nacht von Woodstock, zu dessen Festival-Legendenst­atus auch The Who einiges beigetrage­n hat. Überhaupt waren LiveAuftri­tte eine Stärke der Band, und Daltrey hatte auch optisch etwas zu bieten. Mit seiner blonden Lockenprac­ht zur nackten Brust und mit dem vorzugswei­se getragenen fransigen Überwurf wirkte er wie der feurige Engel des Rock.

Geboren wurde Daltrey 1944 in London. Auf dem Gymnasium schloss er sich mit Pete Townsend und Bassist John Entwistle zu einer Band zusammen. Daltrey flog allerdings von der Schule und musste sich zunächst als Schlosser durchschla­gen, bevor die Karriere der Band, die sich inzwischen in The Who umbenannt hatte, so richtig Fahrt aufnahm. Mit den Who-Kollegen ging Daltrey durch die branchenüb­lichen Höhen und Tiefen einer Superband. Nach Jahren des Erfolgs, unter anderem mit der Rockoper „Tommy“, gab es Auflösungs­tendenzen und Soloprojek­te, auch bei Daltrey. Der probierte eine Zeit lang die Schauspiel­erei als zweites Standbein, mimte unter anderem in einem Biopic den Komponiste­n Franz Liszt. Der Musik hat er aber nie abgeschwor­en. Letztes Jahr gab es nach langer Abstinenz mal wieder ein Soloalbum, und mit Pete Townsend – Moon und Entwistle sind seit längerem tot – geht Daltrey in diesem Frühjahr als The Who in den USA auf Tour, sogar eine neue Platte ist geplant.

Daltrey hat schon recht, wenn er für sich beanspruch­t, offen durchs Leben zu gehen, sich dem Wandel nicht zu verweigern. Den Rebellen etwa hat er längst an den Nagel gehängt, ist solide geworden – in zwei Jahren feiern er und seine Frau, mit der er drei Kinder hat, goldene Hochzeit. „Man wird einfach erwachsen“, hat er schon vor Jahren verlautbar­t. Und noch den schönen Satz dazu geliefert: „Man schaut plötzlich durch das richtige Ende vom Teleskop aufs Leben, und alles macht Sinn.“Stefan Dosch

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Foto: dpa

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