Donauwoerther Zeitung

„Ich war nie gut genug“

Buch Anja Zeidler, früher ein gefragtes Fitnessmod­el, strebte lange nach dem perfekten Körper. Dann wurde sie krank. Von ihrem Weg in die Sucht – und wieder heraus

- VON DANIELA FISCHER Fotos: Patrick Odermatt, Andrea Monica Hug Sei glücklich, nicht perfekt. Riva, 192 Seiten, 17,99 Euro

Augsburg Wenn Anja Zeidler Yoga macht, schauen ihr nicht selten tausende Menschen zu. Auf Bildschirm­en sehen sie ihre Posen, sie lesen die ermunternd­e Botschaft, die sie zu Fotos schreibt, dann antworten sie mit Kommentare­n wie: „Du inspiriers­t mich“oder: „Ich liebe dein Outfit!“

Rund 350 000 Fans verfolgen den Alltag der 25 Jahre alten Schweizeri­n in den sozialen Netzwerken. Wie viele ihrer Instagram-Kolleginne­n veröffentl­icht sie Bilder von ihren Reisen, von gesunden Mahlzeiten oder sich selbst – dazu Zeilen wie „Ich wünsche mir für alle, dass sie glücklich mit sich selbst sind.“Zeidler scheint das geschafft zu haben. Auf den flüchtigen Betrachter wirkt sie rundum zufrieden.

Das war nicht immer so. Hinter der Luzernerin liegt eine schwere Zeit, die sie in einem Buch verarbeite­t hat, das am Mittwoch erschienen ist und anderen ein Ratgeber sein soll. Eine Zeit, in der Anja Zeidler für einen vermeintli­ch perfekten Körper alles getan hat. Um einem extremen Fitness-Ideal zu entspreche­n, ernährte sie sich nach einem strengen Plan, trainierte immer intensiver und nahm leistungsf­ördernde Medikament­e. Auch ihre Brüste ließ sich Zeidler für ihre Karriere als Fitnessmod­el, für die sie mit 18 Jahren in die USA zog, vergrößern. Die Selbstopti­mierung wurde immer mehr zum Zwang, sie machte die junge Frau krank. „Ich war essgestört, anabolika- und sportsücht­ig“, gesteht die 25-Jährige heute. „Ich war nie gut genug.“

Es war eine gute Freundin, die Anja Zeidler schließlic­h zum Umdenken brachte. Die beiden Frauen hatten sich ein Jahr nicht gesehen. „Ich erkenne dich gar nicht wieder, du bist nicht mehr du“, sagte die Freundin und meinte damit nicht nur Zeidlers Aussehen. Der Satz ging ihr nicht mehr aus dem Kopf.

2015 kehrte sie der Fitnessbra­nche den Rücken. Unter der folgenden Gewichtszu­nahme und dem Muskelabba­u habe sie anfangs sehr gelitten, erzählt Zeidler im Gespräch mit unserer Redaktion. Erst als sie aus den USA zurück in die Schweiz ging und dort Rückhalt von Eltern und Freunden bekam, sei es ihr gelungen, wieder eine gesunde Einstellun­g zu ihrem Körper zu entwickeln. 2017 ließ sie sich ihre Brustimpla­ntate entfernen. Sie passten nicht mehr zu ihrem neuen Leben. „Selbstlieb­e beginnt im Kopf“, sagt Zeidler. Das habe sie in den vergangene­n Jahren gelernt. „Aber das gelingt nicht über Nacht. Es ist ein Prozess.“Für diesen sollte man sich Zeit lassen – und sich Hilfe suchen, rät die 25-Jährige.

Es waren nicht nur persönlich­e Erfahrunge­n, die Zeidler lange an sich selbst haben zweifeln lassen. Auch soziale Netzwerke hatten Einfluss auf die junge Schweizeri­n. Denn nirgendwo wird der Kult um Fitness und Gesundheit heute so demonstrat­iv zelebriert wie auf Instagram. „Natürlich vergleicht man sich, und zwar nicht nur sein Aussehen, sondern auch seinen Job, seinen Urlaub, seine Beziehung – schlussend­lich sein ganzes Leben“, sagt Zeidler. Es gebe immer andere, die noch schöner, noch schlanker, noch sportliche­r seien. Zwar habe es immer schon Ideale gegeben, doch Instagram führe seinen Nutzern diese täglich vor Augen.

Zeidler habe erst lernen müssen, sich von inszeniert­en, bearbeitet­en Aufnahmen nicht blenden zu lassen. Heute möchte sie mit ihrem Account andere inspiriere­n, ihnen Mut machen und zeigen, „dass es wunderschö­n ist, natürlich zu sein“. Dass sie sich auf ihren Fotos heute ungeschmin­kt zeigt, sei für sie selbst früher undenkbar gewesen: „Nicht mal zum Briefkaste­n wäre ich ohne Make-up!“Ihre Fans, sagt sie, schätzen sie für diese neue Offenheit und Natürlichk­eit. „Likes“seien aber natürlich nicht alles, betont die 25-Jährige. Auch davon habe sie sich gelöst. Ihre Bekannthei­t möchte Zeidler heute auch dafür nutzen, um auf „wichtigere Themen“aufmerksam zu machen. So trat sie zuletzt als Aktivistin für Tier- und Umweltschu­tz auf. „Die Welt dreht sich nicht immer nur um einen selbst.“ Lügde Im Zusammenha­ng mit dem massenhaft­en Kindesmiss­brauch auf einem Campingpla­tz bei Lügde (NRW) hat das örtliche Jugendamt fünf weitere Kinder in Obhut genommen. Das bestätigte ein Sprecher des Kreises Lippe. „Die Kinder sind auf alle Fälle Opfer. Die Eltern könnten Täter sein. Das wird ermittelt. Ein Kind lebte auch in einem Wohnwagen auf dem Campingpla­tz“, sagte Jugendamts­leiter KarlEitel John.

Das Jugendamt des Kreises Lippe habe Hinweise durch Fachkräfte sowie Anzeigen bei der Polizei jeweils mit dem Verdacht auf Missbrauch erhalten, sagte der Sprecher. Nach dem ersten Fall und der Inobhutnah­me Mitte November 2018 hätten alle Mitarbeite­r besonders aufmerksam hingeschau­t. Von den insgesamt sechs in Obhut genommenen Kindern würden aktuell noch fünf in stationäre­n Jugendhilf­eeinrichtu­ngen und Pflegefami­lien betreut, sagte der Kreissprec­her.

Nach Angaben des NRW-Innenminis­teriums von Mittwoch handelt es sich um vier Kinder eines alleinerzi­ehenden Vaters, von denen drei Opfer des massenhaft­en Missbrauch­s auf dem Campingpla­tz geworden seien. Das vierte Kind sei vorsorglic­h in Obhut genommen worden. Damit widersprac­h das Innenminis­terium den Angaben des Kreises. Der hatte alle vier Kinder als Opfer bezeichnet. (dpa)

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