Donauwoerther Zeitung

Abschied vom Gasthaus zum Hirsch

Carmen und Martin Trollmann haben jahrzehnte­lang erfolgreic­h das Megesheime­r Lokal geführt. Doch jetzt steigen die beiden aus dem Geschäft aus

- VON RONALD HUMMEL

Megesheim 1893 wurde das Gasthaus zum Hirsch in der Megesheime­r Hauptstraß­e erbaut und mehrere Generation­en lang von der Familie Trollmann betrieben. Bis

30. April dieses Jahres müssen alle Gutscheine eingelöst werden, im Mai ist endgültige­r Terminanna­hmeschluss, dann hören Carmen und Martin Trollmann als Wirtsleute auf. „Das war früher eine echte Bauernwirt­schaft, mit Klo auf dem Hof und ohne Heizung“, erinnert sich Martin Trollmann. „Im Winter herrschte eine schrecklic­he Kälte; im Saal oben musste man einen Tag vorher den Ofen anschüren und es zog immer noch.“

1989/90 bauten seine Eltern dann komplett um – der Hauptbau wurde renoviert und um einen großen Anbau erweitert. „Bei dieser Größenordn­ung braucht ihr eine zusätzlich­e Fachkraft“, riet der Hotel- und Gaststätte­nverband dringend; die Mutter konnte sich unmöglich wie bisher allein um die Küche kümmern. Also trat Martin Trollmann, der zuvor in Oettingen eine Lehre als Großhandel­skaufmann abgeschlos­sen hatte, eine Lehre als Koch im Ohmenheime­r Hotel zur Kanne an. Dort lernte er seine Frau Carmen kennen, die hier Hotelfachf­rau lernte. Frisch ausgebilde­t stürzten sie sich in die völlig neu gestaltete Wirtschaft. „Die erste Kirchweih 1990 war ein Waterloo“, lacht er nach fast 30 Jahren. „Der letzte Handwerker ging raus und der erste Gast kam rein, die ganzen Küchengerä­te waren neu, es hatte sich noch keinerlei geregelter Ablauf einge- Ein bisschen hinkt der Vergleich mit Napoleons letzter Schlacht, denn es war alles andere als ein Untergang.

Im Gegenteil: „Es ging explosions­artig los, an den meisten Samstagen gab es Hochzeiten.“So konnte das Paar 1995 erst im November heiraten; in diesem Jahr wurden 30 fremde Hochzeiten ausgericht­et und es war kaum Zeit für die eigene. Alles florierte: Der Stammtisch hatte zu Glanzzeite­n 15 Mitglieder, das Tagesessen zu Mittag war der Renner bei Handwerker­n, Angestellt­en, Rentnern und Touristen, Familienfe­ierlichkei­ten, Partyservi­ce, alles wurde mehr und mehr. Der Betrieb geriet zum Selbstläuf­er: „Je mehr Autos draußen parkten, umso mehr Leute wurden neugierig, was drinnen los ist“, sagt Carmen Trollmann.

Auch bei Faschings- und Kabarettve­ranstaltun­gen quoll der Saal mit seinen bis zu 200 Plätzen über: Oft war er schon halb voll, bevor die Kasse überhaupt besetzt war. Was immer die Trollmanns anfassten, es lief großartig und die Veranstalt­ungen kollidiert­en zuweilen. So musste der Tanztee mit Livemusik am Sonntagnac­hmittag wieder abgesetzt werden, weil immer mehr Faspielt.“ milien kamen. Es liest sich schon zwischen den Zeilen: Der Stress wurde immer größer, obwohl genug zuverlässi­ges Personal aus dem Dorf und der Umgebung bereitstan­d, zum Teil auch auf Abruf. „Für uns gab es keinen Feiertag, kein Wochenende, kein Familienle­ben“, fasst es Carmen Trollmann zusammen. Und ihr Mann fügt hinzu: „Nachts ins Bett und früh wieder bereitsteh­en – das hält man nicht bis zum normalen Rentenalte­r durch.“Sie zeigen noch keine Erschöpfun­gserschein­ungen, wollen aber auch

Nachfolger stehen noch nicht fest

nicht warten, bis es an die Substanz geht, deshalb steigen die beiden aus dem Geschäft aus.

Der erste Schritt dazu: Sie bauen im Ort ein Haus für sich, wollen aus der Wohnung über der Wirtschaft ausziehen, weil sie sicher sind, dass neue Wirtsleute nachfolgen. Wer, steht noch nicht fest – die beiden Töchter und der Sohn helfen bis zum heutigen Tag fleißig mit, gehen aber ihre eigenen Wege und die Erste studiert schon. Wirkliche Sorgen um eine Nachfolge machen sich die Trollmanns nicht, wohl aber die Gäste: Die Gerüchtekü­che läuft so heiß wie die im Gasthaus. „Wann immer ein Wirtskolle­ge unter den Gästen gesehen wird oder wir uns irgendwo mit einem unterhalte­n, heißt es sofort, der übernimmt jetzt den Hirsch“, so Martin Trollmann. Um das Fortbesteh­en des legendären und florierend­en Wirtshause­s muss sich wohl niemand sorgen.

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Foto: Hummel Carmen und Martin Trollmann haben jahrzehnte­lang das Megesheime­r Gasthaus zum Hirsch betrieben. Jetzt steigen sie aus dem Geschäft aus.

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