Warum wir uns ständig selbst widersprechen
Für das Klima, aber gegen teuren Sprit und Stromtrassen – wir befinden uns in einem dauernden inneren Interessenkonflikt. Was man dagegen tun kann
Mancher Pendler dürfte erst einmal das innere Gaspedal kräftig durchgedrückt haben, als er von der Forderung des Umweltbundesamtes für einen wirksamen Klimaschutz auf der Straße hörte: Um bis zu 70 Cent pro Liter müsste demnach der Spritpreis steigen, die Pendlerpauschale gleichzeitig wegfallen. Hinten runterfallen kann da schon mal, zumal wenn die Drehzahl ohnehin im roten Bereich ist, dass eine schrittweise Umsetzung bis zum Jahr 2030 nebst einer sozialen Kompensation vorgeschlagen wurde. Egal, am Anfang steht erst einmal eine Zahl, und ein bisschen erinnert das Ganze an den berühmten Fünf-MarkBeschluss der Grünen 1998 mit seinen (fast) verheerenden Folgen bei der Bundestagswahl.
Umso mehr dürfte sich manch ein Ökoveteran von damals oder Grünen-Wähler
von heute, der mit dem Rad von seiner Altbauwohnung ins Büro fährt, bestätigt fühlen. Das Problem dabei ist: Beide Positionen sind legitim, beide Seiten haben erst einmal recht. Gerade beim Thema Klimaschutz zeigt sich nämlich, dass Betroffenheit und Betroffenheit einen Unterschied machen, zeigen sich die Widersprüche moderner Gesellschaften. Und damit ist nicht nur der erwähnte Pendler/ Radler-, also der oft zitierte StadtLand-Konflikt, der Unterschied zwischen einzelnen Milieus gemeint. Vielmehr geht dieser Widerspruch, zieht sich diese Konfliktlinie durch uns alle. Denn wer wäre denn grundsätzlich dagegen, also gegen mehr Klimaschutz?
Doch wenn es konkret wird, wenn der Einzelne mit Folgen und Kosten konfrontiert wird, sieht das Ganze bekanntlich schon wieder etwas anders aus. Beispiele für diese Binse gibt es zuhauf, ob es nun um das Einkaufsverhalten der Menschen oder sogenannte Monstertrassen geht, die man dann doch lieber nicht in der Nachbarschaft haben mag – not in my backyard („Nicht in meinem Hinterhof“). Bevor man sich nun aber im Sinne der reinen Lehre über solcherart St.-Florians-Prinzip mokiert – welchem Hausbesitzer (der in seiner Freizeit womöglich gar Kröten über die Straße trägt oder sich sonst wie engagiert) kann man denn etwa nicht nachsehen, wenn er sich gegen den Wertverlust seiner Immobilie wehrt? Er agiert in diesem Fall eben in seiner Rolle als Hausbesitzer.
Es sind diese Widersprüche, die erst mal auszuhalten sind, und diese Widersprüche und Paradoxien nehmen in komplexen Gesellschaften eher zu als ab. Das zeigt sich nicht nur beim Klima- und Naturschutz (auch hier besteht im Übrigen teilweise schon ein Widerspruch, wenn etwa, wie diese Woche, Naturschützer vor zu vielen Wasserkraftwerken warnen). Das zeigt sich auch an einem anderen Dauerthema dieser Tage, nämlich der Auseinandersetzung um die „schwarze Null“: Als Steuerzahler mag man das Prinzip, dass der Staat keine Schulden macht, vielleicht ja intuitiv begrüßen – und gleichzeitig in seiner anderen Rolle als Sparer, als Akteur an den Finanzmärkten über die niedrigen bis negativen Zinsen schimpfen. Paradox auch das, und es gäbe noch viele andere Beispiele für solche Widersprüche, die erst einmal unhintergehbar sind. Was allerdings ginge: Diese Widersprüche offenzulegen, wozu sachlich informierende Medien gefragt wären, eine ebenso sachliche Diskussion darüber und schließlich das Überführen dieser Widersprüche in eine Politik, die das Ganze im Blick hat und zwischen einzelnen Akteuren vermittelt, aber auch jedem einzelnen Akteur erklärt, warum er welche Folgen zu tragen hat. Doch bekanntermaßen will Politik auch gewählt werden – und von den Vorschlägen des Umweltbundesamts ist folglich auch nichts im Klimapaket zu finden. Wer wählt aber wiederum Politik? Keine Frage: Wir müssen uns alle bei unseren eigenen Widersprüchen packen.
Je nach Rolle kann man gleichzeitig für und gegen etwas sein