Was der Wintersport für das Leben lehrt
Für die geografische Bildung der Deutschen ist der Sport bedeutender als der Erdkundeunterricht. Wer wüsste schon, wo Córdoba liegt, wenn dort nicht der österreichische Fernsehkommentator Edi Finger aufgrund eines überraschenden Spielverlaufs narrisch geworden wäre. Ohne die damit einhergehende Schmach der deutschen Nationalmannschaft hätte ein Großteil der Bevölkerung die argentinische Stadt Córdoba allenfalls für ein neues VW-Modell gehalten.
Besonders verdient gemacht um die „Stadt, Land, Fluss“-Kenntnisse hat sich über Jahrzehnte hinweg der Wintersport. Lob gebührt auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die den ihnen zugewiesenen Bildungsauftrag hier besonders ernst nehmen.
Übertragungen aus exotischen Regionen wie dem lettischen Sigulda (Rodeln), Tomakomai in Japan (Eisschnelllauf) oder der Perle des Hochschwarzwalds, TitiseeNeustadt (Skispringen), sorgen für Geografiewissen, das Bücherwürmern für immer verborgen bleibt. Hogwarts taucht auf keiner Landkarte auf.
Nun ist aber vorerst Schluss mit Bildung. Außer irgendjemand weiß immer noch nicht, wo Cornwall liegt – dann hilft eine PilcherVerfilmung. Der Wintersport aber zieht sich in die Sommerferien zurück. Die Skifahrer schwangen ver- gangenes Wochenende in Soldeu (Andorra) ein letztes Mal ab, gestern setzten die Skispringer ihren abschließenden Telemark für diese Saison in den Schnee (Planica/Slowenien).
Bleiben nur noch die EishockeySpieler, deren polyvalente Ausbildung (Eislaufen, Hockey spielen, Boxen) bereits ein Indiz für ihren Bildungsanspruch ist. Derzeit spielen sie in Deutschland noch ihren Meister aus. Danach aber ziehen sie im Mai nochmals weiter, um ihren Weltmeister zu ermitteln. Das machen sie jedes Jahr. Bildung kennt keine Jahreszeiten. Diesmal checken sie sich in Bratislava und Kosice in die Bande. So taucht auch die Slowakei noch im Sportgeografie-Lehrplan auf. Ihr Finale bestreiten die Kufenartisten am 26. Mai und somit einen Tag nach dem Pokalfinale der Fußballer. Die spielen übrigens in Berlin. Wie langweilig.