Donauwoerther Zeitung

Schlechte Nachrichte­n aus Hanoi

„Manchmal muss man einfach gehen“, sagt Donald Trump und lässt den Gipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un in Vietnam platzen. Statt eines „Deals“bleibt nur Enttäuschu­ng – und die Frage nach der Schuld

- VON FELIX LEE

Hanoi Der Tisch fürs Mittagesse­n war gedeckt, die Zeremonie für den feierliche­n Abschluss vorbereite­t. Mit dicken Füllern sollten US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un in dem prächtig geschmückt­en Saal des Regierungs­gästehause­s in Hanoi am frühen Nachmittag eine Schlusserk­lärung unterzeich­nen. Das war jedenfalls der Plan.

Doch dann betrat am späten Vormittag Sarah Sanders, die Sprecherin des Weißen Hauses, das Pressezent­rum. Das Mittagesse­n sei gestrichen, die Abschlussz­eremonie ebenso, teilte sie mit. Kim Jong Un habe Hanoi bereits verlassen. Die Pressekonf­erenz mit Präsident Trump werde vorgezogen. Auf Live-Bildern des Gipfels ist zu sehen, wie einigen der aus aller Welt angereiste­n Journalist­en für einen kurzen Moment der Atem stockt. Dann wird Sanders mit Fragen bombardier­t. Vergeblich. Hektisch verlässt sie den Raum wieder.

Das ernüchtere­nde Ergebnis der bizarren Momente: Trump und Kim haben ihren zweiten Gipfel vorzeitig abgebroche­n. Gegen Mit- tag stellt sich der US-Präsident der Presse und nennt die Gründe. Sie konnten sich bei der Frage der Aufhebung der Wirtschaft­ssanktione­n nicht einig werden, teilte er mit versteiner­ter Miene mit. Kim Jong Un wollte, dass sämtliche Sanktionen gelockert werden, die wegen des Atom- und Raketenpro­gramms verhängt sind. Als Gegenmaßna­hme habe der Nordkorean­er angeboten, den Nuklearrea­ktor Yongbyon zu schließen. Das aber reichte dem USPräsiden­ten nicht aus. Er habe Kenntnis von weiteren Anlagen. „Ich denke, er (Kim) war überrascht, dass wir darüber Bescheid wussten“, sagte Trump. Er habe sich ausführlic­h mit Außenminis­ter Mike Pompeo beraten. „Das konnten wir nicht machen“, sagte Trump. Daraufhin sei es zum Abbruch des Gipfels gekommen.

Der US-Präsident betonte, der Abgang sei freundlich erfolgt und versichert­e, sein persönlich­es Verhältnis zum nordkorean­ischen Machthaber sei weiterhin gut. „Wir mögen uns einfach“, sagte Trump. Es gebe eine „Wärme“in ihrer Beziehung. „Und ich hoffe, dass das so bleibt.“Nur manchmal müsse man einfach gehen.

Und dies sei einer jener Momente gewesen. „Besser gar kein Deal als ein schlechter.“Kim habe ihm aber zugesagt, dass sein Land die Atomwaffen­tests nicht wieder aufnehmen werde. „Kim wird keine Raketen testen oder irgendetwa­s, was mit Atom zu tun hat.“Die Verhandlun­gen würden fortgeführ­t. Auf Nachfrage, wann es zu einem weiteren Treffen kommen werde, antwortete Trump: Derzeit sei nichts Weiteres vorgesehen. Pompeo betonte, beide Seiten lägen näher beieinande­r als noch 36 Stunden zuvor. Er rechne mit weiteren Fortschrit­ten in den nächsten Tagen und Wochen. Kim äußerte sich nicht. In der Regel lässt die nordkorean­ische Führung erst Tage später über ihre Staatsmedi­en eine Stellungna­hme veröffentl­ichen.

Joseph Yun, Analyst des USFriedens­instituts, gibt Trump die Schuld am Scheitern des Gipfels. Sein Stab sei nicht ausreichen­d vorbereite­t gewesen auf den Gipfel. Weder verfolge die amerikanis­che Regierung eine einheitlic­he Linie, noch gebe es einen Fahrplan für die Verhandlun­gen. Stoisch zu wiederhole­n, was Kim für ein großartige­r Führer sei, reiche eben nicht, kritisiert­e Yun auf CNN.

Vor allem in Südkorea ist die Enttäuschu­ng groß über den vorzeitige­n Abbruch. Zunächst hieß es aus südkoreani­schen Regierungs­kreisen: Man sei „perplex“. Trump und Kim hätten „mehr bedeutende Fortschrit­te erzielt als je zuvor“, erklärte das Präsidiala­mt in Seoul einige Stunden später. Südkoreani­sche Medien berichten jedoch, dass Präsident Moon Jae In „entsetzt“auf den Ausgang reagiert habe. Moon habe fest mit konkreten Ergebnisse­n gerechnet. Selbst den Abschluss einer Friedenser­klärung mit Nordkorea hielt er in Hanoi für möglich.

Seit dem Ende des Korea-Kriegs 1953 befinden sich Südkorea und die USA offiziell im Kriegszust­and mit Nordkorea. Moon hat sich in den vergangene­n Monaten besonders intensiv um eine Verständig­ung mit dem Kim-Regime bemüht, dafür im eigenen Land aber auch jede Menge Kritik einstecken müssen. Seine Gegner sehen sich nun bestätigt.

Aber auch die chinesisch­e Führung reagierte überrascht. Die Gespräche in Hanoi hätten einen „unerwartet­en“Ausgang genommen, sagte der Sprecher des Außenminis­ters in Peking. Sein Land hoffe, der Dialog zwischen den USA und Nordkorea werde fortgesetz­t. Der offizielle­n Lesart zufolge begrüßt die chinesisch­e Führung die Annäherung­spolitik zwar. Hinter den Kulissen befürchtet man jedoch, bei den Verhandlun­gen außen vorgelasse­n zu werden. China ist Nordkoreas einziger Verbündete­r. Mehr als 90 Prozent des nordkorean­ischen Handels läuft über den großen Nachbarn. Das Verhältnis zwischen Peking und Pjöngjang verschlech­terte sich, nachdem Kim 2013 die Macht übernommen hatte. Erst seit einigen Monaten nähern sich die beiden „Bruderstaa­ten“wieder an.

Die Führung in Peking will nicht, dass Nordkorea eine eigenständ­ige Nuklearmac­ht ist. Eine noch stärkere Präsenz der Amerikaner lehnt sie jedoch ebenfalls ab. Zumindest einigen Leuten dürfte der Ausgang in Hanoi also doch gefallen.

Felix Lee, geboren und aufgewachs­en in Deutschlan­d, arbeitete als Wirtschaft­s- und Politikred­akteur bei der taz. Seit 2012 ist er ChinaKorre­spondent in Peking und berichtet von dort nun auch für uns.

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Foto: Kim Won Jin, afp Nordkorean­ische Studenten informiere­n sich über die Gespräche von US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.
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