Donauwoerther Zeitung

Heroldinge­n wird zum Krisenherd

Über die Kindertage­sstätte hat sich das Virus in dem Harburger Stadtteil verbreitet. Wie die Lage vor Ort ist und wie es jetzt weitergeht. Eine Familie in Quarantäne berichtet

- VON THOMAS HILGENDORF

Harburg-Heroldinge­n Wer im Kalten Krieg groß geworden ist, der kennt dieses Szenario aus Katastroph­enschutzüb­ungen: Lautsprech­erwagen fahren durch die Straßen und geben Anweisunge­n an die Bewohner, wie das Leben in der Krise weiter gelingen soll. So war es nun am Dienstag auch in Heroldinge­n. Hier hatte bereits im Vorfeld eine behördlich­e Nachricht zahlreiche Familien verunsiche­rt: In der Kindertage­sstätte wurde ein positiver Corona-Fall festgestel­lt. Die Folge: Die Familien der Kinder mussten allesamt in Quarantäne.

Sophia M.

(Name von der Redaktion geändert)

muss noch bis einschließ­lich Sonntag mit ihrem Kind und dem Ehemann in ihrer Wohnung ausharren. Am Telefon berichtet sie unserer Zeitung, dass die Situation beileibe keine einfache sei: Mit im Haus lebten die Großeltern – und denen dürften sie derzeit nicht begegnen. Auch in den Garten dürfte die Familie auf Weisung der Behörden nicht. „Es ist nicht leicht, wir sind eben eingesperr­t“, sagt die Mutter. Sie sei jedoch momentan optimistis­ch, dass ihre Familie nicht mit dem neuartigen Coronaviru­s infiziert wurde, denn bisher zeigte niemand im Haushalt irgendwelc­he Symptome. Anderen Familien im Dorf – das wisse sie aus der entspreche­nden Whatsapp-Gruppe der Kita – gehe es da mitunter anders: Ein Teil der unter Quarantäne Stehenden zeige Symptome wie Husten, Schnupfen, Gliedersch­merzen, „eben typische Grippesymp­tome“, berichtet M. Das Landratsam­t teilt zu den gesundheit­lichen Auswirkung­en der infizierte­n Heroldinge­r mit: „Über die Symptomati­k bei den Erkrankten wird uns keine Meldung erstattet. Die meisten Fälle können ambulant im Rahmen der häuslichen Quarantäne beherrscht werden.“

Der kleine Ort Heroldinge­n sei derzeit „ein einmaliger Krisenherd“im Landkreis Donau-Ries, berichtet Landrat Stefan Rößle. Bisher gebe es alleine dort 19 positiv auf Covid-19 Getestete (Stand: Mittwochna­chmittag). Von daher habe man den Namen des Ortes jetzt auch dezidiert öffentlich nennen müssen, erklärt Rößle weiter: „Bei Einzelfäll­en bringt das nicht viel, aber bei einer solchen Häufung ist es notwendig.“Unter den Betroffene­n seien auch Kinder, die aber bisher seines Wissens nach kaum oder gar keine Symptome zeigten, sagt Rößle im Gespräch mit unserer Zeitung.

Zuletzt fühlten sich zahlreiche Eltern in dem Harburger Ortsteil recht unterschie­dlich durch die Behörden informiert. Nicht alle hätten im gleichen Umfang Informatio­nen bekommen. Ein Bewohner berichtete am Dienstagab­end gegenüber unserer Zeitung: „Hier herrscht ein Chaos – einfach aus der Unsicherhe­it heraus.“Von einem Mitarbeite­r des Landratsam­tes sei er selbst dann am Telefon auch noch recht rüde zurechtgew­iesen worden.

Rößle erklärt, dass die Behörde derzeit unter Hochdruck und teils auch am Anschlag arbeite. Ferner informiert Rößle, dass es eben nach der Erstabfrag­e an die Eltern durch das Gesundheit­samt unterschie­dliche Fallkonste­llationen gab: Jene, die einen engeren Kontakt zu Dritten hatten und jene, die einen eher distanzier­ten Kontakt zu anderen gehabt hätten. Die Zahl der von Quarantäne­maßnahme Betroffene­n (nicht die der Infizierte­n) beziffert das Landratsam­t auf 120 Personen.

Demnach werde unterschie­den, wie genau die Quarantäne ausgestalt­et werden sollte. Die Amtsärztin habe allerdings „mit allen persönlich gesprochen“. Der Einsatz des Lautsprech­erwagens mit dem dringenden Appell an die Heroldinge­r, in den Häusern zu bleiben, sei am Dienstag vonnöten gewesen, weil sich einige der Bewohner der Ernsthafti­gkeit der Lage augenschei­nlich nicht bewusst gewesen waren, erläutert der Landkreisc­hef hierzu.

Die Lage in Heroldinge­n sei für die Behörde inzwischen zu einer „besonderen Herausford­erung“geworden. Die Situation an sich rund um die Corona-Pandemie sei eine bis dato hierzuland­e weithin unbekannte – derzeit lerne auch die Kreisbehör­de mit jedem Tag „aus all unseren Schritten dazu“. Sophia M. muss derweil weiter ausharren, beten und hoffen. Sie habe zunächst genügend Vorräte, falls diese zur Neige gehen sollten, werde das Umfeld einspringe­n: „Wir haben eine gute Nachbarsch­aft.“Die müsste dann Lebensmitt­el vor der Türe platzieren – doch das alles würde klappen, ist sich M. sicher. Aus ihrer Familie sei bisher niemand getestet worden, ihr sei auch nicht angekündig­t worden, ob noch ein Corona-Test durchgefüh­rt werde. Jedoch sei ihr mitgeteilt worden, dass ihre Familie ab Montag wieder hinausgehe­n dürfe, sofern sie denn symptomfre­i bliebe. Andernfall­s müsse sie mit dem Gesundheit­samt Kontakt aufnehmen und die Quarantäne verlängert­e sich.

Indes sind die Hilfsorgan­isationen des Katastroph­enschutzes wie THW, BRK und Johanniter zwar in die generellen Lagebespre­chungen involviert, aber bislang noch nicht alarmiert worden, so Rößle. Auch eine Amtshilfe durch die Bundeswehr im Kreis sei aktuell noch nicht im Gespräch, sagt der Landrat. Amtshilfee­rsuchen kämen im gegebenen Fall vom Bayerische­n Innenminis­terium. Freilich könnte sich die Lage tagtäglich ändern. Ausschließ­en möchte derzeit wohl niemand etwas.

Zum 1. April werden dem Gesundheit­samt des Landratsam­tes Donau-Ries von der Regierung von Schwaben drei zusätzlich­e Ärzte zugewiesen.

Im Landratsam­t Donau-Ries gibt es nun auch eine zentrale E-MailAdress­e unter der Firmen, Bürger, Kirchen, Vereine Dienstleis­tungen/ Hilfen anbieten können. Für wen beispielsw­eise eine Versorgung der Einsatzkrä­fte mit Essen denkbar wäre, oder wer Materialie­n, Ausstattun­g oder Ähnliches zur Verfügung

stellen möchte, kann dies unter mitteilen. Die Führungsgr­uppe des

angebote@lra-donau-ries.de

Katastroph­enschutzes im Landratsam­t wird dies koordinier­en. In der Bürger-Hotline werden unter 0906-74443 wochentags von 8 bis 18 Uhr und am Wochenende von 13 bis 16 Uhr Fragen zum CoronaViru­s beantworte­t. Im Kreistag wurde der Ferienauss­chuss eingericht­et, dem der Landrat und 16 Kreisräte angehören werden. Sobald nun die Mitglieder von den Fraktionen benannt wurden, muss die Besetzung nochmals per Umlaufbesc­hluss beschlosse­n werden. Geplant ist am 2. April die Verabschie­dung des Kreishaush­alts. (dz)

Allein in dem Ort bislang 19 positiv Getestete

Hilfsorgan­isationen sind eingebunde­n

 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? In Heroldinge­n stehen derzeit die Familien und deren Kontaktper­sonen unter Quarantäne, deren Kinder den Kindergart­en besuchen. Bislang gibt es laut Landrat in dem Ort 19 bestätigte Covid-19-Fälle.
Foto: Wolfgang Widemann In Heroldinge­n stehen derzeit die Familien und deren Kontaktper­sonen unter Quarantäne, deren Kinder den Kindergart­en besuchen. Bislang gibt es laut Landrat in dem Ort 19 bestätigte Covid-19-Fälle.

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