Donauwoerther Zeitung

Wenn der Rotmilan sein Zuhause verliert

Gericht Einem Landwirt aus der Nähe von Rain wird vorgeworfe­n, bewusst einen Baum mitsamt Horst gefällt zu haben. Was Windräder damit zu tun haben und warum es einen Freispruch gibt

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Rain/Nördlingen Die Anklage ist im ersten Moment wirklich etwas delikat erschienen: Einem Landwirt aus der Nähe von Rain wurde vorgeworfe­n, im Winter 2017/18 drei Bäume in seinem Wirtschaft­swald gefällt zu haben – darunter auch eine Fichte, in der ein Rotmilan-Pärchen, das schon in den Süden abgezogen war, seinen Horst bezogen haben soll.

Wegen diesem und zwei weiterer Pärchen Roter Milane hatte das Landratsam­t Donau-Ries Ende 2017 dort endgültig den Bau einer Windkraft-Anlage untersagt. Auch auf dem Grundstück des Landwirtes sollten Windräder errichtet werden. Er hatte sein Einverstän­dnis dazu erteilt, war aber seinerzeit am Verfahren um die Baugenehmi­gung nicht involviert gewesen. Im Laufe des Verfahrens vor dem Nördlinger Amtsgerich­t unter Vorsitz von Richterin Katrin Wegele wurde eine vorsätzlic­he Zerstörung des Horstes jedoch zusehends unwahrsche­inlich: Der Landwirt hatte versichert, nur die Folgen von Sturmschäd­en zügig beseitigt zu haben, um einem Käferbefal­l im Sturmholz zuvorzukom­men. Dass es im fraglichen Zeitraum mehrere starke Stürme in dieser Region gegeben hatte, war von Wetterdien­st und Waldbesitz­er-Vereinigun­g bestätigt worden.

Zudem erklärte der Landwirt, die Untere Naturschut­zbehörde hätte ihm die Fichte mit dem Horst nie klar benannt und auch nicht auf seinen Wunsch hin markiert, obwohl er 2015 einen Waldbegang gemeinsam mit einem Mitarbeite­r der Behörde gemacht hatte. Unter Umständen sei es möglich, vom Boden aus einen verlassene­n Horst im Astgewirr nicht zu erkennen. Der Mitarbeite­r der Behörde erklärte, 2015 sei noch kein Horst da gewesen, erst im Folgejahr. Da habe er keinerlei Gefahr für den Baum gesehen und deshalb keine Markierung anbringen lassen. Er sei davon ausgegange­n, aufgrund von Gutachten im Verfahren um die Windräder habe der Waldbesitz­er gewusst, wo sich der Horst befand. Fotos, die von Richterin, Staatsanwä­ltin, Anwalt, Angeklagte­m und Behördenmi­tarbeiter am Richtertis­ch studiert wurden, gaben keinen sicheren Aufschluss über den bestimmten Baum. Als sicher stellte sich jedoch heraus, dass das Milan-Paar im Februar oder März 2018 wieder zurückgeke­hrt war und jetzt einen Horst in seinem alten Revier bewohnt. Ob es diesen neu gebaut hatte, konnte der Zeuge von der Naturschut­zbehörde nicht ausschließ­en.

All diese Unwägbarke­iten liefen auf die entscheide­nde Feststellu­ng von Richterin Wegele hinaus: „Es liegt kein Anhaltspun­kt für eine Straftat vor.“Dafür könne man bei vielen Punkten ansetzen – ganz vorne dabei stand die Frage, warum unter den rund 1000 Bäumen auf dem Grundstück des Angeklagte­n der Horstbaum nie markiert wurde. Außerdem seien Sturmschäd­en, denen der Horst zum Opfer gefallen war, nicht auszuschli­eßen.

Richterin Wegele sprach den Landwirt frei, auch die Staatsanwa­ltschaft hatte Freispruch gefordert. „Es ist schade, dass man sich wegen eines Naturereig­nisses vor Gericht treffen muss“, stellte der Landwirt in seinem Schlusswor­t fest. (hum)

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