Heroldingen wird zum Krisenherd
Über die Kindertagesstätte hat sich das Virus in dem Harburger Stadtteil verbreitet. Wie die Lage vor Ort ist und wie es jetzt weitergeht. Eine Familie in Quarantäne berichtet
Harburg-Heroldingen Wer im Kalten Krieg groß geworden ist, der kennt dieses Szenario aus Katastrophenschutzübungen: Lautsprecherwagen fahren durch die Straßen und geben Anweisungen an die Bewohner, wie das Leben in der Krise weiter gelingen soll. So war es nun am Dienstag auch in Heroldingen. Hier hatte bereits im Vorfeld eine behördliche Nachricht zahlreiche Familien verunsichert: In der Kindertagesstätte wurde ein positiver Corona-Fall festgestellt. Die Folge: Die Familien der Kinder mussten allesamt in Quarantäne.
Sophia M.
(Name von der Redaktion geändert)
muss noch bis einschließlich Sonntag mit ihrem Kind und dem Ehemann in ihrer Wohnung ausharren. Am Telefon berichtet sie unserer Zeitung, dass die Situation beileibe keine einfache sei: Mit im Haus lebten die Großeltern – und denen dürften sie derzeit nicht begegnen. Auch in den Garten dürfte die Familie auf Weisung der Behörden nicht. „Es ist nicht leicht, wir sind eben eingesperrt“, sagt die Mutter. Sie sei jedoch momentan optimistisch, dass ihre Familie nicht mit dem neuartigen Coronavirus infiziert wurde, denn bisher zeigte niemand im Haushalt irgendwelche Symptome. Anderen Familien im Dorf – das wisse sie aus der entsprechenden Whatsapp-Gruppe der Kita – gehe es da mitunter anders: Ein Teil der unter Quarantäne Stehenden zeige Symptome wie Husten, Schnupfen, Gliederschmerzen, „eben typische Grippesymptome“, berichtet M. Das Landratsamt teilt zu den gesundheitlichen Auswirkungen der infizierten Heroldinger mit: „Über die Symptomatik bei den Erkrankten wird uns keine Meldung erstattet. Die meisten Fälle können ambulant im Rahmen der häuslichen Quarantäne beherrscht werden.“
Der kleine Ort Heroldingen sei derzeit „ein einmaliger Krisenherd“im Landkreis Donau-Ries, berichtet Landrat Stefan Rößle. Bisher gebe es alleine dort 19 positiv auf Covid-19 Getestete (Stand: Mittwochnachmittag). Von daher habe man den Namen des Ortes jetzt auch dezidiert öffentlich nennen müssen, erklärt Rößle weiter: „Bei Einzelfällen bringt das nicht viel, aber bei einer solchen Häufung ist es notwendig.“Unter den Betroffenen seien auch Kinder, die aber bisher seines Wissens nach kaum oder gar keine Symptome zeigten, sagt Rößle im Gespräch mit unserer Zeitung.
Zuletzt fühlten sich zahlreiche Eltern in dem Harburger Ortsteil recht unterschiedlich durch die Behörden informiert. Nicht alle hätten im gleichen Umfang Informationen bekommen. Ein Bewohner berichtete am Dienstagabend gegenüber unserer Zeitung: „Hier herrscht ein Chaos – einfach aus der Unsicherheit heraus.“Von einem Mitarbeiter des Landratsamtes sei er selbst dann am Telefon auch noch recht rüde zurechtgewiesen worden.
Rößle erklärt, dass die Behörde derzeit unter Hochdruck und teils auch am Anschlag arbeite. Ferner informiert Rößle, dass es eben nach der Erstabfrage an die Eltern durch das Gesundheitsamt unterschiedliche Fallkonstellationen gab: Jene, die einen engeren Kontakt zu Dritten hatten und jene, die einen eher distanzierten Kontakt zu anderen gehabt hätten. Die Zahl der von Quarantänemaßnahme Betroffenen (nicht die der Infizierten) beziffert das Landratsamt auf 120 Personen.
Demnach werde unterschieden, wie genau die Quarantäne ausgestaltet werden sollte. Die Amtsärztin habe allerdings „mit allen persönlich gesprochen“. Der Einsatz des Lautsprecherwagens mit dem dringenden Appell an die Heroldinger, in den Häusern zu bleiben, sei am Dienstag vonnöten gewesen, weil sich einige der Bewohner der Ernsthaftigkeit der Lage augenscheinlich nicht bewusst gewesen waren, erläutert der Landkreischef hierzu.
Die Lage in Heroldingen sei für die Behörde inzwischen zu einer „besonderen Herausforderung“geworden. Die Situation an sich rund um die Corona-Pandemie sei eine bis dato hierzulande weithin unbekannte – derzeit lerne auch die Kreisbehörde mit jedem Tag „aus all unseren Schritten dazu“. Sophia M. muss derweil weiter ausharren, beten und hoffen. Sie habe zunächst genügend Vorräte, falls diese zur Neige gehen sollten, werde das Umfeld einspringen: „Wir haben eine gute Nachbarschaft.“Die müsste dann Lebensmittel vor der Türe platzieren – doch das alles würde klappen, ist sich M. sicher. Aus ihrer Familie sei bisher niemand getestet worden, ihr sei auch nicht angekündigt worden, ob noch ein Corona-Test durchgeführt werde. Jedoch sei ihr mitgeteilt worden, dass ihre Familie ab Montag wieder hinausgehen dürfe, sofern sie denn symptomfrei bliebe. Andernfalls müsse sie mit dem Gesundheitsamt Kontakt aufnehmen und die Quarantäne verlängerte sich.
Indes sind die Hilfsorganisationen des Katastrophenschutzes wie THW, BRK und Johanniter zwar in die generellen Lagebesprechungen involviert, aber bislang noch nicht alarmiert worden, so Rößle. Auch eine Amtshilfe durch die Bundeswehr im Kreis sei aktuell noch nicht im Gespräch, sagt der Landrat. Amtshilfeersuchen kämen im gegebenen Fall vom Bayerischen Innenministerium. Freilich könnte sich die Lage tagtäglich ändern. Ausschließen möchte derzeit wohl niemand etwas.
Zum 1. April werden dem Gesundheitsamt des Landratsamtes Donau-Ries von der Regierung von Schwaben drei zusätzliche Ärzte zugewiesen.
Im Landratsamt Donau-Ries gibt es nun auch eine zentrale E-MailAdresse unter der Firmen, Bürger, Kirchen, Vereine Dienstleistungen/ Hilfen anbieten können. Für wen beispielsweise eine Versorgung der Einsatzkräfte mit Essen denkbar wäre, oder wer Materialien, Ausstattung oder Ähnliches zur Verfügung
stellen möchte, kann dies unter mitteilen. Die Führungsgruppe des
angebote@lra-donau-ries.de
Katastrophenschutzes im Landratsamt wird dies koordinieren. In der Bürger-Hotline werden unter 0906-74443 wochentags von 8 bis 18 Uhr und am Wochenende von 13 bis 16 Uhr Fragen zum CoronaVirus beantwortet. Im Kreistag wurde der Ferienausschuss eingerichtet, dem der Landrat und 16 Kreisräte angehören werden. Sobald nun die Mitglieder von den Fraktionen benannt wurden, muss die Besetzung nochmals per Umlaufbeschluss beschlossen werden. Geplant ist am 2. April die Verabschiedung des Kreishaushalts. (dz)
Allein in dem Ort bislang 19 positiv Getestete
Hilfsorganisationen sind eingebunden