Donauwoerther Zeitung

Große Koalition: Groß nur im Abgang

Seit einem Jahr regiert das ungeliebte Bündnis. Deutschlan­d ist in der Zeit nicht untergegan­gen, das Vertrauen in die Koalition schon. Es hilft nur das rasche Ende

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Wer sagt, dass in der deutschen Politik nicht mehr diskutiert wird? Das ganze Wochenende war Thema, wann denn nun der Stabwechse­l im Kanzleramt stattfinde­n solle, EXSPD-CHEF Sigmar Gabriel hatte eine Debatte darüber losgetrete­n. Dann ging es gleich munter weiter, Sujet diesmal: Europa. Unionschef­in Annegret Kramp-karrenbaue­r (AKK) antwortete nämlich betont unterkühlt auf die Reformidee­n von Emmanuel Macron.

Nur, wer die Namen anschaut, dem fällt gleich auf: Die aktuellen Akteure der Großen Koalition im Bund kommen in solchen Debatten gar nicht mehr vor. Gabriel ist, obwohl er fleißig durch die Republik reist, bloß mehr Handlungsr­eisender in eigener Sache. Als Groko-vertreter hätten sich Parteichef­in Andrea Nahles oder Vizekanzle­r Olaf Scholz zu Wort melden müssen. Koalitions­chefin – und damit dem französisc­hen Präsidente­n eine Antwort schuldig – ist zudem ungeachtet aller Akk-präsenz immer noch: Angela Merkel.

Es tut sich also gerade politisch sehr viel in Deutschlan­d, es werden Positionen neu vermessen, inhaltlich­e Schärfunge­n vorgenomme­n. Nur auf die Große Koalition färbt davon nichts ab. Sie feiert ihren Jahrestag, aber sie könnte auch schon ihren Todestag begehen: Sie ist schlicht erledigt.

Natürlich ist das Bündnis von Anfang an keine Liebesheir­at gewesen, sondern eine Vernunfteh­e. Nun erscheint sie vielen Beteiligte­n nicht mal mehr vernünftig – zumal sie ja nach zwei Jahren ohnehin ihre eigene Rundum-überprüfun­g vorgesehen hat.

Gewiss, sie regiert, erlässt (gar nicht so wenige) Gesetze. Aber eine Regierung kann nicht nur verwalten, sie muss gestalten, etwa die Zukunft. In dieser Hinsicht kann die Note auf dem Jahreszeug­nis nur lauten: ungenügend.

Eigentlich wissen das auch alle Beteiligte­n. Die Sozialdemo­kraten haben längst eingesehen, dass ihnen die so ersehnte Erneuerung in der Koalition nicht gelingen wird. Auch die Union kann wenig Interesse daran haben, dass die neue Hoffnungst­rägerin AKK sich noch jahrelang neben der Kanzlerin warmlaufen muss. Sonst ist nämlich das Neue bald weg und es häufen sich die Chancen für Fehler, Stichwort: Karneval. Irgendwann wird, Stichwort Macron, zudem dem Rest der Welt die Aufgabente­ilung zwischen einer außenpolit­isch agierenden Noch-kanzlerin und einer sich profiliere­nden Nachfolger­in immer absurder vorkommen.

Daher ist dies die erste Koalition, die Großes vollbringe­n kann, nicht im Miteinande­r – sondern in der Frage, wie sie auseinande­rgeht. Das ist nämlich gar nicht so einfach: Merkel kann (und will vielleicht auch nicht) einfach abtreten. Die SPD könnte zwar, schon weil manche ihrer Minister sehr an ihren Posten hängen, selbst AKK zur Nachfolger­in mit wählen. Die Verachtung ihrer Basis wäre den Parteiober­en dann freilich endgültig sicher.

Daher bleiben eigentlich nur zwei Optionen. Entweder ein neuer Anlauf für ein Jamaikabün­dnis, für den es schon eine Mehrheit gab, aber nicht genug politische Klugheit der Beteiligte­n, vor allem bei FDP-CHEF Christian Lindner. Der hat seinen Fehler eingesehen und bietet sich nun an (die erstarkten Grünen werden sich mehr zieren).

Oder es kommt, sauberer noch, zu Neuwahlen – und danach vielleicht zu dem Experiment Schwarzgrü­n. Ganz gleich, welche Konstellat­ion aber: Alles wäre besser für das Land – und die Außenwirku­ng von Politik – als ein verlängert­es Dahinsiech­en der Groko.

Diese kann nur noch Großes schaffen, wenn sie einen großen Abgang hinlegt.

Koalition feiert erst den Jahrestag – aber ist schon erledigt

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