„Ausverkauf bei DuMont wäre eine Bankrotterklärung“
Wie ein Experte die Neuausrichtung des Kölner Traditionshauses bewertet
Augsburg Zwölf Generationen lang lebte die Familie DuMont davon, dass Menschen Zeitung lesen. Regionalblätter und Druckereien machten die Verleger zu einer der reichsten Familien des Landes. Jetzt prüfen sie offenbar den Verkauf mehrerer Regionalzeitungen, die ihr Medienhaus mit Sitz in Köln im Lauf vieler Jahrzehnte übernommen hatte. Auch Druckereien und Anzeigenblätter wolle DuMont loswerden, wie der Branchendienst Horizont berichtet. Das Medienhaus selbst hat sich bislang nicht zu den Details möglicher Verkaufspläne geäußert. Eine Sprecherin sagte nur: Ziel sei, „die zukunftsfähige Aufstellung des Unternehmens sicherzustellen“. An den Standorten Köln, Halle, Berlin und Hamburg arbeiten rund 3900 Menschen. Was ein Verkauf für sie bedeuten würde, weiß bisher noch niemand.
Dass DuMont nicht mehr in die Zukunftsfähigkeit seiner Regionalzeitungen vertraut, ist für Leonard Novy, Co-Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik in Köln, ganz klar ein hausgemachtes Problem. „Der Ausverkauf bei DuMont wäre eine Bankrotterklärung der Verantwortlichen, denen es jenseits von immer neuen PR-Floskeln nicht ansatzweise gelungen ist, ein zukunftsfähiges Modell für ihr Kerngeschäft zu finden und dem dramatischen Auflagenschwund etwas entgegenzusetzen“, sagte Novy unserer Redaktion.
Viele Zeitungshäuser in Deutschland stehen vor der Herausforderung, in einer digitalisierten Welt sinkende Abonnement-Zahlen der gedruckten Zeitung aufzufangen, etwa durch E-Paper und digitale Zusatzangebote. Oft gelingt das auch. „Nicht allen Zeitungen geht es schlecht“, betont der Medienexperte. „Teilweise werden immer noch hohe Renditen eingefahren, wird bessere Qualität denn je geliefert. Aber das Geschäftsmodell ist kein Selbstläufer mehr.“
Das wurde bei DuMont – wo der langjährige Patriarch Alfred Neven DuMont vor knapp vier Jahren verstarb – offenbar lange unterschätzt. Zum Haus gehören unter anderem Hamburger Morgenpost, Berliner Kurier und Berliner Zeitung. In Köln besitzt DuMont Kölner Stadt-Anzeiger und Express – zwei Zeitungen mit langer Tradition. Dass das Verlagshaus dort sein Potenzial nicht zu nutzen wusste, verwundert Novy: „Wer aus Köln kommt, ist mit Express und Kölner Stadt-Anzeiger aufgewachsen. Dort hätte man wirklich neue Ansätze entwickeln können, wie man veränderten Lesererwartungen und dem digitalen Wandel begegnen kann, statt digitale Innovation mit Ausfallschritten in nichtjournalistische Geschäftsmodelle zu verwechseln.“
Seit Ende 2018 setzt DuMont unter Vorstandschef Christoph Bauer verstärkt auf die zwei Geschäftsfelder Business Informationen und Marketing Technology. Ersteres bereitet Daten für Firmen auf, das andere verkauft Software für Vertrieb und Kommunikation in Unternehmen – dabei ist die Bindung zwischen Leser und Regionalzeitung oft weiterhin eine sehr enge. Medienexperte Novy vergleicht die Einstellung von Lesern zu ihrer Zeitung mit der zu einem „lieb gewonnenen Möbelstück“– einem aber, das man pflegen muss: „Letztlich müssen wir uns, einzeln wie als Gesellschaft, die normativ wie praktisch entscheidende Frage beantworten: Was ist uns ein unabhängiger, professioneller Journalismus wert?“