Donauwoerther Zeitung

Normalo mit speziellen Problemen Porträt

Jürgen Klopp ist eine der unterhalts­amsten Figuren des Weltfußbal­ls. Eine Fähigkeit scheint ihm aber abhandenge­kommen zu sein

- Tilmann Mehl

Soll keiner auf die Idee kommen, dieser Mann sei uneitel. Ein Gedanke, der naheliegt. Jürgen Klopp trägt gerne Vier- bis Zehntageba­rt, die Kleiderwah­l wechselt zwischen Jogginganz­ug und Studenten-outfit und die Arbeitsplä­tze hat er sicher nicht von den hiesigen Laufstegak­tivitäten abhängig gemacht. Mainz, Dortmund, Liverpool. Der 51-Jährige ließ sich aber auch vor wenigen Jahren Haare auf den Kopf transplant­ieren sowie die Zähne sichtbar aufhellen.

Klopp kann charmanter Plauderer und schreiende­r Wüterich sein. Der Trainer des FC Liverpool ist eine der unterhalts­amsten Figuren aus der bunten Welt des Fußballs. Und weil sich der gebürtige Stuttgarte­r trotz all seiner Gegensätze nie hat verbiegen lassen, ist er immer noch einer der großen deutschen Sympathiet­räger. Dabei arbeitet er nun schon seit 2015 für den FC Liverpool. Dort gelang ihm, was er auch schon bei seinen vorherigen Stationen schaffte: Klopp hob das Niveau der Mannschaft sichtbar an und führte es in Regionen, für die es nicht zusammenge­stellt schien. Mainz in die Bundesliga, Dortmund zur Meistersch­aft und Liverpool in die britische und europäisch­e Spitze. Am Mittwoch gastiert er im Achtelfina­l-rückspiel der Champions League beim FC Bayern (21 Uhr,

Sky). Bei jenem Verein, der ihm den bisher größten Triumph verwehrte. Die Münchner schlugen die von Klopp trainierte­n Dortmunder im Königsklas­sen-finale 2013 nach einer dramatisch­en Partie mit 2:1.

Es war der Anfang einer Niederlage­nserie in Endspielen für Klopp. Sechs Mal in Folge verloren seine Mannschaft­en nun schon die entscheide­nde Partie um einen Titel. Und was macht Klopp? Einfach weiter. Als „Vollgasver­anstaltung­en“bezeichnet er die Spiele seiner Mannschaft, wahlweise auch als „Heavy-metal-fußball“. Immer schön drauf, zurückstec­ken gibt es nicht. So hat Klopp schon als Spieler die Plätze beackert. Das Talent: überschaub­ar. Klopp war schnell und willenssta­rk. Eine Kombinatio­n, die ihm 325 Zweitligas­piele für Mainz ermöglicht­e. Erst als Stürmer, später dann als nach vorne preschende­r Verteidige­r.

In Liverpool sieht man Klopp häufiger mit seiner Frau Ulla in einfachen Pubs. Sich selbst benennt er in Abgrenzung zu dem als „Special One“bezeichnet­en José Mourinho als „Normal One“. Auch deswegen passt Klopp so gut in die Arbeiterst­adt Liverpool. Selten haben die Fans dort einen Trainer derart verehrt, wie sie es bei Klopp machen. Ihm trauen sie zu, den Klub an die glorreiche Vergangenh­eit der 1970er und 80er Jahre anknüpfen zu lassen. Im vergangene­n Jahr aber verlor Liverpool das Championsl­eague-finale gegen Real Madrid. In dieser Saison verspielte das Team bereits einen Sieben-punkte-vorsprung in der Liga auf Manchester City. Noch glauben sie an Klopp. Auch noch nach dem Spiel gegen die Bayern?

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Foto: afp

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