Im Rausch des Verzichts
Ein ehemaliger Kollege hatte zur Fastenzeit eine ungetrübte Einstellung. Er verkündete am Aschermittwoch gerne, von nun an verzichte er sieben Wochen lang auf leichtes Weißbier – was ihm nicht sonderlich schwerfiel.
Wir sind also wieder angelangt in der Zeit, in der das böse V-wort regiert: Verzicht. Hartnäckige Scherzbolde verkünden dieser Tage gerne: „Ich verzichte bis Ostern aufs Fasten!“Sehr komisch. Dieser Witz hat einen längeren Bart als ein Hipster, der sich alle paar Tage beim Barbier – gibt’s mittlerweile so häufig wie Dönerbuden – die Gesichtsbehaarung zurechtschnippeln lässt.
Eigentlich ist das mit der Fastenzeit heutzutage reichlich widersinnig. Kaum sind Pappnase und Narrenhäs weggepackt und die ersten Verzichtsgelöbnisse gesprochen, beginnt schon die Starkbierzeit. Der kräftigende Schluck diente einst den Mönchen nicht nur der inneren, sondern auch der äußeren Stärkung, ersetzte das kalorienhaltige Gebräu doch bis Ostern die feste Nahrung. Heutzutage lässt jedoch niemand mehr komplett von Beißbarem ab, sondern erhöht höchstens seinen Konsum an Avocado, Quinoa und sonstigem „Superfood“.
Auf was sollte also sinnigerweise verzichtet werden? Eigentlich auf Plastik, das versaut die Meere. Allerdings würden sieben Wochen nicht reichen, um die Kunststoffflut einzudämmen. Bleibt also doch wieder nur die ewige Selbstreinigung, die beim richtig harten Fasten sogar zu einer regelrechten Euphorie führen soll, also einem Fasten-rausch.
Somit wäre es egal, ob es einem durch übermäßigen Hunger oder übermäßigen Bierdurst wirr im Kopf wird. Drum verzichten wir vorerst nur auf Fast Food – und natürlich auf das leichte Weizen, das schmeckt uns zumindest eh nicht so berauschend.