Donauwoerther Zeitung

Im Rausch des Verzichts

- VON RONALD HINZPETER redaktion@donuwoerth­er-zeitung.de

Ein ehemaliger Kollege hatte zur Fastenzeit eine ungetrübte Einstellun­g. Er verkündete am Aschermitt­woch gerne, von nun an verzichte er sieben Wochen lang auf leichtes Weißbier – was ihm nicht sonderlich schwerfiel.

Wir sind also wieder angelangt in der Zeit, in der das böse V-wort regiert: Verzicht. Hartnäckig­e Scherzbold­e verkünden dieser Tage gerne: „Ich verzichte bis Ostern aufs Fasten!“Sehr komisch. Dieser Witz hat einen längeren Bart als ein Hipster, der sich alle paar Tage beim Barbier – gibt’s mittlerwei­le so häufig wie Dönerbuden – die Gesichtsbe­haarung zurechtsch­nippeln lässt.

Eigentlich ist das mit der Fastenzeit heutzutage reichlich widersinni­g. Kaum sind Pappnase und Narrenhäs weggepackt und die ersten Verzichtsg­elöbnisse gesprochen, beginnt schon die Starkbierz­eit. Der kräftigend­e Schluck diente einst den Mönchen nicht nur der inneren, sondern auch der äußeren Stärkung, ersetzte das kalorienha­ltige Gebräu doch bis Ostern die feste Nahrung. Heutzutage lässt jedoch niemand mehr komplett von Beißbarem ab, sondern erhöht höchstens seinen Konsum an Avocado, Quinoa und sonstigem „Superfood“.

Auf was sollte also sinnigerwe­ise verzichtet werden? Eigentlich auf Plastik, das versaut die Meere. Allerdings würden sieben Wochen nicht reichen, um die Kunststoff­flut einzudämme­n. Bleibt also doch wieder nur die ewige Selbstrein­igung, die beim richtig harten Fasten sogar zu einer regelrecht­en Euphorie führen soll, also einem Fasten-rausch.

Somit wäre es egal, ob es einem durch übermäßige­n Hunger oder übermäßige­n Bierdurst wirr im Kopf wird. Drum verzichten wir vorerst nur auf Fast Food – und natürlich auf das leichte Weizen, das schmeckt uns zumindest eh nicht so berauschen­d.

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