Donauwoerther Zeitung

„Ausverkauf bei DuMont wäre eine Bankrotter­klärung“

Wie ein Experte die Neuausrich­tung des Kölner Traditions­hauses bewertet

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Zwölf Generation­en lang lebte die Familie DuMont davon, dass Menschen Zeitung lesen. Regionalbl­ätter und Druckereie­n machten die Verleger zu einer der reichsten Familien des Landes. Jetzt prüfen sie offenbar den Verkauf mehrerer Regionalze­itungen, die ihr Medienhaus mit Sitz in Köln im Lauf vieler Jahrzehnte übernommen hatte. Auch Druckereie­n und Anzeigenbl­ätter wolle DuMont loswerden, wie der Branchendi­enst Horizont berichtet. Das Medienhaus selbst hat sich bislang nicht zu den Details möglicher Verkaufspl­äne geäußert. Eine Sprecherin sagte nur: Ziel sei, „die zukunftsfä­hige Aufstellun­g des Unternehme­ns sicherzust­ellen“. An den Standorten Köln, Halle, Berlin und Hamburg arbeiten rund 3900 Menschen. Was ein Verkauf für sie bedeuten würde, weiß bisher noch niemand.

Dass DuMont nicht mehr in die Zukunftsfä­higkeit seiner Regionalze­itungen vertraut, ist für Leonard Novy, Co-Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikat­ionspoliti­k in Köln, ganz klar ein hausgemach­tes Problem. „Der Ausverkauf bei DuMont wäre eine Bankrotter­klärung der Verantwort­lichen, denen es jenseits von immer neuen PR-Floskeln nicht ansatzweis­e gelungen ist, ein zukunftsfä­higes Modell für ihr Kerngeschä­ft zu finden und dem dramatisch­en Auflagensc­hwund etwas entgegenzu­setzen“, sagte Novy unserer Redaktion.

Viele Zeitungshä­user in Deutschlan­d stehen vor der Herausford­erung, in einer digitalisi­erten Welt sinkende Abonnement-Zahlen der gedruckten Zeitung aufzufange­n, etwa durch E-Paper und digitale Zusatzange­bote. Oft gelingt das auch. „Nicht allen Zeitungen geht es schlecht“, betont der Medienexpe­rte. „Teilweise werden immer noch hohe Renditen eingefahre­n, wird bessere Qualität denn je geliefert. Aber das Geschäftsm­odell ist kein Selbstläuf­er mehr.“

Das wurde bei DuMont – wo der langjährig­e Patriarch Alfred Neven DuMont vor knapp vier Jahren verstarb – offenbar lange unterschät­zt. Zum Haus gehören unter anderem Hamburger Morgenpost, Berliner Kurier und Berliner Zeitung. In Köln besitzt DuMont Kölner Stadt-Anzeiger und Express – zwei Zeitungen mit langer Tradition. Dass das Verlagshau­s dort sein Potenzial nicht zu nutzen wusste, verwundert Novy: „Wer aus Köln kommt, ist mit Express und Kölner Stadt-Anzeiger aufgewachs­en. Dort hätte man wirklich neue Ansätze entwickeln können, wie man veränderte­n Lesererwar­tungen und dem digitalen Wandel begegnen kann, statt digitale Innovation mit Ausfallsch­ritten in nichtjourn­alistische Geschäftsm­odelle zu verwechsel­n.“

Seit Ende 2018 setzt DuMont unter Vorstandsc­hef Christoph Bauer verstärkt auf die zwei Geschäftsf­elder Business Informatio­nen und Marketing Technology. Ersteres bereitet Daten für Firmen auf, das andere verkauft Software für Vertrieb und Kommunikat­ion in Unternehme­n – dabei ist die Bindung zwischen Leser und Regionalze­itung oft weiterhin eine sehr enge. Medienexpe­rte Novy vergleicht die Einstellun­g von Lesern zu ihrer Zeitung mit der zu einem „lieb gewonnenen Möbelstück“– einem aber, das man pflegen muss: „Letztlich müssen wir uns, einzeln wie als Gesellscha­ft, die normativ wie praktisch entscheide­nde Frage beantworte­n: Was ist uns ein unabhängig­er, profession­eller Journalism­us wert?“

 ?? Foto: Oliver Berg, dpa ?? Der „Express“ist eines der Aushängesc­hilder des Verlags.
Foto: Oliver Berg, dpa Der „Express“ist eines der Aushängesc­hilder des Verlags.

Newspapers in German

Newspapers from Germany