Die Lebensbeichte des Konstantin Wecker
Kulturfrühling Der bekannte Musiker und Schauspieler eröffnet im Gymnasium Donauwörth vor 200 Besuchern die Reihe. Dem Publikum gewährt der 71-Jährige tiefe Einblicke in sein Leben
Donauwörth Er ist ein Mann mit Ecken und Kanten. Einer, bei dem sich die Geister scheiden und über den diskutiert wird. Aber genau das möchte Konstantin Wecker. Außer Frage steht, dass mit ihm ein sehr bekannter, wenngleich auch oft umstrittener Musiker Deutschlands den Donauwörther Kulturfrühling mit seiner Lesung aus seiner Biografie „Die Kunst des Scheiterns“eröffnet. An diesem Abend erzählt der Liedermacher vor allem aus seinem facettenreichen Leben, hin und wieder gibt er auch etwas Musikalisches zum Besten.
Kaum betritt Wecker die Bühne, erklärt er den Menschen in der Aula des Gymnasiums, wie wichtig es ist, Widerstand zu leisten. „Es ist sehr wichtig, seine Meinung zu sagen, und die Poesie hat dabei einen hohen Stellenwert. Sie scheint in den Herrschenden etwas zu wecken, was die Herrschenden nicht wollen – wahrscheinlich ist es Menschlichkeit.“
Seine Eltern seien für seine Entwicklung damals von entscheidender Bedeutung gewesen. „Mein Vater verweigerte in einer Zeit den Militärdienst, in der das quasi unmöglich war – nämlich zur Kriegszeit. Er hat nicht eingesehen, warum er einen Menschen erschießen soll, den er überhaupt nicht kennt“, erzählt der Liedermacher, der anfügt, seine Eltern seien Humanisten gewesen und hätten stets „im Herzen widerstanden“und viel mit ihm diskutiert. „Sie mussten mich ertragen und haben mich getragen“, erklärt Wecker poetisch.
Wecker selbst zeigte sich bereits früh rebellisch. Bereits mit 14 Jahren ist er häufig ausgerissen, er hätte damals einfach ein Problem mit dem Schulsystem gehabt und wollte frei sein, sagt er heute lachend. „Ich wollte in die Freiheit und als Dichter leben und bin von München nach Augsburg gefahren, in die freie Welt“, merkt Konstantin Wecker an, was vom Publikum mit einem lauten Lachen quittiert wird. Es ist ein humorvoller Auftritt des mittlerweile 71-Jährigen, der sich an diesem Abend nicht nur als großartiger Rhetoriker präsentiert, sondern auch sein Unterhaltungstalent wiederholt unter Beweis stellt.
„Bereits mit 19 Jahren musste mich mein Vater in meinem Heimatgefängnis München-Stadelheim besuchen“, berichtet er. Damals habe er die Kasse eines Freundes geplündert und sei nach Norddeutschland durchgebrannt. „Das war meine erste Bild-Zeitung-Überschrift“, meint er lachend.
Die Geburt seines ersten Kindes hat Wecker die Augen geöffnet, erklärt er. Zu dem Zeitpunkt war er bereits 50 Jahre alt – ein Moment, in dem er auch beschloss, „erwachsen zu werden“.
In seine Tätigkeit als Schauspieler gewährt der Musiker ebenfalls einen Einblick. So erzählt er, wie er in einer Berliner Kneipe von einem Produzenten entdeckt wurde, über erste Rollen, wie er sich für eine Rolle die Haare blond färben musste und dann als „Blondie“in der Stammkneipe verhöhnt wurde, bis zu seinem eher versehentlichen Engagement in der Softpornoszene. „Ich wurde damals relativ schnell für eine Rolle ausgesucht und bekam viel Geld angeboten. Wie mir später klar wurde, habe ich das Kleingedruckte nicht genau gelesen und wir sind nicht in Richtung Filmstudios gefahren, wie ich es ursprünglich erwartet hatte, sondern nach Pasing in eine Garage. Dort warteten zwei Damen und ein Bett auf mich, dazu kam, dass ich von einem norddeutschen Schauspieler synchronisiert wurde. Es war zwar alles nur angedeutet, das hat aber trotz dem guten Geld mehr Narben bei mir im Kopf hinterlassen, als ich es ursprünglich wahrhaben wollte“, erklärt er lachend.
Wecker spielte aber auch in größeren Produktionen mit, wie in der bekannten BR-Serie „Kir Royal“, zu der er nicht nur die Musik gestaltete, sondern auch eine Szene mit Senta Berger spielen durfte. Auch mit dem US-Schauspieler Peter Fonda stand er schon vor der Kamera. Freilich wurde er mit seiner Musik deutlich bekannter als durch seine Schauspielerei, das räumt Wecker auch selbst ein. „Ich war nie ein guter Schauspieler, aber was ich in den Jahren auch gelernt habe, ist: Unter einem guten Regisseur kann ein Darsteller nicht schlecht sein und da hatte ich oft Glück.“
Ein weiteres Kapitel seines Lebens, das mit am meisten für Diskussionen um seine Person sorgte, ist Weckers Drogenlaufbahn. „Mittlerweile sehe ich es anders als vor ein paar Jahren. Heute denke ich, ich habe viele Erkenntnisse zu der Zeit versäumt. Nach dem ersten Konsum sind es nur noch Aufgüsse gewesen. Hätte man heute die Erkenntnis von nachher, hätte man vieles anders gemacht“, sagt er nachdenklich.
Mit am wichtigsten ist für ihn aber immer die Musik gewesen. „Die Musik hat mich gesucht und gefunden. Das hat angefangen, als mir meine Eltern Lieder am Bett vorgesungen haben, und ist weitergegangen, als ich in der Jugend verschiedenste Gedichte vertont habe.
„Hätte man heute die Erkenntnis von nachher – hätte man vieles anders gemacht.“
Konstantin Wecker in Donauwörth
Ich brauchte immer etwas, an das ich meine Musik anbinden konnte“, berichtet Konstantin Wecker. Er selbst habe seine Melodien stets mit den Fingern erfunden und bewundere Kollegen, die am Schreibtisch komponieren, führt er weiter an. Dennoch zeigt er sich bescheiden: „Ich bin weit davon entfernt, ein perfekter Komponist zu sein. Ich finde, die Kunst in der Musik liegt auch darin, in einem Ton schludern zu dürfen. Die Musik liebt doch auch den Laien, wenn er mit ganzem Herzen dabei ist“, betont er unter tosendem Applaus. Er verabschiedet sich mit einem Gedicht, mit seinem Lebensmotto: Lebe den Augenblick.