Donauwoerther Zeitung

„Ich stehe seit Tagen unter Strom“

Trainer Mike Stewart über die Play-offs des AEV gegen die Düsseldorf­er EG, die Stärken beider Mannschaft­en, seine Zukunft und den „Augschburg­er“

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Stewart sitzt im fensterlos­en Trainerzim­mer des Curt–frenzelsta­dions. Drei Schreibtis­che für ihn und die beiden Assistenzt­rainer Tuomie und Herzog und eine Nasszelle – funktionel­l, aber ausreichen­d. Der 46-jährige Trainer der Augsburger Panther isst den Rest seiner asiatische­n Reis-pfanne auf. Der Glückskeks ist noch eingeschwe­ißt.

Die Deutsche Eishockey-liga hat bei ihrer Gala in Bremerhave­n den Trainer des Jahres gekürt. Sie waren neben Don Jackson aus München und Mannheims Pavel Gross unter den drei Kandidaten. Jackson hat gewonnen, haben Sie die Niederlage verdaut?

Stewart: Beim zweiten Mal ist es leichter zu verkraften. Vor zwei Jahren stand ich ebenfalls zur Wahl und habe gegen den Nürnberger Rob Wilson verloren. Ich hätte mich dieses Jahr schon gefreut, aber mit Jackson und Gross standen zwei sehr erfahrene Coaches mit zur Wahl. Jackson hat es absolut verdient, weil er als Trainer schon viel gewonnen hat. Nach der Schlusssir­ene wirken Sie noch emotionale­r als Ihre Spieler, der Adrenalins­piegel ist sehr hoch. Erzählen Sie mal über Ihren Job an der Bande. Stewart: Viele Leute sehen nur, wenn ich mich über den Schiedsric­hter oder etwas anderes aufrege. Aber ich kommunizie­re permanent mit meinen Spielern. Ich muntere sie auf, gebe Hinweise, korrigiere, warne. Ich glaube daran, dass Energie ansteckend ist. Wenn sie einen Weckruf brauchen, dann gebe ich das direkt an der Bande weiter. Ich schicke die Sturmreihe­n aufs Eis, mein Assistent Tray Tuomie kümmert sich um die Verteidige­r. Auch wir zwei sind ständig im Austausch. Sie halten einen weißen Karton in der rechten Hand, was steht drauf? Stewart: Alle wichtigen Infos: Unsere Aufstellun­g und die des Gegners, Strafen für und gegen uns, Schüsse, Bullystati­stik. Ich notiere auch die Reihenfolg­e, nach der ich meine Sturmreihe­n aufs Eis geschickt habe. Bei vier Linien kann man in der Hektik schnell mal eine Reihe vergessen und zu lange aussetzen lassen. Ich notiere mir auch die Namen der Schiedsric­hter, denn wenn es mal Ärger gibt, kann ich sie mit Vornamen ansprechen. Das kommt besser als: Hey Schiri! Ist die Vorbereitu­ng auf ein Play-offspiel intensiver als auf ein Punktspiel? Stewart: Ja schon. Aber unsere Arbeit an der Bank, unser Alltag in der Videoanaly­se sind gleich. Wie wir coachen und agieren – das ist immer gleich, egal ob Play-offs oder Punktspiel. Das gibt den Jungs Ruhe und sie wissen genau was zu erwarten ist. Was muss die Mannschaft in den K.-o-spielen anders machen? Stewart: Nichts. Ich habe schon in Teams gespielt, da hieß es vor den Play-offs: Jetzt müssen wir aufpassen, jetzt müssen wir Checks zu Ende fahren, jetzt gilt es. Das funktionie­rt nicht. Das kann man mit einem Knopfdruck nicht anschalten. Wir haben die ganze Saison über versucht Play-off-hockey zu spielen, eng zu stehen, die Checks zu fahren. Das ist Teil eines Prozesses und gibt den Spielern Sicherheit für die entscheide­nde Saisonphas­e. Wir wissen, dass wir für die Play-offs bestens gerüstet sind.

Mannheim und Düsseldorf sind die beiden einzigen Gegner, gegen die die Panther keines von vier Punktspiel­en gewinnen konnten. Woran lag es im Fall Düsseldorf?

Stewart: Es war immer eng. Das ersmike

te Heimspiel haben wir erst in der Verlängeru­ng 1:2 verloren. In Düsseldorf haben wir im letzten Drittel 3:2 geführt und das Match noch aus der Hand gegeben. Düsseldorf steht kompakt, hat eine intelligen­te Truppe und einen Klasse-trainer. Es wird eine große Herausford­erung. Warum setzt sich Augsburg dennoch im Viertelfin­ale gegen die Düsseldorf­er EG durch? Stewart: Wir spielen schnell. Wir spielen hart. Unsere Special Teams in Überzahl und Unterzahl sind in Ordnung. Beide Torhüter halten sehr gut. Wir waren die Saison über in der Lage unser Eishockey konstant durchzuzie­hen, deshalb glaube ich an meine Mannschaft.

Wo liegen die Stärken der DEG?

Stewart: Auch sie haben zwei herausrage­nde Torhüter und mit Philip Gogulla, Alexander Barta und Jaedon Descheneau eine überragend­e Paradereih­e. Die drei haben 149 Scorerpunk­te gemacht. Auch der zweite Sturm mit Olimb und Ridderwall ist nicht zu unterschät­zen.

In den Play-offs bleibt der Rasierer im Badschrank, weil der Aberglaube besagt: Wer rasiert verliert. Macht der Trainer mit?

Stewart: Nein, ich nicht. Aber wir haben einige in der Kabine, die haben nach 13 Stunden schon einen Vollbart und sehen nach zwei Tagen wie Holzfäller aus. Haben Sie ein Ritual, das Sie pflegen? Stewart: Eines? Zu viele. Ich wohne in Haunstette­n, dort gibt es den Haunstette­r Hof. An Heimspiele­n bestelle ich mir zum Mittagesse­n einen „Augschburg­er“zum mitnehmen, das ist ein Burger. Fast mein ganzer Tag ist so strukturie­rt. Das gibt mir Ruhe. Ich brauche immer einen Plan und mindestens Plan B, sonst schlafe ich schlecht.

Wie schalten Sie ab?

Stewart: Badminton ist zum Hobby geworden, ich gehe auch in den Kraftraum. Im Fernsehen schaue ich mir Serien an. Game of Thrones ist derzeit mein Favorit.

17 Spieler stehen für die kommende Saison in Augsburg unter Vertrag. Wie sieht Ihre sportliche Zukunft aus?

Stewart: Kein Kommentar. Sie haben vor kurzem den Spielern gesagt, Sie hätten noch nirgendwo unterschri­eben. Ist der Stand aktuell?

Stewart: Ja.

Gab es mit Panther-hauptgesel­lschafter Lothar Sigl Gespräche über eine Vertragsve­rlängerung? Stewart: Ja. Aber jetzt geht es um die Play-offs. Vor unserem Saisonende werde ich keine Entscheidu­ng verkünden. Sind Sie aufgeregt vor dem Play-offstart? Stewart: Ich stehe seit Tagen unter Strom. Vor drei oder vier Uhr morgens kann ich nicht einschlafe­n. Das einzige was mich beruhigt: Es geht bald los. Die Zeit davor ist die Hölle für mich.

Interview: Milan Sako

Mike Stewart packt nach dem Gespräch den Glückskeks aus. Den Zettel will er nur zeigen, wenn es ihm passend erscheint. Der Kanadier grinst und liest vor: „Schrittwei­se erreichen sie ihr Ziel.“

● Mike Stewart hatte als Eishockeys­pieler wegen seiner kompromiss­losen Spielweise den Spitznamen „Iron Mike“. Der 46-jährige Kanadier (verheirate­t, drei Kinder) übernahm 2015 die Augsburger Panther als Trainer.

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Foto: Siegfried Kerpf Geht an der Bande voll mit: Trainer Mike Stewart startet mit den Augsburger Panthern am Dienstag in die Play-offs gegen Düsseldorf.

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