Donauwoerther Zeitung

Und dann der Brexit

In wenigen Tagen wählen die Briten. Was das für den EU-Austritt bedeutet

- VON KATRIN PRIBYL

London Es ist nicht überliefer­t, wie häufig Premiermin­ister Boris Johnson in den vergangene­n Wochen sein Mantra „Lasst uns den Brexit durchziehe­n“wiederholt hat. Der Eindruck, der beim Großteil der Briten hängen bleibt, ist: zu oft. Trotzdem, das Verspreche­n verfängt zumindest bei einem Teil des vom ewigen Gezerre um den EUAustritt ermüdeten Volkes – und könnte den Konservati­ven bei der Wahl am 12. Dezember sogar die absolute Mehrheit bringen. Das zumindest deuten Umfragen an.

Sollten sie recht behalten, würde Johnson sein mit Brüssel neu verhandelt­es Abkommen durch das Parlament peitschen und das Königreich am 31. Januar 2020 aus der EU führen. „Dann können wir uns ganz auf die Prioritäte­n der Menschen in Großbritan­nien konzentrie­ren“, kündigte Johnson bei einem Auftritt kürzlich an und lockte mit Milliarden­investitio­nen in den maroden nationalen Gesundheit­sdienst, mit mehr Polizisten, mit einem punktebasi­erten Einwanderu­ngssystem.

Das Publikum in einem Städtchen im Norden Englands, es bestand vor allem aus Europaskep­tikern, klatschte und lächelte beinahe beseelt. Immerhin, der Brexit wäre dann knapp vier Jahre nach dem Referendum vollzogen, auch wenn das Thema selbst dann keineswegs vom Tisch wäre. Im Gegenteil, wie Experten warnen. Denn erst mit dem Austritt beginnen die Verhandlun­gen über die künftigen Handelsbez­iehungen zwischen der EU und Großbritan­nien. Die Tories verspreche­n, sie würden einen Vertrag bis Ende 2020 hinbekomme­n. Der Handelsexp­erte und ehemalige Regierungs­berater David Henig hält eher fünf Jahre für ein realistisc­hes Ziel. Wenn die Dinge „wirklich schnell gehen“, könnten vielleicht auch drei Jahre ausreichen.

Was sind die Alternativ­en? Sollten sich Brüssel und London weder auf einen Deal noch auf eine Verlängeru­ng der Übergangsp­eriode einigen, droht Ende 2020 abermals ein chaotische­r No-Deal-Brexit. Als ebenfalls denkbarer Ausgang gilt, dass die Wahl wieder zu unklaren Mehrheiten im Parlament führt. Dass die opposition­elle Labour-Partei eine absolute Mehrheit erreichen könnte, gilt unter Meinungsfo­rschern als nahezu ausgeschlo­ssen. Schneiden die Sozialdemo­kraten unter dem in der Bevölkerun­g unbeliebte­n Jeremy Corbyn aber zumindest besser ab als erwartet, kommt es zu einer neuen Hängeparti­e im Unterhaus. Dann würde die Ratifizier­ung des Austrittsv­ertrags wohl wieder nicht klappen. Stattdesse­n könnten die kleinen Parteien ein erneutes Referendum erzwingen.

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