Finne sucht Rezept gegen die Finnen
Eishockey-WM Toni Söderholm trifft erstmals als Bundestrainer auf seine Landsleute. Der Coach kritisiert vor dem letzten Gruppenspiel seinen Star Leon Draisaitl
Kosice Finnisch klingt schwierig für unsere Ohren, aber es kann nicht schaden, ein paar Floskeln zu kennen. Vielleicht auch deshalb begrüßt Toni Söderholm die Journalisten in Kosice mit einem freundlichen „Huomenta“– guten Morgen. Am Tag vor einem besonderen Spiel für den Bundestrainer wirkt er aufgeräumt. Am Dienstag um 12.15 Uhr (live in Sport1) trifft die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes auf Finnland, das dominierende Team der Gruppe A, den Weltranglistenfünften und Titelträger von 2011 in der Slowakei. Söderholm hat am Morgen bereits die Mannschaft mit den Co-Trainern eingestellt. Er sagt: „Coaching ist Teamarbeit. Alleingänge bringen einen nicht weiter.“Und doch weiß der 41-Jährige, dass seine Person im Fokus steht. Schließlich holte der Verteidiger mit den Suomi 2007 die Vize-Weltmeisterschaft.
Söderholm spielte lange für seinen Heimatverein IFK Helsinki. Er kennt die finnische Seele und weiß, wie die weiß-blauen EishockeyProfis ticken. Lediglich sieben Gegentore in sechs Spielen kassierten die Skandinavier. „Die haben immer vier Leute hinter der Scheibe. Für deine Chancen must du hart arbeiten“, charakterisiert Söderholm den letzten Vorrundengegner der Deutschen. Der Trainer kennt viele Männer aus dem Finnenteam, mit Betreuer Aki Berg spielte er seit seiner Kindheit zusammen.
Im letzten Punktspiel der Eishockey-WM in der Slowakei weiß der Nachfolger von Marco Sturm noch nicht, was ihn erwartet. „Ich kann nicht sagen, wie es wird, weil ich es noch nie gemacht habe, aber es wird ein spezielles Spiel.“Und das vermutlich schwierigste obendrein. Nach dem Aufwärmprogramm gegen Großbritannien, Dänemark, Frankreich und die Slowakei stieg die Qualität erheblich. Kanada (8:1) und die USA (3:1) zeigten der Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes, warum sie mit Platz acht der Weltrangliste glücklich sein muss.
Torwart Mathias Niederberger verhinderte gegen die USA eine höhere Niederlage. In der deutschen Abwehr machte sich das Fehlen der schnellen Verteidiger Moritz Seider (noch verletzt) oder des Augsburgers Simon Sezemsky (nicht nominiert) negativ bemerkbar. Doch die Abwehrarbeit beginnt im gegnerischen Drittel und in dieser Hinsicht schreckt der Bundestrainer nicht vor deutlichen Worten an die Adresse seines Superstars zurück. „Also der Leon versucht sehr viel auf dem Eis, aber er kann auf alle Fälle besser in der Defensive arbeiten“, sagt Söderholm über den Edmonton-Profi Draisaitl. Mutig: Der Trainer, der sonst die Schuld bei Niederlagen auf sich nimmt, weil er die Mannschaft nicht gut genug vorbereitet habe, kritisiert seinen Star, den Dreh- und Angelpunkt in der Offensive und im Powerplay. Leon Draisaitl ist nicht nur wegen seiner drei WM-Treffer der auffälligste deutsche Stürmer. Der 23-Jährige schirmt den Puck ab wie kein Zweiter, hat Zug zum Tor und spielt unglaubliche Pässe ohne zu schauen.
Doch gegen die Skandinavier ist Abwehrarbeit gefragter als Kunststücke. Die von ihren trinkfesten Fans zahlreich unterstützten Finnen glänzen als Kollektiv und haben zudem die größte WM-Sensation in ihren Reihen. Kaapo Kakko betrat die WM-Bühne mit zwei Toren gegen Kanada, packte gegen die Slowaken einen Hattrick obendrauf und steht nach sechs Einsätzen bei sechs Toren. Das 18-jährige Milchgesicht zaubert Tore auf das Eis, die es selbst erst nach Betrachtung der Zeitlupe erklären kann. Auf Kakko angesprochen, verweist der Bundestrainer auf sein ebenfalls 18-jähriges Ausnahmetalent Seider, „den ich nicht weit davon entfernt sehe“. Doch der Mannheimer Verteidiger ist nach einem Check aus dem Slowakeispiel noch nicht einsatzfähig. Als ob Söderholms Aufgabe gegen seine Landsleute nicht schon schwer genug wäre.