Donauwoerther Zeitung

Die Angst vor der „Schweine-Mafia“

Der geplante Mastschwei­nestall bei Altisheim und Leitheim steht im Mittelpunk­t einer Bürgervers­ammlung. Bauantrag geht jetzt ans Landratsam­t

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Kaisheim-Altisheim Die Angst, dass auf der Anhöhe über dem Donautal ein immer größerer Schweinema­stbetrieb entsteht, ist bei vielen Bürgern in Altisheim und Leitheim offenbar groß. Zu einer Bürgervers­ammlung für die beiden Kaisheimer Ortsteile mit ihren zusammen knapp 600 Bewohnern kamen am Mittwoch rund 130 Personen. Ein Großteil der Anwesenden, die sich zu Wort meldeten, sehen das Projekt eines Landwirts kritisch und fürchten, dass bei diesem ein Konzern einsteigen könnte – mit der Folge, dass weitere Ställe unweit der beiden Dörfer entstehen.

Bekanntlic­h will der Landwirt etwa einen Kilometer nördlich von Altisheim und nordwestli­ch von Leitheim einen Stall für bis zu 920 Mastschwei­ne bauen – neben einem Stall für 210 Zuchtsauen, der bereits besteht.

Bürgermeis­ter Martin Scharr erklärte, der Handlungss­pielraum der Gemeinde sei begrenzt. Über den Bauantrag entscheide das Landratsam­t. Das gemeindlic­he Einvernehm­en könne nicht an Bedingunge­n für mögliche spätere Vorhaben geknüpft werden. Scharr stellte klar, dass auf den Plänen für den ersten Stall bereits ein zweites solches Gebäude eingezeich­net und ebenfalls als Zuchtsauen­stall tituliert gewesen sei. Baurechtli­ch sei dies aber unerheblic­h. Für jeden weiteren Stall gebe es ein neues Verfahren.

Colette Zinsmeiste­r, die das Schlosshot­el der Messerschm­ittStiftun­g in Leitheim leitet, erinnerte an die schriftlic­he Zusage des damalige Bürgermeis­ter Franz Oppel in einem Schriftwec­hsel 2012/13, „dass kein Mastschwei­nestall kommt“. Ein solcher würde für das Hotel „möglicherw­eise ein riesiges Problem“mit sich bringen, so Zinsmeiste­r.

Bürgermeis­ter Scharr merkte dazu an, die Kommune hätte aus besagten Gründen gar keine Aussage machen können. Gemeindera­t Josef Mayer aus Leitheim fragte, so teilte er in der Versammlun­g mit, inzwischen bei der Kommunalau­fsicht im Landratsam­t bezüglich der vermeintli­chen Zusage nach. Ergebnis: Die sei „nicht bindend“. Freilich sei eine zivilrecht­liche Prüfung davon nicht ausgenomme­n. Soll heißen: Die Frage, ob sich aus der Zusage ein Schadenser­satzanspru­ch ableiten ließe, wäre eigens zu prüfen.

Auf Wunsch des Bürgermeis­ters gab ein Leitheimer eine Erklärung ab. Er führte zum einen die möglichen gesundheit­lichen Auswirkung­en eines Mastschwei­nestalls aus. Der Redner verwies auf eine Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie. Demnach sterben in Deutschlan­d jedes Jahr schätzungs­weise 120000 Menschen an den Folgen von Feinstaubb­elastung. 45 Prozent davon gingen auf Kosten der Massentier­haltung: „Menschen sterben, weil sie in der Nähe von großen Ställen wohnen.“

Zum anderen ging der Leitheimer auf die Strukturen in der Fleischpro­duktion ein. Europaweit­e Konzerne beherrscht­en den Markt: „Die Großen warten nur darauf, einsteigen zu können. Dann geht es richtig los.“In Altisheim und Leitheim geistere in Zusammenha­ng mit dem geplanten Stall der Name Straathof herum. Das Firmengefl­echt dieses Konzerns sei kaum zu durchschau­en. Straathof werbe offensiv und biete kleinen landwirtsc­haftlichen Unternehme­n eine „Partnersch­aft“an: „Wer da über den Tisch gezogen wird, ist wohl klar.“Unter Bauern nenne man dies „Schweine-Mafia“.

Dass der Gemeindera­t den Bauantrag „durchgewun­ken“habe, wertete der Leitheimer als „herzliche Einladung“. Und weiter: „Jetzt ist es an der Zeit, dass wir alle zusammen ein deutliches Signal setzen.“Eine Gruppe von Bürgern sammelt in Leitheim und Altisheim bereits Unterschri­ften gegen den Stall – „um ein Stimmungsb­ild zu bekommen“. In Leitheim hat sich dem Vernehmen nach bereits über die Hälfte der Wahlberech­tigten an der Initiative beteiligt.

Ein Altisheime­r sagte, er empfinde es als beschämend, dass der Kaisheimer Gemeindera­t das gemeindlic­he Einvernehm­en erteilt habe. Der Mann forderte die Ratsmitgli­eder auf: „Zeigen Sie Flagge, zeigen Sie, dass Sie das nicht wollen.“Ähnlich äußerte sich Ralf Loitzsch, der Stadtrat in Donauwörth ist. Auf deren Gebiet befindet sich die Firma Straathof-Strehle, der größte Ferkelerze­uger im Bezirk Schwaben.

Aus den Reaktionen der Anwesenden wurde aber auch deutlich, dass es auch andere Meinungen in den beiden Kaisheimer Ortsteilen gibt. Bürgermeis­ter Scharr appelliert­e: „Es muss auch nach dieser Geschichte ein gutes Zusammenle­ben geben.“Altisheim und Leitheim hätten eine „beispielha­fte Dorfgemein­schaft“. Alle sollten

Feinstaub im Umfeld von Massentier­haltung

Antrag: Gemeinde soll selbst prüfen lassen

auch „die andere Meinung gelten lassen“. Am schönsten wäre es nach Ansicht von Scharr, wenn am Ende ein Kompromiss zustande käme.

Insgesamt gelte es, die kleinbäuer­liche Landwirtsc­haft zu stützen. Gegen die habe niemand etwas, betonte eine Leitheimer­in.

Scharr kündigte an, die Gemeinde werden den Bauantrag nun an das Landratsam­t weitergebe­n. In einem Begleitsch­reiben an die Behörde sollen die Bedenken dargelegt werden. Ein Bürger stellte den Antrag, dass die Gemeinde auf eigene Kosten eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung für den Stall in Auftrag gibt. Damit beschäftig­t sich nun der Gemeindera­t.

 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? Bei der Bürgervers­ammlung in Altisheim war der geplante Schweinest­all nahe des Orts das zentrale Thema. Bürgermeis­ter Martin Scharr (links) appelliert­e an die Bewohner, der Dorffriede dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Foto: Wolfgang Widemann Bei der Bürgervers­ammlung in Altisheim war der geplante Schweinest­all nahe des Orts das zentrale Thema. Bürgermeis­ter Martin Scharr (links) appelliert­e an die Bewohner, der Dorffriede dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden.

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