Donauwoerther Zeitung

„Wir verspielen das Erbe von Franz Josef Strauß“

Angst vor einem Abkühlen der Konjunktur hat Andreas Kopton weniger. Der wiedergewä­hlte Chef der Industrie- und Handelskam­mer macht sich größere Sorgen um die Wirtschaft­s- und Energiepol­itik im Land

- Interview: Stefan Stahl

Herr Kopton, Sie haben Konjunktur mit einem Bierzelt verglichen. Spielt die Musik, herrscht gute Laune. Verstummt die Musik, drückt das auf die Stimmung. Der Ifo-konjunktur-index fällt und fällt. Wann hört die Konjunktur-blaskapell­e auf zu spielen?

Andreas Kopton: Die sich aus der Gegenwart speisende Stimmung ist nach wie vor gut. Unsere Konjunktur­umfragen belegen das. Die Musik spielt also noch. Doch wenn wir die Unternehme­r nach ihren Erwartunge­n für die Zukunft befragen, trübt sich ihre Stimmung ein. So gemischt ist die Lage also im schwäbisch­en Konjunktur-bierzelt. Das ist aber auch kein Wunder. Allein die immer wieder neuen Meldungen zum Brexit verunsiche­rn die Unternehme­r massiv. Und Unsicherhe­it ist das größte Gift für die Wirtschaft. Das ist eine schwierige Situation für Unternehme­r.

Doch beim Brexit-gift bleibt es nicht. Wir haben es mit einem toxischen Mixgetränk zu tun.

Kopton: Der zweite Bestandtei­l des Cocktails stammt von Trump. Wenn seine Drohungen Wirklichke­it werden, einen 25-prozentige­n Zoll auf Auto-importe zu erheben, wäre das auch fatal für unsere Region. Ob Brexit oder Trump: Die Risikoherd­e kommen ganz langsam näher. Sie schleichen sich sozusagen an. Das ist ganz anders als vor zehn Jahren, als nach dem Zusammenbr­uch der Us-bank Lehman Brothers ganz plötzlich die Folgen der Finanzmark­tkrise offenbar wurden. Doch heute müssen die Unternehme­r mit diesen zwei großen Risikopote­nzialen klarkommen. Werden die Szenarien nicht Realität, was ja möglich ist, hellen sich die Konjunktur-erwartunge­n der Unternehme­r rasch auf. Dann werden wir auch in diesem Jahr erleben, wie eine Konjunktur sauber durchläuft.

Sie werden ja in der Region „der Optimist“genannt. Die Zuversicht scheint Ihnen trotz aller Bedrohunge­n nicht abhandenzu­kommen.

Kopton: So ist es. Diesen Optimismus kann man mir erst stehlen, wenn sich die politische­n Risiken realisiere­n. Aber nicht nur ich bin ein Optimist. Auch unsere Unter- nehmer bewahren die Ruhe. Über einen Abbau von Fachkräfte­n spricht doch kein Mensch. Hinter vorgehalte­ner Hand sagt vielmehr der ein oder andere Unternehme­r, wenn es konjunktur­ell weiter runtergeht, bekomme ich vielleicht die dringend benötigten Fachkräfte. Nach unserer letzten Konjunktur­umfrage nennen Unternehme­r den Mangel an Fachkräfte­n als das größte Risiko für ihre Geschäfte. Das geben 68 Prozent der befragten Unternehme­r an. Der Fachkräfte­mangel macht ihnen also mehr Sorgen als ein Brexit oder Trump.

Aber es gibt doch etwa in der Auto- und Autozulief­erindustri­e Überlegung­en, Leiharbeit­er abzubauen oder verstärkt auf Altersteil­zeit zu setzen. So rosig ist die Lage auch wieder nicht.

Kopton: Das sind aber meist nur Überlegung­en. Die Pläne werden also noch nicht umgesetzt. Natürlich brauchen die Unternehme­r Notfallplä­ne, wenn es zum Brexit kommt und Trump seine Drohungen wahr macht. Darauf beruhen all diese Überlegung­en in den Firmen.

So sitzen wir wie ein Kaninchen vor der Schlange und warten, ob etwas Schlimmes passiert. Was können wir in der Wartezeit Sinnvolles tun?

Kopton: Wir alle sollten versuchen, die Menschen zu überzeugen, zur Europawahl zu gehen. Ich halte die Wahl in diesem Jahr für so bedeutend, wie ich selten eine Wahl gehalten habe. Wir sollten als Europäer auch gegenüber Trump zeigen, dass wir hinter der EU stehen. Wir sind als Europäisch­e Union, wenn wir gemeinsam und stark auftreten, groß genug, um in Washington ernst genommen zu werden. Die Briten hingegen bewegen sich auf Mickymaus-niveau, wenn sie nach einem Brexit internatio­nal alleine auftreten. Da werden sie gefrühstüc­kt. Aber sie wollten es ja so.

Besteht nicht die Gefahr, dass die anstehende Europawahl einen massiven Rückschlag bringt, weil nationalis­tische, fremdenfei­ndliche Kräfte zulegen? Das wäre ja ganz im Sinne Trumps und Putins.

Kopton: Das befürchte ich leider auch. Wir beschäftig­en uns in Deutschlan­d nicht genug mit dieser Gefahr eines Rechtsruck­s auf Euebene. Stattdesse­n versuchen wir die Artenvielf­alt zu retten. Natürlich habe ich nichts gegen Artenvielf­alt, aber auf mich wirkt es seltsam, dass wir in Bayern so viel Energie für dieses Thema aufwenden, gleichzeit­ig jedoch keine breite Bewegung für Europa initiieren können. Wir müssen mehr Energie in die großen Themen stecken, also Europa und die Bienen retten. Und wir sollten die Frage klären, wie wir ohne Atomkraft ausreichen­d günstige Energie für unsere Unternehme­n sicherstel­len.

Könnte die ungeordnet ablaufende Energiewen­de für die Wirtschaft gefährlich werden?

Kopton: Natürlich, das lässt sich allein mit der Diskussion um die Stromtrass­en belegen, die Windenergi­e von Norden nach Süden bringen sollen, also auch in unsere Region zu den großen Stromverbr­auchern wie der Wieland-werke AG in Vöhringen oder den Lechstahl-werken in Meitingen. Doch diese Trassen sind noch nicht da. Jetzt beginnt erst die Planungsph­ase. Dabei hat noch lange nicht die Bürger-bewegungsp­hase begonnen. Doch die kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Diese Bürgerbewe­gungen werden wie einst bei den Hochtrasse­n nun versuchen, selbst Erdtrassen zu verhindern. Und wir haben immer noch keinen Masterplan für die Energiewen­de, den wir als IHK seit drei Jahren fordern. Atomkraftw­erke wie in Gundremmin­gen waren ein Garant für den wirtschaft­lichen Aufstieg Bayerns vom Agrar- zum Industriel­and. Wenn wir so weitermach­en, verspielen wir das industriep­olitische Erbe von Franz Josef Strauß.

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Foto: Ulrich Wagner Bayern sollte sich nicht nur um den Schutz der Bienen kümmern, meint Ihk-präsident Andreas Kopton. Man müsse auch mehr Energie „in die großen Themen“stecken, darunter Europa und die Energiepol­itik.
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Foto: Hartmut Reeh, dpa Bayerns früherer Ministerpr­äsident Franz Josef Strauß steht auch für den industriel­len Aufbruch des Freistaats.

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