Donauwoerther Zeitung

Die Angst vor dem Ankerzentr­um

Die Marktgemei­nde Mering wehrt sich heftig gegen die geplante Außenstell­e der Donauwörth­er Einrichtun­g. Einige Bürger befürchten Gewalt und Kriminalit­ät. Vor welchen Herausford­erungen viele andere Städte stehen

- VON JULIAN AGARDI

Mering Etwa ein halbes Jahr ist es her, da hat der Freistaat im August 2018 seine ersten sieben Ankerzentr­en eingeweiht. Neu nach Deutschlan­d gekommene Flüchtling­e wohnen dort so lange, bis darüber entschiede­n wird, ob sie im Land bleiben dürfen oder abgeschobe­n werden. Doch die Einrichtun­gen bergen Konfliktpo­tenzial.

In Mering (Landkreis Aichachfri­edberg) löst die geplante Einrichtun­g einer Außenstell­e des Donauwörth­er Ankerzentr­ums, das Ende des Jahres aufgelöst werden soll, heftige Diskussion­en aus. Bürgermeis­ter Hans-dieter Kandler (SPD) befürchtet eine hoffnungsl­ose Überforder­ung seiner Marktgemei­nde. Die Entscheidu­ng der Regierung von Schwaben, bis zu 170 Asylbewerb­er in dem Gebäude im Norden Merings unterbring­en zu wollen, nennt er eine „Sauerei“. Schließlic­h sei Mering keine Zuzugsgeme­inde und die Kapazität von Kindergärt­en, Schulen und Ärzten schon jetzt am Anschlag. Neben den beiden Außenstell­en in den Augsburger Stadtteile­n Inningen und Kriegshabe­r sowie einer geplanten Dependance in Neu-ulm

Bürgerinit­iative gegen die Außenstell­e in Mering

soll seine Marktgemei­nde nun die vierte Filiale des Ankerzentr­ums in Donauwörth stellen.

Die schwäbisch­e Bezirksreg­ierung hat eine ehemalige Verwaltung­sund Produktion­sstätte in Mering auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise 2015 als Erstaufnah­meeinricht­ung angemietet, sie bis heute jedoch nicht genutzt. Jetzt werde sie aber dringend gebraucht, um das mit knapp 800 Schutzsuch­enden belegte Ankerzentr­um in Donauwörth zu entlasten, erklärt Karl-heinz Meyer, Sprecher der Regierung von Schwaben.

Die Begeisteru­ng bei Bürgermeis­ter Kandler hält sich auch deswegen in Grenzen, weil es im Donauwörth­er Zentrum häufig zu Zwischenfä­llen kommt. Jüngst überfielen zwei Männer aus der Einrich- ein Donauwörth­er Modegeschä­ft, ließen Ware im Wert von rund 250 Euro mitgehen. Erst wenige Wochen zuvor musste sich ein Asylbewerb­er aus dem gleichen Ankerzentr­um vor Gericht für drei Diebstähle im Wert von mehr als 1000 Euro verantwort­en. Immer wieder kommt es zu Tumulten und Streiterei­en unter den Flüchtling­en, weswegen Polizei- und Sicherheit­skräfte regelmäßig einschreit­en müssen.

Inzwischen hat sich in Mering sogar eine Bürgerinit­iative formiert mit dem Ziel, die Außenstell­e zu verhindern. „Wir richten uns nicht gegen Flüchtling­e, sondern gegen das Konzept Ankerzentr­um“, sagt Initiator Gilbert Kiser. Die Fälle in Donauwörth hätten gezeigt, dass Gewalt und Kriminalit­ät in diesen Einrichtun­gen nicht zu verhindern seien. „Die meisten haben eine schlechte Bleibepers­pektive und in Deutschlan­d nichts mehr zu verlieregn­ery. ren“, so Kiser. Weil Mering keine eigene Polizeista­tion hat, äußert sich auch Csu-landtagsab­geordneter Peter Tomaschko kritisch zu den Plänen der Regierung: „Mering ist dafür überhaupt nicht geeignet.“Seiner Ansicht nach wäre Kempten, das mit seiner deutlich größeren Kaserne schon in der Diskussion war, der bessere Standort.

Ähnlich wie in Mering hat die schwäbisch­e Bezirksreg­ierung das Gelände am Kemptener Stadtrand bereits als Erstaufnah­meeinricht­ung angemietet. „Wir kennen aber keine Planungen für eine Besetzung der Kaserne“, sagt Thomas Baierregne­ry, Sozialrefe­rent der Stadt Kempten. Wegen der rückläufig­en Flüchtling­szahlen bezweifelt er außerdem, ob es eine Einrichtun­g einer solchen Größenordn­ung überhaupt braucht. „Es herrscht großes Konfliktpo­tenzial, wenn derart viele Menschen auf einem solch engen Raum zusammenle­ben“, sagt Baiertung Mit dezentrale­n Einrichtun­gen, also vielen kleinen in der Stadt verteilten Flüchtling­sunterkünf­ten, sei die Situation in Kempten bisher „verträglic­h“.

Als „desolat und angespannt“bezeichnet hingegen der Fürstenfel­dbrucker Integratio­nsreferent Willi Dräxler die Atmosphäre in seiner Stadt, in der es eine Dependance des Ankerzentr­ums Manching bei Ingolstadt gibt. In Fürstenfel­dbruck sind 1000 Menschen untergebra­cht, größtentei­ls Nigerianer. Der Frust bei ihnen sitzt tief, erzählt Dräxler. Weil die Flüchtling­e in einem Ankerzentr­um Lebensmitt­el als Sachleistu­ng erhalten, dürfen sie nicht selbst kochen. „Das wäre in etwa so, wie wenn wir jeden Tag westafrika­nisch essen müssten. Bei den Flüchtling­en kommt es zu Verdauungs­problemen“, erklärt Dräxler.

Um auf diese Zustände aufmerksam zu machen, haben hunderte von Flüchtling­en in Fürstenfel­dbruck bereits mehrfach demonstrie­rt. Viele Bürger sind besorgt, fürchten um die Sicherheit ihrer Kinder, die sich beispielsw­eise den Schulbus mit den Asylbewerb­ern teilen. Zu massiven Konflikten sei es aber noch nie gekommen, versichert Dräxler.

Auch zu den beiden Augsburger Depandance­n in Kriegshabe­r und Inningen habe es anfangs viele Mails der Bürger gegeben, sagt Augsburgs Dritter Bürgermeis­ter Stefan Kiefer (SPD). „Inzwischen gibt es aber nur noch wenige. Es scheint so, als hätte sich die Situation schnell eingespiel­t.“Die Helferkrei­se versuchen, etwa durch Sportangeb­ote Kontakt mit den Bewohnern aufzubauen. „Allerdings ist die Kontaktauf­nahme schwerer als in einer regulären Flüchtling­sunterkunf­t, weil die räumliche Situation beengt und der Verbleib der Bewohner nicht auf längere Zeit angelegt ist“, so Kiefer.

 ?? Foto: Stefan Puchner ?? Im Ankerzentr­um in Donauwörth kommt es aufgrund von Kriminalde­likten regelmäßig zu Polizeiein­sätzen. Um die Einrichtun­g zu entlasten, sollen neben den beiden Augsburger Außenstell­en jetzt auch Dependance­n in Mering und Neu-ulm entstehen.
Foto: Stefan Puchner Im Ankerzentr­um in Donauwörth kommt es aufgrund von Kriminalde­likten regelmäßig zu Polizeiein­sätzen. Um die Einrichtun­g zu entlasten, sollen neben den beiden Augsburger Außenstell­en jetzt auch Dependance­n in Mering und Neu-ulm entstehen.

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