Sie bleibt eben ein Püppchen
Barbie wird 60 – doch passt sie noch in die Zeit?
„Du siehst aus wie Barbie.“Blaue Augen, blondes Haar, volle Lippen – hach, sie ist so feminin. Viele Frauen würden das als Kompliment empfinden, schließlich produziert die Us-firma Mattel ihre Kultpuppe nach westlichen Schönheitsstandards. Frauenbewegungen sehen den Satz wohl eher als Beleidigung, reduziert er Frauen doch auf eine bestimmte Optik – mehr Identität bekommen sie nicht.
Dabei haben sie lange für mehr gekämpft: Mitbestimmen, wählen gehen – daraus entstand der Weltfrauentag. Mittlerweile nutzen Frauen weltweit den 8. März, um ihre Errungenschaften zu feiern, aber auch, um mehr Gerechtigkeit zu fordern. Mehr zu den Demos finden Sie in der Politik. Michael Schreiner schreibt im Leitartikel über Geschlechteridentität in der Sprache.
Auch Mattel versucht, sich dem Zeitgeist anzupassen: Barbies gibt es in „kurvig“, als Ärztin, als Flugpionierin Amelia Earhart. Vor wenigen Tagen brachte das Unternehmen noch mehr Barbie-einzelstücke berühmter Frauen heraus, darunter die im Rollstuhl sitzende Bahnrad-olympiasiegerin Kristina Vogel. Das wäre ein Vorstoß in die richtige Richtung, hätten die Puppen nicht eines gemeinsam: makelloses Gesicht, tolles Haar, lange Beine. Ohne Accessoires weiß man nicht, welche Berühmtheit es sein soll. Die „kurvigen“Barbies sehen aus wie eine Frau, die Größe 38 trägt. Alles wohlproportioniert, immer noch. Die neuen, ach so revolutionären Barbies bilden also keineswegs die Frauen von heute ab – die Führungskräfte, Künstlerinnen und Mütter dieser Welt, die klug und witzig sind, egal, ob sie XXL oder XS tragen. Barbie gibt es nun seit 60 Jahren und sie bleibt eben ein Püppchen.
Augsburg Du kannst alles sein: Ärztin, Bauarbeiterin, sogar Präsidentin. Du kannst dunkle Haut haben und einen Afro tragen – besser wäre aber, du wärst blond und hellhäutig. Du darfst dafür etwas breiter gebaut sein, „Plus-size“tragen. „Du kannst alles sein“, damit bewirbt die Firma Mattel ihre berühmte Barbie. An diesem Samstag wird die Kultpuppe 60 Jahre alt. Es gibt kaum ein Kind, das Barbara Millicent Roberts nicht kennt. Seit 1959 ist die Puppe mit dem Spitznamen Barbie auf dem Markt: große Augen, Stupsnäschen, lächelnder Mund mit rosa oder rotem Lippenstift, Grübchen am Kinn. Nach westlichen Standards die perfekte Schönheit.
Aber nicht die Realität – das bemängeln zahlreiche Kritiker. Bei ihren Beschwerden liegt der Fokus oft weniger auf dem Gesicht, sondern auf Barbies Körper. Ihre Maße wurden schon an der ersten Ausführung kritisiert: 99-46-84. Nicht nur Anlass zur Kritik – Barbie vermittle Mädchen ein falsches Frauenbild – sondern auch unrealistisch: Wissenschaftler fanden heraus, dass eine Frau mit Barbies Maßen im Unterleib keinen Platz für die nötigen Organe hätte.
Unrealistische Maße, perfektes Gesicht – und vor allem: weiß. Seit 1980 gibt es Barbie aber auch als afroamerikanische oder hispanische Version. Mattel wollte damit Kindern dieser Herkunft Puppen bieten, mit denen sie sich identifizieren konnten. Bereits seit den späten 60er Jahren, in Zeiten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegungen stellte die Firma „Christie“und „Francie“her, Barbies dunkelhäutige Freundinnen. Der Großteil der Puppen heutzutage hat aber immer noch helle Haut.
1997 brachte Mattel für wenige Jahre Becky auf den Markt, Barbies Freundin, die im Rollstuhl saß. Dieser war barbiepink – passte aber leider nicht durch die Türen des Barbie-traumhauses. Becky verwandelte sich von der Rollstuhlfahrerin in eine Fotografin. Erst vor zwei Tagen brachte Mattel erneut eine Puppe im Rollstuhl als Einzelstück heraus: Bahnrad-olympiasiegerin Kristina Vogel. 2001 gab es eine Barbie, deren Hand „Ich liebe Dich“auf Gebärdensprache zeigte. Trotz neuer Hautfarben und Veränderungen, die sie inklusiver machen sollten, hatten alle Puppen immer noch eines gemeinsam: perfekte Gesichtszüge und eine Wespentaille.
durfte Barbie schon in den 60er Jahren mehr sein als Modepuppe. Sie übte verschiedene Berufe aus, hatte Hobbys und Interessen. „Von Astronautin bis Zoologin – es gibt keine Plastikdecke, die Barbie nicht durchstoßen hat“, heißt es auf der Website der Puppe. Der Begriff „Plastikdecke“– ein Wortspiel aus Barbies Material und der sogenannten gläsernen Decke, im engeren Sinn eine Metapher für die Tatsache, dass Frauen oft nicht in Führungspositionen aufsteigen können. Über die Puppe sagt Mattel außerdem: „Sie erweckt die endlosen Möglichkeiten in jedem Mädchen.“
Wenn diese in ihren Möglichkeiten ausgebremst würden, dann nur, weil Medien und Erwachsene ihnen vorgaukeln, sie wären nicht so klug wie Jungen. Diese Behauptung verimmerhin öffentlichte das Unternehmen auf der Website – mit dem Versprechen, dagegen vorzugehen: 2016 reagierte Mattel auf die Kritik an Barbies Erscheinung und veröffentlichte die Serie „The Doll Evolves“, zu deutsch: Die Puppe entwickelt sich weiter. Barbie gibt es nun laut Website in vier Körpertypen – groß, klein, Plus-size und Original – mit sieben Hautfarben, 22 Augenfarben und 24 Frisuren. Amerikanische Medien wie die New York Times deuteten die Strategie als Reaktion auf sinkende Verkaufszahlen.
Neben neuen Körpertypen gibt es die Serie „Inspirierende Frauen“, in der Barbie Persönlichkeiten wie Frida Kahlo, Säbelfechterin Ibtihaj Muhammad – mit Kopftuch – oder das sogenannte „Plus-size“-model Ashley Graham verkörpert. Dass die Frida-puppe bis auf die Frisur nichts mit der Malerin gemein hat, führte dazu, dass Kahlos Großnichte gegen Mattel vorging. Grahams Barbie-version ist die einzige ohne sogenannte Thigh Gap, ohne Lücke zwischen den Oberschenkeln. Das ist bei anderen Modellen, die unter dem Typ „kurvig“laufen, nicht der Fall. Sieht man „Curvy Barbie“, wirkt sie wie eine Frau, die Größe 38 trägt. Erst im Vergleich mit Original-barbie fällt die „Plus-size“auf.
Es geht aber nicht nur um ihre Maße, sondern auch darum, was sie trägt. Denn trotz der vielen Berufe, die Barbie ausüben durfte, war sie doch vor allem eins: eine Anziehpuppe. Millionen Kinder, aber auch Designer-größen wie Karl Lagerfeld und Oscar de la Renta kleideten die Plastik-schönheit – Letztere in Haute Couture. Luxusmode aus teuren Materialien trug Barbie schon zu Beginn ihrer Karriere – bis Mattel merkte, dass die Puppe so nur für Kinder reicher Eltern zugänglich war. Fortan fand man in Barbies Garderobe Sneaker, bunte Farben, Kleidung aus Synthetikstoffen, die Jugendliche der unteren Schichten trugen. Die Puppe ging und geht mit der Zeit: Aktuell trägt Barbie ein T-shirt mit dem Slogan „Love wins“aus der Lgbtq-bewegung, die sich unter anderem für gleichgeschlechtliche Liebe einsetzt.
Barbies Liebesleben war von der langjährigen Beziehung zu Ken geprägt, einem Plastik-jüngling, den es mittlerweile auch in schmal, normal und breit gibt. Die Beziehung der beiden, die die Band „Aqua“im Lied „Barbie Girl“besang, ging 2004 in die Brüche. Barbie datete Blaine. 2011 folgte die Versöhnung, nachdem Mattel Ken auf dem realen New Yorker Times Square per Banner seine Liebe bekunden ließ. Vielleicht feiern Barbie und Ken zusammen den 60. Geburtstag: „Come on, Barbie, let’s go party!“
Immer wieder wurde Barbie kritisiert