Seniorenheim: 20 Beschäftigte sind infiziert
Nach der Serie von Todesfällen in Harburg werden alle Mitarbeiter und Bewohner der Einrichtung auf Covid-19 getestet. Erste Ergebnisse zeigen, dass das Ausmaß größer ist
Das Coronavirus grassiert wohl seit ein bis zwei Wochen in dem Heim in Harburg. Weitere Hintergründe hierzu lesen Sie auf
Harburg Die Situation im Seniorenheim der Diakonie in Harburg spitzt sich weiter zu. Zwar gab es von Mittwoch bis Freitag keine weiteren Todesfälle in der Pflegeeinrichtung, jedoch kommt nun nach und nach auf, wie weit sich das Coronavirus unter den Mitarbeitern und den Bewohnern bereits ausgebreitet hat. Am Freitagmittag teilte das Landratsamt Donau-Ries mit, dass mindestens 20 Beschäftigte an Covid-19 erkrankt sind. Diese Nachricht trifft das Heim hart. „Wir müssen jetzt schauen, wie wir das organisieren“, sagte Gertrud Beck, Vorsitzende des diakonievereins Harburg und Umgebung, in einer ersten Reaktion.
Das Virus grassiert wohl seit ein bis zwei Wochen in dem Heim und ist nach Erkenntnissen des Gesundheitsamts für eine traurige Serie zumindest mitverantwortlich: Am beziehungsweise mit dem Coronavirus starben von Samstag bis Mittwoch insgesamt neun Bewohner im Alter von Mitte 70 bis 101 Jahren. Wie berichtet, war ein Teil von ihnen in einem sehr gebrechlichen Zustand. Die Behörde geht davon aus, dass in allen Fällen ein Zusammenhang mit Corona besteht.
Nachdem sich bis Mittwoch bei mehreren Senioren und drei Diakonie-Mitarbeiterinnen der Verdacht auf Corona bestätigt hatte, drängten die Verantwortlichen der Einrichtung darauf, dass die komplette Belegschaft – auch die Schwestern der angegliederten Diakoniestation, die 120 Klienten im Raum Harburg und Umgebung ambulant betreuen – untersucht wird. Dafür gab inzwischen die Regierung von Schwaben grünes Licht. Nach den Mitarbeitern – in Heim und Station sind es insgesamt an die 100, fast ausnahmslos Teilzeitkräfte – nahm das Gesundheitsamt am Donnerstag auch Abstriche bei allen Bewohnern, die im Heim verblieben sind, das seit dem 13. März für Besucher praktisch komplett gesperrt ist.
Am Freitagmittag standen die Testergebnisse teilweise noch aus, jedoch war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass in jedem Fall 20 Beschäftigte an Covid-19 erkrankt sind. Weil dem Amt zufolge rückwirkend nicht mehr nachvollziehbar ist, wer mit wem in der Einrichtung näher zu tun hatte, werden alle Mitarbeiter und Bewohner als „enge Kontaktpersonen“gewertet. Deren Zahl liege bei rund 100.
Nach Erkenntnissen vom Donnerstag befand sich ein Bewohner, der positiv getestet worden war, im Heim und zwei andere wurden in eine Klinik eingewiesen.
Angesichts der Umstände seien die Mitarbeiter „psychisch stark belastet“, erklärte Gertrud Beck am Freitag gegenüber unserer Zeitung. Es sei geplant, die Vorkommnisse mithilfe einer Fachkraft aufzuarbeiten. Derweil erfahre man aus der Bevölkerung „viel Zuspruch“. Die Menschen seien bestürzt angesichts der Serie von Todesfällen und der weiteren Folgen der Pandemie für die Sozialeinrichtung. Die verfüge durch Sonderzuweisungen inzwischen über mehr Schutzausrüstung. Was Gertrud Beck zufolge noch fehlt, sind Schutzkittel: „Da bräuchten wird unbedingt mehr.“Zudem belieferten Ehrenamtliche die Diakonie mit selbst gefertigten einfachen Schutzmasken.
Das Seniorenheim ist in Harburg aktuell nicht die einzige öffentliche Einrichtung, die vom Coronavirus betroffen ist. Offenbar hat es auch einen erheblichen Teil des Personals der städtischen Kindertagesstätte in Harburg erwischt. Bis Donnerstag hatten mindestens vier Bedienstete die Bestätigung, dass sie infiziert sind. Die komplette Belegschaft befindet sich in Quarantäne.
Die Notgruppe konnte nach Informationen unserer Zeitung in dieser Woche nur aufrecht erhalten werden, weil eine Mitarbeiterin des zweiten städtischen Kindergartens im Ortsteil Heroldingen inzwischen Covid-19 überstanden hat, folglich immun ist und in Harburg aushelfen konnte. Allerdings war, so war in dieser Woche aus dem Rathaus zu hören, zuletzt nur ein Kind zu betreuen. In der kommenden Woche bleibe die Notgruppe mangels Nachfrage ganz geschlossen. Bürgermeister Wolfgang Kilian zeigte sich zuversichtlich, dass das Kindergartenpersonal wieder einsatzbereit ist, bis die Einrichtungen wieder geöffnet werden können.
Das Coronavirus hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen auch andernorts im Harburger Stadtgebiet ausgebreitet. Wie gemeldet, war zunächst der Stadtteil Heroldingen besonders betroffen. Nach Informationen unserer Zeitung steckten sich auch Bewohner in mehreren anderen Ortsteilen an.
Harburg: Auch Personal der Kita hat sich angesteckt