Unsere künftigen Lebensgefährten
Eine preisgekrönte Dokumentation zeigt im Kino, wie weit humanoide Roboter bereits entwickelt sind: „Hi, AI“. Im Interview spricht die Regisseurin Isa Willinger über die Ängste und die Einsamkeit des Menschen
Welche Auswirkungen wird künstliche Intelligenz auf unser Leben generell haben? – diese Frage ist mit vielen Ängsten besetzt. Für Ihren Film haben Sie konkret recherchiert, wie weit die Entwicklung menschenähnlicher Roboter ist. Haben Ihre Erlebnisse die Sorgen eher vermehrt oder eher entschärft?
Isa Willinger: Sie sind differenzierter geworden. Es wird einem schnell klar, dass die großen Katastrophenszenarien von Robotern, die sich an den Menschen rächen, uns mit bösem Willen unterjochen, wirklich eher Stoff für Hollywood sind. Wenn es eine große Gefahr in der Künstlichen Intelligenz gibt, dann sehe ich die in der Möglichkeit einer Superintelligenz, die übermenschliche Fähigkeiten hat. Wenn einer solchen unser Wertesystem nicht akribisch einprogrammiert wurde, könnte sie uns beim Versuch, unsere Wünsche zu erfüllen, missverstehen. Nick Bostrom hat darüber geschrieben, dass so eine Superintelligenz beim banalen Auftrag, viele Büroklammern herzustellen, aus ihrer Optimierungslogik heraus den ganzen Planeten als Ressource für ihren Auftrag benutzen könnte und uns dabei quasi wie aus Versehen aus dem Weg räumen würde. Aber eine Superintelligenz kann einfach in einem Computer stecken, das sind körperlose und selbstlernende Algorithmen.
Welche differenzierteren Sorgen sind es aber dann bezüglich der Roboter?
Willinger: Das sind etwa Fragen wie die Datensicherheit, weil sich die Maschinen ja mit Kameras und Mikrofonen in unserer Privatsphäre bewegen werden. Und das Problem, inwiefern wir nicht manipuliert werden könnten, im Sinne der Werbung etwa, weil doch auch hier wieder ein paar wenige Konzerne den Markt bestimmen könnten. Aber auch die Gefahr der Empathielosigkeit. Anders als bei einem Haustier wären Eltern wohl nicht so streng, wenn ihre Kinder einen Spielzeugroboter etwa schlagen. Aber was für ein Verhalten trainiert sich das Kind dabei an? Denn Menschen, auch Er- wachsene, nehmen humanoide Maschinen ja gerade als etwas Wesensähnliches wahr, das macht ja ihren Reiz aus. Droht da nicht, eine Grenze zu verwischen? Und dann ist da natürlich auch die Frage möglicher menschlicher Isolation, die gestellt werden muss durch den Einsatz von Robotern.
Eine der beiden Roboter-hauptdarsteller in Ihrem Film ist Pepper. Die eher spielzeug- als menschenähnlich aussehende Maschine soll einer alten Frau in Japan Gesellschaft leisten und verhindern, wie sie selbst sagt, dass sie verkalkt. Das klingt ja nachvollziehbar. Aber wirkt das nicht auch gleichzeitig befremdlich, ja sehr, sehr traurig?
Willinger: Aber die Roboter machen hier ja nichts schlimmer, denn schlimm ist die Wirklichkeit für viele alte Menschen sowieso. Wenn ein alter Mensch durchschnittlich fünf Stunden am Tag vor dem Fernseher sitzt, so ist das eine traurige Vorstellung. Im Vergleich dazu ist Pepper animierender, weil die Frau ja mit ihm interagiert. Ein Roboter der Zukunft könnte Spiele spielen und mit der alten Frau vielleicht sogar gemeinsam fernsehen und sich dann mit ihr über das Gesehene unterhalten. Er könnte belebend wirken, und eventuell mehr Freude in so eine Situation bringen. Man könnte das auch als Chance sehen, Menschen aus einer gewissen Apathie und Passivität rauszuholen. Ich möchte keinesfalls Werbung für Roboter machen, sondern eigentlich nur unsere Vorstellungskraft öffnen, denn wir denken ja automatisch immer an die negativen Seiten dieser uns unbekannten Technologie.
Dann dürfen solche Roboter aber doch gerade nicht den Menschen ersetzen. Wer den Pflegenotstand durch Maschinen beheben will, wird die Verhältnisse nicht sozialer machen…
Willinger: Nein, natürlich sollten die Roboter nur Ergänzungen sein, also bessere Unterhaltungsmedien, kein Ersatz für Menschen. Ein japanischer Forscher sagte mir sogar, er glaube, Roboter könnten uns sogar wieder mehr zum Gespräch untereinander anregen. Wenn ein Roboter mit am Tisch säße, dann tauchten die Leute nicht mehr so sehr in ihre Smartphones ab. Roboter können, so gesehen, sogar einen Ausstieg aus der virtuellen Welt und ihren Suchtmechanismen bieten. Die Technik ist jedenfalls nicht per se schlecht. Allerdings kann sie eben zum Problem werden, wenn sie ins menschliche Beziehungsgefüge negativ eingreifen sollte – und wenn sie eben Menschen ersetzt. Darin liegt im größeren Rahmen ja überhaupt die gesellschaftliche Herausforderung Das Ende der Gewissheiten im Umgang mit der künstlichen Intelligenz. Sie wird zwar auch neue Arbeitsplätze schaffen, aber vor allem erst mal viele ersetzen, weil sie eben effizienter und schneller funktioniert. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir Menschen das Gefühl für Sinn und Zweck im Leben verlieren, wenn Algorithmen uns einmal alles abnehmen können, bis in die kreativen Berufe hinein.
Ihr Film zeigt aber auch, dass manches für uns Menschen Alltägliche für die Roboter noch unfassbar kompliziert ist. Und da geht es nicht um so etwas wie das Bewusstsein unserer Selbst…
Willinger: …von dem ja noch fraglich ist, ob es Maschinen je erreichen können. Nein, es beginnt bereits beim Gehen und beim Greifen, das die Forscher vor große Probleme stellt. Und man wird in der Tat demütig vor der Natur und der Evolution, wenn man das sieht. Und man begreift auch, wie sehr uns als Menschen gerade auch unser Körper und unser Empfinden ausmachen, wie auch unser Denken davon geprägt ist. Auch unsere Sterblichkeit und unser Bewusstsein darüber. So könnten die Roboter auch zu einer neuen Wertigkeit des Menschlichen führen. In einem optimistischen Szenario könnte eine menschliche Leistung vielleicht einmal sehr viel wert sein, in einer Welt, in der Roboter viele Aufgaben erfüllen.
Was uns zum zweiten Roboter-hauptdarsteller führt. Es ist Harmony, nicht nur ein ziemlich weiblicher Sex-, sondern viel mehr schon ein sehr realistisch gestalteter Partner-roboter, dessen Charaktereigenschaften sogar regelbar sind. Sie zeigen, wie ein Mann namens Chuck für eine Woche mit ihr auf Reisen geht. Da wird aber doch wirklich wesentlich Menschliches ersetzt…
Erst mal wirkt das so, ja. Aber, wenn man Chucks traumatische Lebensgeschichte erfährt, zeigt sich hier, dass unsere Vorbehalte auch viel mit Vorurteilen zu tun haben. Denn Chuck hätte ja viel lieber eine menschliche Partnerin. Aber er kann das eben noch nicht. Vielleicht hilft ihm also gerade Harmony …
Aber ist Chuck da nicht ein Sonderfall? Die Motivation der meisten Käufer dürfte doch eher woanders liegen.
Willinger: Wir hatten während der Recherche mit mehreren solchen Männern Kontakt – und bei fast allen ging es sehr stark um eine existenzielle Einsamkeit, aus der sie nicht herauskamen. Einer etwa benutzte eine Atem-app, die er auf seinem Smartphone nachts aktivierte und neben sich legte, um das Gefühl zu haben, da liege jemand mit ihm im Bett, er sei nicht allein. Die Roboter machen hier also eher ein Problem sichtbar, aber sind es nicht selbst. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass die meisten Männer beziehungsweise Menschen die Partnerschaft mit einem Roboter einer Partnerschaft mit anderen Menschen vorziehen würden. Wir wollen von einem Partner ja verstanden werden in unserem ganzen Sein, mit unseren menschlichen Ängsten und Freuden, mit unserer biologischen Körperlichkeit.
Aber
sie
könnten
die
Probleme
auch verstärken, weil sie Fluchten statt Lösungen ermöglichen und daran großes Geschäft geknüpft ist. Es wirkt viel mehr wie ein offener Feldversuch, oder?
Willinger: So könnte man sagen, ja. Anderseits: Sind wir nicht immer bei Feldversuchen? Das Gute ist in diesem Fall, dass wir relativ früh dran sind, uns über die Entwicklungen und ihre möglichen Auswirkungen Gedanken zu machen. Dass wir nicht einfach überrollt werden, wie das bei den Smartphones der Fall war, die unser Leben gewaltig verändert haben – woran das verspätete Grummeln jetzt auch nichts mehr ändert. Aber bis Roboter in unseren privaten Haushalten sein werden, werden wohl noch 15 bis 20 Jahre vergehen – allein schon wegen des Wartungsaufwands wäre das im Moment noch nicht möglich. Zunächst werden sie uns in öffentlichen Räumen wie in Supermärkten und Banken begegnen …
Japan und die USA scheinen ohnehin weiter zu sein – während bei uns die kritische Haltung gepflegt wird?
Willinger: Ja, und das hat auch kulturelle Gründe. In Japan gehört im Shintoismus der Gedanke, dass auch die unbelebte Welt beseelt sein kann, zur Tradition. Und die Amerikaner sind einfach fortschrittsbegeistert und schauen mit ihrem Blick auf neue Möglichkeiten lieber nach vorn. Aber es ist auch gut und wichtig, dass diese Dinge kritisch hinterfragt werden. Ich begrüße das hiesige kritische Denken schon sehr. So kann beides zusammenkommen: Ein offener, nicht von stumpfen Sorgen verstellter Blick auf die Möglichkeiten und eine sich hoffentlich allmählich herauskristallisierende Haltung, was wir wollen und was wir nicht wollen.
Interview: Wolfgang Schütz
38, studierte an der Filmhochschule München und wurde für „Hi, AI“mit dem Maxophüls-preis geehrt.
Unter uns Stammtischschwestern und Stammtischbrüdern herrscht ja landauf, landab die Meinung, es gebe zu wenig Polizisten. Alle wissen, wo es zuvörderst im Argen liegt: bei der Verfolgung der Internet-kriminalität etwa oder in gewissen Vierteln von Berlin und Dortmund, in die sich die Staatsgewalt nur mehr in Kompanie-stärke traut. Einerseits. Andererseits müssen wir aber auch begründet zu dem Eindruck gelangen, dass sich der Ordnungshüter und Wachtmeister – auch ohne die Kraft seiner Lenden – zurzeit wie das Karnickel vermehrt. Wir sind nicht mehr nur ein einig Volk aus Bundestrainern, das es stets besser weiß als der amtierende Coach aus dem schwarzen Wald; wir scheinen mittlerweile auch ein einig Volk aus Polizisten.
Soeben verwies Sigmar Gabriel eine Phalanx aus schwer bewaffneten Humorpolizisten in ihre Grenzen, da fahnden schon andere Polizisten-trupps nach noch schlimmeren Straftaten, als der Humor eine darstellt. Auch der Sprachpolizist geht seinen Dienstobliegenheiten nach und auf Patrouille und gegen Verstöße vor. Indem er Sternchen, Underline und Schrägstriche auch in Pluralbildungen einführt. Und der Musikpolizist notiert auf seinem Streifengang, dass er aus dem einen offenen Fenster die Musik von diesem Michael Jackson gehört hat, aus dem anderen offenen Fenster eine Opernaufnahme, die James Levine dirigierte, aus dem dritten Fenster eigenhändig komponierte Barockmusik des Mörders Gesualdo. Und die Töne aus dem vierten offenen Fenster waren auch nicht ohne: Sie stammten von Werner Egk!
Das darf doch alles zumindest nicht ohne Beipackzettel genossen werden! Und damit legen wir den Finger in die Wunde der vielen, vielen Humor-, Sprach-, Musikund sonstigen Kunst- und Kinopolizisten: Noch fehlt ihnen ein gerüttelt Maß an Strafen. Verbieten wollen geht zwar. Aber nicht das Durchgreifen. Es fehlen Schlagkraft und Paragrafenwerk. Ist Letzteres erst einmal vorhanden, dann sind wir auch ein einig Volk aus Straftätern – ohne Sternchen, Underline, Schrägstrich.