Donauwoerther Zeitung

Wenn Konkurrenz die Liebe auf die Probe stellt

Wettbewerb belebt das Geschäft, heißt es. Doch in einer Beziehung kann er zur Belastung werden

- Ricarda Dieckmann, dpa

Göttingen Wer hat die größere Summe auf der Gehaltsabr­echnung? Wer hat den spannender­en Freundeskr­eis? Und wer spielt besser Tennis? Sosehr sich zwei Menschen auch lieben: Manchmal mogelt sich Wettbewerb­sdenken in den Beziehungs­alltag. „Dass Partner bei bestimmten Themen miteinande­r wetteifern, passiert häufig und ist normal“, sagt Anika Bökenhauer, Paartherap­eutin in Göttingen.

Meist konkurrier­en Partner bei Themen, die in der Beziehung ohnehin eine Rolle spielen. Erfolg im Beruf, Kindererzi­ehung, Haushalt oder Hobbys: All das sind Bereiche, in denen viele Menschen wachsam darauf blicken, wie sich der Partner so macht – und nicht selten ein zartes Gefühl des Triumphs verspüren, wenn sie selbst sich besser schlagen.

Doch woher kommt der „Ich will besser sein als du“-gedanke überhaupt? Dahinter stehe oft der Wunsch nach Abgrenzung, erläutert Vera Matt, die als Paartherap­eutin in Berlin arbeitet. „Um nicht miteinande­r zu verschmelz­en, treten die Partner in einen Wettbewerb.“Mit bösen Absichten hat das in der Regel nichts zu tun. Anika Bökenhauer hat dafür ein Beispiel: „Manchmal reiben sich Paare an der Frage, wer am meisten für die Beziehung tut. Dahinter steht der Wunsch, eine gute Partnersch­aft zu haben.“Dies sei ein gutes Ziel. Konkurrenz sei allerdings keine gute Strategie, um es zu erreichen. Denn wenn Partner zu Konkurrent­en werden, mischen sich rasch Vorwürfe oder Überheblic­hkeit in die Beziehung.

Doch nicht nur der Wunsch nach Abgrenzung kann für ein Kräftemess­en in der Liebe sorgen. Auch ein geringes Selbstwert­gefühl kann die Ursache sein. Wer das Gefühl verspürt, nicht gut genug zu sein, gibt sich womöglich besonders viel Mühe, um sich gegenüber dem Partner oder der Partnerin zu behaupten. „Wenn man sich selbst liebt, fällt es leichter, den Partner so zu akzeptiere­n, wie er ist“, sagt Ilona Burghoff, psychologi­sche Beraterin in Burscheid in Nordrheinw­estfalen. Dies könne das Wettbewerb­sdenken in der Beziehung verringern.

Kritisch wird es, wenn die Partner aus dem Duell-modus nicht mehr herausfind­en. „Wetteifert man bei einem bestimmten Thema, kann man später mit etwas Distanz feststelle­n: „Das war irgendwie blöd.“So hat das Paar die Chance, die Situation zu reparieren“, erklärt Bökenhauer. Versuchen die Partner jedoch, sich bei jedem Thema gegenseiti­g zu übertrumpf­en, funktionie­rt das nicht mehr. Die ständige Konkurrenz führt dazu, dass die Partner zwischen Angriff und Rückzug pendeln – keine gesunde Basis für eine Beziehung.

Dazu kommt, dass eine Konkurrenz zwischen den Partnern auch Neid schüren kann. „Neid kann einerseits ein Motor sein, der dazu motiviert, etwas zu erreichen“, erklärt Matt. Problemati­sch wird er jedoch, wenn er in Missgunst umschlägt. Wenn man sich über die Beförderun­g oder die neue Joggingbes­tzeit des anderen nicht freuen kann, sondern sauer ist. Hinter Missgunst steckt oft ein geringes Selbstwert­gefühl, das durch eine Therapie oder ein Coaching aufgearbei­tet werden kann.

Auch für gemeinsame Freunde kann es unangenehm werden, wenn ein Paar ständig wetteifert. Bökenhauer rät Freunden solcher Paare dazu, ihr Verhalten der Situation anzupassen. Wünscht man sich einen schönen Abend ohne Streit, solle man die Themen, bei denen das Paar konkurrier­t, lieber umschiffen. Alternativ könne man die Rivalität auch humorvoll thematisie­ren oder später im Vertrauen mit einem der beiden Partner besprechen. „Das hängt vor allem davon ab, wie ansprechba­r das Paar in Bezug auf dieses Thema ist“, so Bökenhauer.

Doch wie lässt sich die Konkurrenz in einer Beziehung auflösen? Bökenhauer rät dazu, sich selbst zu erforschen. Welches Thema, welches Bedürfnis steckt hinter der Konkurrenz? Und: Lässt sich dieses Ziel auch erreichen, ohne mit dem oder der Liebsten in einen Wettstreit zu treten?

Der zweite Schritt ist, sich mit dem Partner zu besprechen. „Viele Partner trauen sich nicht, etwas zu sagen und hoffen, dass sich die Situation von allein klärt. Doch um die Konkurrenz aufzulösen, kommt das Paar nicht darum herum, miteinande­r zu sprechen“, so Burghoff. Sie rät dazu, dem Partner die eigenen Gefühle zu schildern und auch Verständni­s für seine Sichtweise zu entwickeln. Das Gespräch über die Konkurrenz dürfe nicht selbst zu einem Kampf werden.

Doch nicht jede Konkurrenz muss aus der Welt geschafft werden. „Ein bisschen Wettbewerb ist manchmal gar nicht schlecht, weil er die Beziehung spannend macht“, sagt Vera Matt. Wenn ein literaturb­egeisterte­s Paar streitet, wer die spannender­en Bücher findet, kann das Schwung und Spaß in die Beziehung bringen. Davon profitiere­n beide Partner.

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Foto: Bodo Marks, dpa Manche Beziehung leidet unter dem Kräftemess­en.

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