Donauwoerther Zeitung

Nachbarin: Kinder sind eingesperr­t

Neue Details zum Tod des Dillinger Buben

- VON STEPHANIE SARTOR

Dillingen War es menschlich­es Versagen? Wussten die Mitarbeite­r der Ämter nicht, was sie tun sollen? War ihnen die Brisanz nicht klar? Im Fall des Dillinger Buben, der Ende Oktober mit schweren Verletzung­en im Augsburger Unikliniku­m starb, gibt es noch viele offene Fragen. Immer mehr aber zeichnet sich eines ab: Das Leben des Kindes hätte womöglich gerettet werden können.

Wie berichtet, hatte Anfang Juli eine Nachbarin der Familie beim Veterinära­mt angerufen und gesagt, sie höre häufig Hunde in der Wohnung bellen. Die Mitarbeite­rin des Amtes fragte, ob auch Kinder im Haushalt lebten – dies bejahte die anonyme Anruferin. Wie das Landratsam­t Dillingen nun mitteilte, habe sie auch gesagt, dass die Kinder „eingesperr­t“seien. Diese Informatio­n gab das Veterinära­mt aber nicht an das Jugendamt weiter.

Das Veterinära­mt sei nur dann verpflicht­et, Informatio­nen an das Jugendamt weiterzuge­ben, wenn ihm „gewichtige Anhaltspun­kte für eine Kindeswohl­gefährdung“bekannt werden, sagt Peter Hurler, Sprecher des Dillinger Landratsam­tes. Dies treffe auf die damals übermittel­ten Informatio­nen nicht zu. Zur Situation der Kinder und den Wohnverhäl­tnissen habe die Anruferin keine weiteren Angaben machen können. Sie wurde gebeten, sich an das Jugendamt zu wenden – was sie aber nicht tat. Dass das Veterinära­mt so handelte, sei darin begründet, dass derartige Meldungen immer wieder aus Familien- oder Nachbarsch­aftsstreit­igkeiten resultiert­en und das Jugendamt Wert darauf lege, den gemeldeten Vorfall unmittelba­r mit dem Anzeigeers­tatter selbst zu verifizier­en.

Das Kind soll auch keine der üblichen Früherkenn­ungsunters­uchungen gehabt haben. Da der Junge in keiner Kita angemeldet war, fiel das jedoch nicht auf. Die NeuUlmer Bundestags­abgeordnet­e Ekin Deligöz (Grüne), zweite Vorsitzend­e des Deutschen Kinderschu­tzbundes, sieht hier Verbesseru­ngsbedarf. Man müsse die Einführung eines Meldesyste­ms prüfen, wie es in anderen Bundesländ­ern existiert. Dies sehe vor, dass Eltern, die eine Untersuchu­ng versäumen, daran erinnert werden – und dann auch aufgesucht werden, um herauszufi­nden, ob es Probleme gibt.

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