Ein Hoffnungsschimmer
In London stehen mehrere Abstimmungen über den Brexit an. Entsprechend blank liegen die Nerven
London Bis zuletzt hielt sie ihre Abendpläne geheim, empfing den ganzen Tag über Kabinettsmitglieder in der Downing Street. Erst nachdem Premierministerin Theresa May zum Flughafen aufgebrochen war, wurde bestätigt: Die Regierungschefin reiste nach Straßburg, um im unendlichen Brexitdrama einen letzten, beinahe verzweifelten Versuch zu unternehmen und Zugeständnisse bei der EU zu erreichen. Die Gespräche zwischen May, Eu-chefunterhändler Michel Barnier und Kommissionspräsident Jean-claude Juncker zogen sich bis in die Nacht hinein. Kurz vor Mitternacht verkündete der britische Vize-premier David Lidington, dass seine Regierung rechtlich verbindliche Änderungen am Austrittsabkommen mit der EU erzielt habe. Details lagen bis zum Redaktionsschluss unserer Zeitung nicht vor.
Noch bevor May gen Kontinent aufbrach, sorgten Gerüchte für Aufregung, nach denen die Regierungschefin abermals alle Pläne umwerfen könnte. Kommt es tatsächlich zum Showdown? Downing Street wies die Spekulationen zwar zurück. Die Nervosität aber, die seit Tagen von Regierungskreisen ausging, war spürbar. Der Premierministerin droht am heutigen Dienstag abermals eine Niederlage – wie schon beim ersten Durchgang im Januar. Die Frage ist, wie weit die EU gehen würde, um einen Austritt ohne Abkommen zu verhindern. Oder handelt es sich bei möglichen Änderungen nicht vielmehr um Kosmetik?
Gut zwei Wochen vor dem offiziellen Austritt am 29. März präsentiert sich das Parlament zerstritten wie eh und je. Für keine Strategie gibt es eine Mehrheit. May steckt in der Sackgasse und dementsprechend wurde die Stimmung in Brüssel gestern von Diplomaten als „düster“beschrieben. Die Chancen, dass das Abkommen durchgeht, stehen gefährlich nahe bei null. Deshalb, so legte es ein Medienbericht nahe, könnte die Premierministerin die Abstimmung ändern und stattdessen lediglich ein Votum über das weitere Vorgehen anberaumen. Würde May diesen Weg wählen, wäre sie „toast“, wie die Briten es gerne bezeichnen, wenn jemand politisch „erledigt“ist. Das schrieb zumindest der konservative Parlamentarier Nick Boles. Seiner Ansicht nach würde die Regierungschefin damit das Vertrauen im Unterhaus verlieren. Und zum Gehen gezwungen? Die Rebellion könnte aber auch von den europaskeptischen Hardlinern in den eigenen Toriesreihen kommen, die angeblich fordern, die Abstimmung kurzfristig zu vertagen und stattdessen eine Lösung zu suchen, die die „Partei zusammenhält und Druck auf Brüssel ausübt“. Sie drohen hinter vorgehaltener Hand, die Premierministerin aus dem Amt zu drängen, sollte sie für den Deal keine Mehrheit finden und am Ende den Brexit-termin aufschieben.